Cybertrading-Bande vor Gericht Erlös aus sicher­gestellten Luxus-Autos soll an betrogene Anleger fließen

Cybertrading-Bande vor Gericht - Erlös aus sicher­gestellten Luxus-Autos soll an betrogene Anleger fließen

Luxus­autos. Bayerns Justiz­minister Georg Eisenreich (CSU, l.) und Staats­anwalt Nino Gold­beck präsentierten 2022 einen sicher­gestellten Lamborghini und einen Rolls-Royce der Cybertrading-Bande. Verkaufs­erlös: 1 Million Euro. © picture alliance/dpa/Stefan Puchner

25 Millionen Euro Schaden: Timor R. hat Hunderte Anleger mit Fake-Internetbrokern betrogen. Nun muss er in den Knast. Doch die Geschädigten können hoffen.

Einblick in interna­tionale „Cybertrading-Industrie“

Zwei Straf­prozesse vor dem Land­gericht Bamberg haben einen ungewöhnlich umfassenden Einblick in die Welt betrügerischer Internetbroker gewährt. Am Dienstag, 6. August, erging das Urteil im Straf­prozess gegen den 36-jährigen Timor R. Er erhielt eine Haft­strafe von vier Jahren und sechs Monaten. Die Staats­anwalt­schaft zählt ihn zu den Köpfen eines interna­tionalen Cybertrading-Netz­werks, das Anleger um Millionen betrogen hat.

Tal A., 41, bekam zwei Jahre, die zur Bewährung ausgesetzt werden. Er hat Führungs­aufgaben in einem Call­center in Sofia (Bulgarien) über­nommen, um Anleger mithilfe vorgespielter Tradinggewinne über Fake-Internetbroker zu betrügen. Parallel lief in Bamberg bis 29. Juli ein weiterer Straf­prozess gegen zwei Call­center-Mitarbeiter aus Bulgarien, die Anleger animierten, mehr Geld zu investieren.

Staats­anwalt Nino Gold­beck sprach im Prozess um den mutmaß­lichen Rädels­führer von einer interna­tionalen „Cybertrading-Industrie“. Der Prozess gilt auch deshalb als spektakulär, weil die Behörden im Zuge der Ermitt­lungen Millionen­werte sicher­gestellt haben, die Geschädigten zugute­kommen könnten, darunter zwei Luxus­autos (s. Foto oben).

Handels­ergeb­nisse manipuliert

Zwischen 2018 und 2020 betrieb die interna­tionale Gruppe in Bulgarien, Serbien und der Ukraine die vermeintlichen Trading­platt­formen Trade Capital, Fibonetix, Nobel Trade, Forbs­lab und Huludox, die angeblich in Genf, Luxemburg oder Leicester saßen. Eine ukrai­nische Firma von R. kümmerte sich darum, die Internet­seiten über­zeugend für Interes­senten aussehen zu lassen.

Tatsäch­lich investiert wurden die Einzahlungen der Kunden aber nicht. Mit der Software, die die Platt­formen nutzten, war es möglich, die Handels­ergeb­nisse zu manipulieren, also den Kunden Trades mit Gewinn oder Verlust vorzuspielen. Über Firmen­konten, oft bei der Postbank, wurde das Geld der Anleger verschoben. Zurück erhielten diese höchs­tens kleine Beträge, die dazu dienen sollten, ihr Vertrauen zu gewinnen.

Millionenschaden ange­richtet

Welt­weit betrug der durch das Netz­werk ange­richtete Schaden laut Staats­anwalt­schaft knapp 25 Millionen Euro. Die Ermittler haben allein knapp 10 Millionen Euro bei 399 deutsch­sprachigen Geschädigten fest­gestellt. Nach Angaben der Rechts­anwältin Tanja Nauschütz von der Münchner Kanzlei plan C, die mehrere Geschädigte vertritt, verlor ein einzelner ihrer Mandanten 493 000 Euro.

Abzo­cker nutzen die Masche nach wie vor und richten damit immense Schäden an. „Allein in Deutsch­land sind in den vergangenen Jahren zigtausende Anleger betroffen“, sagte Staats­anwalt Gold­beck. In diesem Fall haben einige Geschädigte immerhin einen Teil ihres Schadens zurück­erhalten. Andere haben noch Chancen, Geld wieder­zubekommen.

Prominente für irreführende Werbung miss­braucht

Geschädigte schilderten in beiden Straf­prozessen, wie sie angelockt wurden: durch gefälschte Artikel oder Anzeigen mit Prominenten auf Yahoo oder Facebook. Einer gab an, dass die Fernsehmoderatoren Thomas Gott­schalk und Günther Jauch angeblich für die Internetbroker warben. Ein anderer entdeckte die Schauspielerin Yvonne Catter­feld als Werbe­botschafterin auf Facebook. Auch von der Fernsehsendung „Höhle der Löwen“ war die Rede. Über die alle­samt gefälschten Berichte stieß auch der Anleger mit dem größten Einzel­schaden auf die Masche.

Ich sah Werbung, dass Thomas Gott­schalk bei Fibonetix investiert. Ich dachte, dann kann ich da auch investieren.

Geschädigter der Trading­platt­form Fibonetix vor Gericht

Geschädigter: Berater waren „sehr gute Verkäufer“

Zu Beginn mussten die Anle­gerinnen und Anleger meist nur 250 Euro einzahlen. „Ich dachte, das kann man schon mal riskieren“, berichtete eine Geschädigte. In den virtuellen Depots wurden rasch hohe Gewinne ange­zeigt. Die Software konnte von der Bande so einge­stellt werden, dass sie Gewinne oder Verluste vorgaukelte und sich dabei an realen Markt­daten orientierte.

Speziell geschulte Call­center-Mitarbeiter animierten dazu, mehr zu investieren, etwa weil erst ab 10 000 Euro Investments in Bitcoin möglich seien. Kein Wunder: Sie profitierten persönlich davon, denn zu ihrem Fest­gehalt von zum Beispiel 1 200 Euro hatten sie die Aussicht auf 3 bis 7 Prozent Provision auf die einge­zahlten Kundengelder.

„Das war schon toll, noch ein Tausender und noch ein Tausender mehr“, berichtete ein Anleger, aus dessen einge­zahlten 10 250 Euro angeblich um die 100 000 Euro geworden waren: „Die Berater waren sehr zuvor­kommend, einschmeichelnd, sehr gute Verkäufer.“

Einer von ihnen sagte vor Gericht, als ehemaliger Zirkus­akrobat habe er selbst gar keine Finanzkennt­nisse oder jemals investiert. Manchmal gewährte die Platt­form Kunden einen „Bonus“ von 500 Euro oder 1 000 Euro. Einige erhielten zudem eine schriftliche „Absicherungs­garantie“ für ihr Geld, die sich als wert­los erwies.

Das war perfekt inszeniert und alles nach­voll­zieh­bar. Ich habe als Test einmal selbst auf der Platt­form getradet, und auch das habe ich sofort gesehen. Der Berater hat gesagt: Ich habe die Nacht für dich durch­gearbeitet. Gibst du mir mehr Geld, dann kann ich dich reich machen.

Geschädigter von Fibonetix vor Gericht

Einige Opfer glaubten der Polizei erst nicht

Als Vertrauens­beweis bekamen manche Kunden kleine Beträge ausgezahlt, nie aber die vermeintlich gewonnene Summe. Blieben sie hartnä­ckig mit ihren Auszahlungs­wünschen, sollten sie dafür angeblich Steuern oder Gebühren zahlen. Ein Geschädigter ging darauf ein, kam aber trotzdem nicht an sein Geld.

In anderen Fällen vernichteten vorgetäuschte Verlust­geschäfte das virtuelle Guthaben. Angeblich habe der Lehr­ling ohne Wissen des Beraters getradet, wurde einem Geschädigten mitgeteilt. Manchmal waren Berater oder die Platt­form plötzlich gar nicht mehr erreich­bar.

Als die Polizei die Geschädigten darüber informierte, dass sie Opfer eines Betrugs geworden waren, konnten es viele nur schwer glauben. Einer zahlte selbst danach noch weiter ein.

Man denkt ja immer, man würde selbst nie übers Ohr gehauen. Aber, zack, hat es mich erwischt.

Geschädigter von Fibonetix vor Gericht

Chance auf Schadens­ersatz

Manche Geschädigte traf der Verlust empfindlich, finanziell und psychisch. „Das war schon bitter. Wir hatten auch eine unheimliche Wut“, sagte ein Zeuge vor Gericht. Eine Frau verlor ihre Alters­vorsorge.

Geschädigte haben aber die Chance, zumindest einen Teil ihres Schadens ersetzt zu bekommen. Denn die Behörden haben Luxus­autos und andere Vermögens­werte gesichert.

Laut Urteil werden bei Timor R., Tal A. und mehreren Unternehmen gut 3,6 Millionen Euro einge­zogen. Wird das Urteil rechts­kräftig, können die 399 in der Anklage erfassten Geschädigten ihre Ansprüche anmelden und einen Anteil des Geldes erhalten.

Call­center-Mitarbeiter machte Schaden wieder gut

Bei einigen Geschädigten ist schon ein Teil des Schadens wieder­gutgemacht worden. Einer der angeklagten Call­center-Mitarbeiter hat vor dem Prozess alle von ihm geschädigten Kunden ange­schrieben und etwa zwei Drittel von deren Schaden beglichen. Das war mehr, als er selbst in Form seines Gehalts und der Provision aus den Taten erhalten hatte. Er nahm sogar einen Kredit dafür auf.

„Das ist außer­ordentlich, was hier geleistet wurde“, sagte die Staats­anwältin in ihrem Plädoyer. Das Gericht berück­sichtigte den Täter-Opfer-Ausgleich auch bei der Strafe: Es verurteilte ihn wegen banden- und gewerbs­mäßigen Betrugs mit gut 186 000 Euro Schaden zu einer Haft­strafe von einem Jahr und neun Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wird. Der andere muss für zwei Jahre und neun Monate ins Gefäng­nis. Er hatte 218 000 Euro Schaden ange­richtet.

Masche ist nach wie vor aktuell

Rechts­anwältin Nauschütz sagt: „Die Scham unter Geschädigten ist oft groß. Der Fall zeigt aber, dass es möglich ist, Geld zurück­zuholen.“ Sie rät, in solchen Fällen zumindest Straf­anzeige zu stellen.

Die fünf Fake-Broker sind nicht mehr aktiv, dafür aber etliche andere, die nach der gleichen Methode vorgehen. Die Stiftung Warentest warnt immer wieder vor neuen Angeboten. Die Betreiber wechseln Namen und Internet-Domain mitt­lerweile häufig nach kurzer Zeit.

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