Cybertrading-Betrug Abzocke mit gefälschtem Video von Friedrich Merz

Datum:
  • Text: Renate Daum
  • Faktencheck: Betina Chill
Cybertrading-Betrug - Abzocke mit gefälschtem Video von Friedrich Merz

Bild echt, Ton gefälscht. Kriminelle ließen eine KI die Stimme von Kanzler Friedrich Merz imitieren und ersetzten eine echte Rede vom ­Davoser Welt­wirt­schafts­gipfel 2025 durch eine Werbe­botschaft. © Foto: Mockupnest, Screenshot: Stiftung Warentest (M)

Die Stiftung Warentest warnt vor einer neuen Betrugs­masche. Mit Deep-Fake-Videos von Prominenten werden Anleger auf Trading-Platt­formen gelockt. So erkennen Sie Fallen.

Friedrich Merz wirft sich im Sommer 2025 für Traderium AI ins Zeug, per Video. „Ich ermutige alle, die sich für moderne Investitions­möglich­keiten interes­sieren, sich mit dieser Platt­form auseinander­zusetzen“, sagt er. Sie könne „finanzielle Freiheit für viele Menschen greif­bar“ machen.

Das kann ja wohl nicht wahr sein! Ist es auch nicht. Denn Kriminelle haben mithilfe von künst­licher Intelligenz (KI) die Stimme von Merz nachgeahmt und ihm die Aussagen in den Mund gelegt. Die Bilder sind echt, aber im Original-Video legt Merz vor Wirt­schafts­führern seine Pläne als Kanzler dar.

Solche „Deep Fakes“ sind eine gefähr­liche neue Masche Krimineller. Mithilfe der Promi-Bilder sollen Menschen verleitet werden, Geld bei betrügerischen Internetbrokern einzuzahlen oder Gruppen auf WhatsApp oder Telegram beizutreten. Die „Investment-Tipps“, die sie dort bekommen, schaden ihnen aber nur.

Deep-Fake-Videos von Prominenten

Wir haben das gefälschte Merz-Video ein paar Leuten gezeigt und sie nach ihrem Eindruck gefragt. Eine Frau mitt­leren Alters fand die Umsetzung über­zeugend, bezweifelte aber, dass der Bundes­kanzler so etwas sagen würde. Zwei junge Erwachsene erkannten die Fälschung rasch an Fehlern bei der Lippen­synchronisation und Sprüngen in Ton und Bild – konnten sich aber vorstellen, dass der früher in der Finanz­branche tätige Spitzen­politiker Broker empfiehlt.

Fort­schritte bei der KI dürften es schon bald schwer machen, Fakes zu entlarven, vor allem wenn Videos eher nebenbei auf kleinen Handy-Bild­schirmen angesehen werden.

Unser Rat

Hinterfragen. Prominente empfehlen unbe­kannte Internetbroker? Banken werben für WhatsApp-Gruppen? Gehen Sie davon aus, dass das nicht echt ist. Welche weiteren Warnzeichen es gibt, lesen Sie unter So entlarven Sie windige Angebote.

Mitteilen. Melden Sie Betreibern sozialer Netz­werke miss­bräuchliche Beiträge, senden Sie der Finanz­aufsicht Belege zu dubiosen Angeboten (bafin.de, Such­begriff „allgemeines Kontaktformular“).

Anzeigen. Haben Sie durch Betrug Geld verloren, erstatten Sie Strafanzeige online oder bei einer Polizei­dienst­stelle – und liefern Sie Belege mit.

Ganoven nutzen soziale Medien

Auf den ersten Blick echt wirken oft auch angebliche Medienbe­richte über Fernsehsendungen, in denen Prominente „aus Versehen“ Anlage­geheim­nisse ausgeplaudert haben. Werbeanzeigen, in denen Promis ankündigen, Investmenttipps zu teilen, kommen über­zeugend daher.

Das soll Vertrauen wecken. Denn ohne das Einverständnis der Promis würden solche Aussagen ja wohl kaum auf Facebook und Instagram gezeigt, oder? Weit gefehlt. Die unfreiwil­ligen Werbeträger würden das Ganze nur zu gern unterbinden, es gelingt ihnen aber nicht immer.

Der Spiegel-Online-Kolum­nist Christian Stöcker schrieb im Juli 2025, seine Instagram-Follower und er hätten in den vergangenen Wochen „an die zehn Fake-Accounts“ zu seiner Person gemeldet. Doch die Instagram-Mutter Meta habe zum Teil nur sehr verzögert reagiert.

Auf unsere Anfrage äußerte sich Meta nicht direkt zu dem konkreten Fall, ließ aber über eine Agentur auf seinen umfang­reichen Kampf gegen Fake-Accounts hinweisen. Wer davon betroffen sei, könne dies über die App oder ein Formular im Hilfe­bereich melden.

Marietta Slomka distanzierte sich öffent­lich

Landet die Sache vor Gericht, dauert es meist, bis ein Ergebnis vorliegt. Daher hilft es, wenn sich Betroffene öffent­lich von dem vermeintlichen „Testimonial“ distanzieren. So stellte die ZDF-Moderatorin Marietta Slomka im Heute Journal vom 12. August 2025 klar, angebliche Tipps von ihr im Internet, wie man mit Kryptowährungen zum Millionär werde, seien „Fakes, die auf Betrugs­seiten locken sollen“.

Nicht immer sind bekannte Namen im Spiel. Manche Betrüger werben damit, dass sie KI für Handels­erfolge einsetzen. Tatsäch­lich nutzen viele seriöse Investmenthäuser KI. Doch die Kriminellen behaupten das nur. Sie sammeln bloß Anlegergeld ein und lassen es dann blitz­schnell verschwinden.

Tipp: Prüfen Sie, ob Sie Warnzeichen entdecken. Aktuelle Betrugs­fälle finden Sie in der Warnliste Geldanlage.

Masche: Lang­sam Vertrauen aufbauen

Die Sache ist verführerisch für Anle­gerinnen und Anleger: Geringe Mindest­summen wie 250 Euro lassen das Risiko über­schaubar wirken. Viele Interes­sierte unterschätzen aber, wie versiert die Kriminellen darin sind, Vertrauen aufzubauen und die Gier anzu­fachen. Experten sprechen von „Social Enginee­ring“.

Wie professionell die Kriminellen arbeiten, zeigen interne Unterlagen aus Call-Centern, die dem schwe­dischen Fernsehsender SVT zugespielt und zusätzlich von weiteren Medien und dem interna­tionalen Recherchen­etzwerk Organized Crime and Corruption Reporting Project (OCCRP) ausgewertet wurden.

In der Artikelreihe „Scam Empire“ schilderte das OCCRP in eng­lischer Sprache interne Vorgänge in zwei Organisationen. Eine betrieb Call-Center in Georgien mit 85 Mitarbeitern, die andere in Israel, Bulgarien, der Ukraine, Spanien und Zypern mit 480 Mitarbeitern. Allein diese Call-Center zockten den Unterlagen zufolge inner­halb von vier Jahren mehr als 32 000 Personen in verschiedenen Ländern ab und erzielten damit 275 Millionen Dollar. Der Gesamt­schaden durch alle Cybertrading­betrüger wird auf mehrere Milliarden Euro im Jahr geschätzt.

Intensiv geschult, um Opfer zu ködern

Im Hintergrund lief das so: Online-Marketing-Agenturen schalteten die Fake-Werbungen und -Artikel und bekamen Provisionen von den Call-Centern für „Leads“, also Kontakt­daten von Interes­senten, die sich registriert hatten. Ein „Lead“ für ein schwe­disches Opfer brachte zum Beispiel 1 350 Dollar. Die Call-Center waren professionell organisiert. Mitarbeiter verwendeten für die Herkunfts­länder der Opfer typische Namen als Pseudonym.

Ein umfang­reiches, mehr­tägiges Training bereitete die Mitarbeiter auf die Telefonate mit den Opfern vor. Auf sieben Seiten konnten die Mitarbeiter zum Beispiel nach­lesen, wie sie auf Einwände reagieren sollten. Sie verdienen umso mehr, je mehr sie ihren Kunden entlo­cken. Mehr als 20 000 US-Dollar im Monat bekamen Spitzenleute den Unterlagen zufolge.

Spur des Geldes der Opfer verlor sich im Ausland

„Handels­ergeb­nisse“ der Kunden ließen sich manipulieren. Das Geld wurde nie wirk­lich investiert, sondern landete über verschlungene Wege im Ausland. In einem Beispiel aus den OCCRP-Recherchen floss das Geld von Firmen in Spanien und Groß­britannien zu weiteren Firmen in Groß­britannien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Ungarn. Es wurde dann weiter über­wiesen, zum Beispiel für angebliche Beratung, nach Zypern und Nord­mazedonien, wo sich die Spur verlor.

Den Opfern werden statt der versprochenen Gewinne höchs­tens Mini­beträge ausgezahlt. Oft melden sich später weitere Firmen, hinter denen wiederum Abzo­cker stecken. Sie bieten etwa an, das verlorene Geld zurück­zuholen. Tatsäch­lich verschwindet auch der Betrag, den sie dafür verlangen.

Geld sogar nach Warnung der Polizei einge­zahlt

Einer anderen Bande gelang es in einigen Fällen sogar, ihre Opfer noch zu Geldzahlungen zu bewegen, nachdem die Polizei diese bereits gewarnt hatte.

„Vielen fällt es schwer, sich einzugestehen, dass sie auf Betrüger herein­gefallen sind“, berichtet Anwältin Tanja Nauschütz aus München, die bereits für Betrugs­opfer Schaden­ersatz erstreiten konnte.

Abzocke in WhatsApp- und Telegram-Gruppen

In den WhatsApp- und Telegram-Gruppen läuft es ähnlich, auch wenn die Masche etwas anders daher­kommt. Mitglieder erhalten vermeintlich heiße Anlagetipps, oft zu Aktien, bei denen schon geringe Orders Kurs­sprünge bewirken. Die Betrüger haben sich zuvor entsprechend einge­deckt und können mit Gewinn verkaufen – die Kunden nicht mehr.

Betrüger versprechen Exklusivität

Oft locken die Kriminellen mit einem angeblich begrenzten Zugang zu einer tollen Handels­platt­form oder App, auch test­weise. Teils bekommen die Mitglieder sogar Kapital zur Verfügung gestellt, hat die Bundes­anstalt für Finanz­dienst­leistungs­aufsicht beob­achtet, die vor etlichen solcher Angebote warnt.

Die Masche ist extrem erfolg­reich, die Schäden sind immens, selbst wenn die Werbung mal nicht perfekt ist.

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