
Zu hoch. Der Zinssatz für Steuernachzahlungen und -erstattungen ist verfassungswidrig. Jetzt hat der Gesetzgeber nachgebessert. © Getty Images / Christine Balderas
Der Zinssatz für Steuernachzahlungen und Erstattungen sinkt auf 1,8 Prozent im Jahr. Nun passen Finanzämter alle Bescheide an. Wir erklären, womit Sie rechnen müssen.
Verfassungsgericht: Zinssatz zu hoch
Späte Steuerfestsetzung kostet extra: Das Finanzamt schlug bislang auf Steuernachzahlungen sechs Prozent Zinsen pro Jahr auf, wenn der Bescheid mehr als 15 Monate nach der Steuerentstehung ergeht. Das verärgerte viele Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Das Bundesverfassungsgericht gab ihnen Recht (Az. 1 BvR 2237/14 und Az. 1 BvR 2422/17). Die Höhe des Zinssatzes sei realitätsfern und deshalb verfassungswidrig.
Das Gericht nahm den Gesetzgeber in die Pflicht, die Höhe des Zinssatzes bis Ende Juli 2022 neu zu bestimmen. Um dieser Forderung nachzukommen, hat die Bundesregierung die Zinsen auf Steuernachzahlungen und Steuererstattungen auf nur noch 1,8 Prozent im Jahr gesenkt.
Seit der Gesetzesänderung müssen die Finanzämter nun alle offenen Steuerbescheide korrigieren, die Verzinsungszeiträume ab dem Jahr 2019 betreffen.
Zinslauf beginnt erst nach 15 Monaten
Die Zinsen erheben Finanzämter bei der Festsetzung von Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Vermögensteuer, Umsatzsteuer und Gewerbesteuer. Der Zinslauf beginnt allerdings nicht mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist, sondern erst nach einer zinsfreien Karenzzeit von 15 Monaten. Normalerweise wird es also dann teuer, wenn das Finanzamt den Steuerbescheid erst mehr als 15 Monate nach dem Steuerjahr verschickt. Dieser Grundsatz bleibt, doch den Zinssatz von sechs Prozent rügte das Bundesverfassungsgericht aufgrund des niedrigen Zinsniveaus als zu hoch.
Zinssatz spiegelt Realität nicht wieder
Der dabei angelegte bisherige Zinssatz in Höhe von sechs Prozent pro Jahr stammt noch aus 1961. Für Anlegerinnen und Anleger am Kapitalmarkt lag der Zinssatz dagegen in den vergangen Jahren nahe null. Wegen anhaltend niedriger Zinsen besteht für Steuerzahler gar nicht die Möglichkeit, mit ihrer aufgeschobenen Steuerzahlung eine hohe Rendite zu erzielen.
Das hat auch das Bundesverfassungsgericht erkannt und bestätigt, dass die Höhe des Zinssatzes bereits seit 2014 nicht mehr der Realität entspreche. Für die Zeit bis Ende 2018 bleibe die entsprechende Vorschrift allerdings in Kraft. Erst auf Verzinsungszeiträume, die in das Jahr 2019 und später fallen, sei sie nicht mehr anwendbar.
Welche Zinshöhe stattdessen gerechtfertigt sein könnte, sagte das Bundesverfassungsgericht nicht. Es verpflichtete den Gesetzgeber, bis Ende Juli 2022 einen neuen Zinssatz zu bestimmen.
Verzinsung gleicht Nutzungsvorteil aus
Die Verzinsung soll ausgleichen, dass die Steuern bei einigen Steuerpflichtigen früher und bei anderen zu späteren Zeitpunkten festgesetzt und fällig werden. Diejenigen, deren Steuer erst spät festgesetzt wird, können das Geld in der Zwischenzeit zu anderen Zwecken nutzen und anlegen. Sie können von einem Zinsvorteil profitieren, während das Finanzamt auf sein Geld warten muss. Dieser Zinsvorteil soll mit einer realistischen Verzinsung abgemildert werden.
Neuer Zinssatz bei 1,8 Prozent pro Jahr
Nun hat die Bundesregierung die Zinsen auf nur noch 0,15 Prozent pro Monat gesenkt. Aufs Jahr gerechnet darf das Finanzamt auf Steuernachzahlungen nur noch 1,8 Prozent Zinsen aufschlagen – nach Ablauf der 15-monatigen Karenzzeit. Außerdem soll die Zinshöhe künftig alle drei Jahre evaluiert werden.
Die Änderung betrifft allerdings auch alle, die auf eine Erstattung hoffen, etwa freiwillig Abgebende. Haben sie bisher lange auf ihre Festsetzung und folglich auf ihr Geld gewartet, konnten sie sich über einen satten Zuschlag freuen. Mit der Gesetzesänderung sinken allerdings auch die Erstattungszinsen. Späte Abgaben und Geduld zahlen sich künftig kaum noch aus.
Finanzämter korrigieren Bescheide
Jetzt sind die Finanzämter am Zug und müssen nachbessern. Sie müssen alle noch nicht bestandskräftigen Steuerbescheide mit Verzinsungszeiträumen ab 2019 korrigieren. Das heißt: Alle, die für Zeiträume ab 2019 Zinsen gezahlt haben, bekommen möglicherweise einen Teil davon zurück. Tätig werden müssen Steuerzahlende aber nicht. Das Finanzamt wird Änderungen mitteilen, indem es neue Steuerbescheide verschickt.
Wer umgekehrt seit 2019 von hohen Erstattungszinsen profitiert hat, muss wahrscheinlich nichts zurückzahlen. Es gilt ein sogenannter Vertrauensschutz: Steuerbescheide dürfen nicht zum Nachteil der Steuerpflichtigen geändert werden, weil das Bundesverfassungsgericht ein Gesetz für verfassungswidrig erklärt.
Andere Zinsen, alter Zinssatz
Das Bundesfinanzministerium hat betont, dass sich der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts nur auf Erstattungs- und Nachzahlungszinsen auswirkt. Bei Stundungs-, Aussetzungs- und Hinterziehungszinsen bleibt es beim alten Zinssatz von 0,5 Prozent pro Monat beziehungsweise sechs Prozent pro Jahr.
Die unterschiedliche Handhabe ist rechtmäßig: Steuerpflichtige haben es selbst in der Hand, diese Zinsen zu vermeiden. Bei einer Steuerhinterziehung hat der Täter schließlich bewusst die fristgemäße Steuerzahlung vermieden. Aussetzungszinsen lassen sich etwa umgehen, indem Steuerzahlerinnen und Steuerzahler erst gar keine Aussetzung ihrer Steuerschuld beantragen.
Höhe der Säumniszuschläge weiterhin fraglich
Strittig ist weiterhin, ob die Säumniszuschläge seit 2019 von monatlich 1 Prozent zu hoch sind. Um zu klären, ob die Höhe der Säumnisgebühr verfassungswidrig ist, hob das Finanzgericht Münster den Abrechnungsbescheid einer Frau auf, die ihre Grunderwerbsteuer drei Monate zu spät bezahlt hatte (Az. 12 V 2684/21). Jetzt muss der Bundesfinanzhof entscheiden. Die Strafgebühr wird automatisch fällig, wenn eine Steuer nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt wird.
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