Fragen zu Bisphenol A BPA wird verboten – das sind die Gründe

Fragen zu Bisphenol A - BPA wird verboten – das sind die Gründe

Verdeckelt. Konserven­dosen können mit Bisphenol-A-haltigen Lacken beschichtet sein – ein Risiko für die Gesundheit. © Stocksy / Thomas Hawk

Die EU-Kommis­sion verbietet Bisphenol A. Ab Mitte 2026 sind damit hergestellte Lebens­mittel­packungen mit wenigen Ausnahmen untersagt. Das soll Gesund­heits­risiken mindern.

Wo Bisphenol A vorkommt

Was ist Bisphenol A?

Bisphenol A (BPA) ist eine Industrie­chemikalie. Mit ihrer Hilfe werden der harte und trans­parente Kunststoff Poly­carbonat sowie Epoxid-Kunst­harze hergestellt. Im Laufe der Jahre sind zunehmend gesundheitliche Risiken durch BPA bekannt geworden, etwa schädliche Wirkungen auf die Fort­pflan­zung (siehe Frage „Welche Gesund­heits­risiken können von Bisphenol A ausgehen?“).

In welchen Produkten ist es enthalten?

Bisphenol A findet sich in vielen Alltags­gegen­ständen mit Poly­carbonat – zum Beispiel in Smartphones, CDs und DVDs, Aufbewahrungs­boxen für Lebens­mittel, Trink­flaschen oder Geschirr. Zudem kommt die Substanz in Produkten mit Epoxidharzen vor. Die Harze werden auch für Klebstoffe, Verbund­kunst­stoffe, Lacke oder Innen­beschichtungen von Getränke- und Konserven­dosen verwendet.

Tipp: Unser Test BPA in Konserven zeigt, dass viele Lebens­mittel in Dosen Bisphenol A enthalten. 51 von 58 Produkten waren belastet.

Worüber nehmen Verbrauche­rinnen und Verbraucher viel Bisphenol A auf?

Die Haupt­aufnahme­quelle für Bisphenol ist die Ernährung. Nach Daten der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit aus dem Jahr 2015 tragen über­wiegend Lebens­mittel zur BPA-Aufnahme bei, die in mit Epoxidharz beschichteten Dosen verpackt sind.

Grund: Bisphenol A kommt als Rest von Ausgangs­verbindungen aus dem Herstellungs­prozess in Epoxidharzen vor. Sie können verwendet werden, um Lebens­mittel- und Getränkedosen von innen oder außen zu beschichten. So soll verhindert werden, dass das Blech rostet und sich Metalle lösen, die dann die Lebens­mittel beein­trächtigen könnten. Daneben gibt es viele andere Quellen für Bisphenol A, darunter Fleisch­erzeug­nisse, warmes Leitungs­wasser aus mit Epoxidharz sanierten Leitungen, Bastelharze oder einfach Staub. Auch in Unterwäsche und Büchern für Kleinkinder wurden schon hohe Bisphenol-Gehalte nachgewiesen.

Wo Bisphenol A verboten ist

Wofür genau hat die EU-Kommis­sion BPA verboten?

Die EU-Kommission hat im Dezember 2024 ein Verbot von Bisphenol A in Lebens­mittel­kontaktmaterialien beschlossen. Die EU-Mitglieds­staaten hatten den entsprechenden Vorschlag der EU-Kommis­sion zuvor unterstützt. Demnach darf die Chemikalie nach Ablauf einer Über­gangs­frist nicht mehr in Verpackungen und Konsumgütern verwendet werden, die mit Lebens­mitteln in Berührung kommen. Der Über­gang in Lebens­mittel darf dann auch nicht mehr nach­weisbar sein: Der bisherige Grenz­wert, wie viel BPA maximal in Lebens­mittel übergehen darf, wurde aufgehoben.

BPA darf zum Beispiel nicht mehr in der Beschichtung von Konserven­dosen, Druck­farben oder Klebstoffen für Lebens­mittel­verpackungen einge­setzt werden, aber auch nicht in wieder­verwend­baren Getränkeflaschen aus Kunststoff oder anderen Küchen­artikeln. Neben BPA sind zudem andere Bisphenole in Lebens­mittel­kontaktmaterialien verboten, die die Fort­pflan­zung schädigen oder das Hormon­system beein­trächtigen können.

Ab wann darf kein BPA mehr verwendet werden?

Die EU-Verordnung tritt am 20. Januar 2025 in Kraft. Im Allgemeinen gilt dann eine Über­gangs­frist von 18 Monaten. Das heißt, bis 20. Juli 2026 dürfen Lebens­mittel­verpackungen verkauft werden, die mit BPA hergestellt wurden. Danach ist es erlaubt, sie noch 12 Monate lang mit Kokosmilch, Suppen und Co zu befüllen. In den Handel dürfen die verpackten Lebens­mittel, bis die Bestände aufgebraucht sind – unter anderem um Lebensmittelverschwendung zu vermeiden.

Für einzelne Verwendungs­bereiche, für die es noch keine geeigneten BPA-Alternativen gibt, gelten längere Über­gangs­fristen, etwa für Beschichtungen von Konserven­dosen für besonders säurehaltige Lebens­mittel, die eine höhere Beständig­keit aufweisen müssen: Leere Dosen für Obst, Gemüse und Fisch dürfen daher noch bis 20. Januar 2028 in Verkehr gebracht werden. Die längeren Über­gangs­fristen sollen Unternehmern ermöglichen, BPA-Alternativen zu finden, die sicher und in großem Maßstab tech­nisch mach­bar sind.

Gibt es Ausnahmen beim BPA-Verbot?

Ja, laut EU-Kommis­sion greifen sehr begrenzte Ausnahmen, „sofern keine Risiken für Verbrauche­rinnen und Verbraucher bestehen und es keine anderen sicheren Alternativen gibt“. Die EU-Verordnung nennt etwa Membranen aus BPA-haltigen Kunst­stoff­harzen, die Krank­heits­erreger und Schad­stoffe aus Lebens­mitteln filtern.

Ein weiteres Beispiel sind BPA-haltige Lacke und Beschichtungen auf Epoxidbasis, die für große Tanks und Behälter etwa zur Lagerung und zum Trans­port von Lebens­mitteln verwendet werden. Hier sei der zeit­nahe Ersatz problematisch, „weil er wahr­scheinlich dazu führen würde, dass solche großen fest installierten Tanks und Behälter ausgebaut und entsorgt werden und dadurch unver­hält­nismäßig hohe Kosten entstehen“. Wichtig: Solche Ausnahmen sind nur mit der Einschränkung zuzu­lassen, dass BPA nicht in die Lebens­mittel übergehen darf.

In welchen Produkten ist Bisphenol A bereits seit Längerem verboten?

Bereits seit 2011 ist es EU-weit untersagt, Babyfläsch­chen aus Poly­carbonat mit Bisphenol A herzu­stellen. Das Verbot wurde 2018 auf Poly­carbonat-Trinkgefäße und -Flaschen für Säuglinge und Klein­kinder erweitert. Für alle anderen Lebens­mittel­kontaktmaterialien aus Kunststoff ist ein Grenz­wert für den Über­gang von Bisphenol A ins Lebens­mittel fest­gelegt. Bisphenol A wurde auch für Thermo­papiere wie Kassenbons einge­setzt, ist seit 2020 aber auch in diesen verboten.

Welche Gesund­heits­risiken bekannt sind

Welche Gesund­heits­risiken können von Bisphenol A ausgehen?

Laut Bundes­institut für Risiko­bewertung (BfR) hat die Substanz eine geringe akute Giftig­keit, werde bei lang­fristiger Aufnahme im Tier­versuch allerdings mit etlichen Effekten in Zusammen­hang gesehen.

  • Fort­pflan­zungs­schädigende und hormon­ähnliche Wirkung. Die Europäische Chemikalienagentur hat Bisphenol 2017 wegen seiner fort­pflan­zungs­schädigenden und hormon­ähnlichen Wirkungs­weise als besonders besorgnis­erregende Substanz identifiziert. In Tier­studien mit jungen Nagetieren hatte die Substanz unter anderem dazu geführt, dass die Pubertät verfrüht einge­treten war und sich Brust­drüsengewebe veränderte. Laut Bundes­institut für Risiko­bewertung sind allerdings bisher keine gesund­heits­schädlichen Wirkungen von Bisphenol A für Menschen nachgewiesen. Der menschliche Körper wandle die Substanz schnell in ein Stoff­wechsel­produkt um, das selbst keine hormonelle Wirkung mehr habe und über die Nieren ausgeschieden werde. Im Januar 2018 wurde Bisphenol A wegen seines Einflusses auf Hormon­systeme zusätzlich noch als schädlich für die Umwelt identifiziert.
  • Leber- und nierenschädigend. 2015 identifizierte die Europäischen Behörde für Lebens­mittel­sicherheit (Efsa) in Tier­versuchen nieren- und leberschädigende Wirkungen.
  • Wirkungen auf das Immun­system. Nachdem in einer Studie an Mäusen trächtigen und säugenden Muttertieren BPA verabreicht wurde, erhöhte sich beim Nach­wuchs die Konzentration sogenannter T-Helfer­zellen in der Milz. Diese spielen laut der Efsa eine Schlüssel­rolle für zelluläre Immun­mecha­nismen. Ihr Anstieg könne beim Menschen zur Entwick­lung allergischer Lungen­entzündungen und Auto­imm­unerkrankungen führen. Das BfR kritisiert aber metho­dische Mängel in der Studie. So sei etwa unklar, wie viel BPA den Mäusen verabreicht wurde und ob eine erhöhte Zahl an T-Helfer­zellen die genannten Erkrankungen tatsäch­lich verursacht. Zudem sei die Über­trag­barkeit der Ergeb­nisse auf den Menschen fraglich.

Warum hat die Europäische Behörde für Lebens­mittel­sicherheit BPA neu bewertet?

Seit 2013 sind zahlreiche neue Studien erschienen, die laut Europäischer Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) Anlass für eine neue, deutlich strengere Bewertung waren. Die Behörde wertete mehr als 800 dieser Studien aus und veröffent­lichte im April 2023 eine Neubewertung von Bisphenol A. Darin kam sie zu dem Schluss, dass „die ernährungs­bedingte Exposition gegen­über Bisphenol A ein Gesund­heits­risiko für Verbraucher in allen Alters­gruppen darstellt“.

Vor allem Hinweise aus Studien mit Mäusen hätten den Ausschlag gegeben: Sie wiesen darauf hin, dass eine Aufnahme von Bisphenol A die Anzahl spezieller T-Zellen im Immun­system junger Mäuse ändern könne. Diese Zellen spielten eine Schlüssel­rolle bei den zellulären Immun­mecha­nismen des Menschen. Aus einer erhöhten Konzentration könnten allergische Lungen­entzündungen und Auto­imm­unerkrankungen folgen.

Was ist der aktuell geltende Richt­wert für Bisphenol A in der EU?

Nach dem 2023 veröffent­lichten Richt­wert der Efsa soll die tolerier­bare tägliche Aufnahme­menge (Tolerable Daily Intake, TDI) an Bisphenol A bei 0,2 Nanogramm pro Kilogramm Körpergewicht und Tag liegen. Der Wert ist 20 000-fach nied­riger als der bisherige aus dem Jahr 2015. Der lag bei 4 Mikrogramm pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag.

Der TDI-Wert gibt die Menge eines Stoffes an, die täglich über die gesamte Lebens­zeit ohne erkenn­bares Gesund­heits­risiko aufgenommen werden kann. Nach Einschät­zung des Bundes­instituts für Risiko­bewertung (BfR) dürfte die Bisphenol-Aufnahme bei Menschen aller Alters­gruppen den neuen Wert deutlich über­schreiten – auch wenn die Gesamt­aufnahme in der Bevölkerung seit Jahren als rück­läufig gilt. Aktuelle Daten zur Aufnahme liegen nicht vor.

In Deutsch­land gibt es Kritik am Efsa-Richt­wert. Warum?

Das Bundes­institut für Risiko­bewertung (BfR) hält das Ergebnis der Efsa für nicht angemessen und begründet dies in einer Stellungnahme. Die Behörde hat als Gegen­vorschlag einen eigenen, weniger strengen TDI berechnet: 200 Nanogramm pro Kilogramm Körpergewicht. Dieser Wert liegt 20-fach unter dem früheren. Das BfR stützt sich eigenen Angaben zufolge bei seiner Berechnung auf mehr als 600 Studien aus den vergangenen rund 20 Jahren. Dieser moderate TDI wahre genug Sicherheit gegen­über weiteren Risiken wie allgemeiner Toxizität, Krebs­erzeugung, Auswirkungen auf Gehirn und Verhalten, betont die Behörde.

Was bedeutet es, wenn Behörden unterschiedlicher Meinung sind?

Die Differenzen von BfR und Efsa werden in einem gemeinsamen Dokument von beiden Parteien erläutert, das öffent­lich zugäng­lich ist. Außer dem BfR legte noch die Europäische Arznei­mittel-Agentur (EMA) Bedenken zur Methodik der Efsa-Neube­wertung vor. Sowohl die Neube­wertung als auch die Einwände stellen nun eine Informations­grund­lage dar, nach der die Europäische Kommis­sion und Vertreter der Mitglied­staaten einen neuen Grenz­wert für Bisphenol A erlassen könnten.

Wie sich im Alltag weniger Bisphenol A aufnehmen lässt

Gibt es schon Konserven­dosen ohne Bisphenol A?

In unserem Test von Lebens­mittel­konserven auf Bisphenol A gaben die meisten Anbieter uns gegen­über an, Dosen und Deckel mit BPA-freiem Innenlack oder „BPA-NI-Dosen“ zu verwenden. NI steht für „non intent“, das heißt BPA wird im Innenlack nicht absicht­lich einge­setzt. Dennoch war lediglich in 7 der 58 getesteten Konserven-Lebens­mittel kein BPA nach­weisbar. Welche das waren und wie BPA in die Dosen gelangen kann, lesen Sie in unserem Test BPA in Konserven.

Lässt sich erkennen, ob die Beschichtung einer Konserven­dose Bisphenol A enthält?

Nein. Anbieter müssen Dosen, die mit Epoxidharzen beschichtet sind, nicht kenn­zeichnen.

Wie lässt sich die Aufnahme von Bisphenol A generell verringern?

Wer möglichst wenig Bisphenol A aufnehmen möchte, sollte Lebens­mittel am besten frisch verzehren und Glas- sowie Karton­verpackungen bevor­zugen. Wer zuhause Trinkwasserleitungen hat, die mit Epoxidharz saniert wurden, sollte daraus kein Warm­wasser trinken.

Verbrauche­rinnen und Verbraucher können beim Kauf von Kunst­stoff­dosen, -flaschen und -geschirr auf den Hinweis „Bisphenol-frei“ achten. Bei dieser Kenn­zeichnung sind laut BfR keine Bisphenole erlaubt. Auf die Angabe „BPA-frei“ sollten Verbrauche­rinnen und Verbraucher hingegen nicht zu viel geben. Es könnten andere, zum Teil weniger gut untersuchte Bisphenole wie Bisphenol F enthalten sein.

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Kommentarliste

Nutzer­kommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.

  • Profilbild Stiftung_Warentest am 06.05.2024 um 11:42 Uhr
    Kein Fehler

    @agatestfan: Das ist kein Fehler. Wir bewerten nicht den reinen BPA-Gehalt, sondern die Belastung, die von einer bestimmten Verzehrsmenge für eine Person mit 60 Kilogramm Körpergewicht ausgeht. Da von Suppen und Eintöpfen in der Regel größere Portionen verzehrt werden, sind wir bei ihnen von einer Verzehrsmenge von 400 Gramm ausgegangen. Bei Thunfisch haben wir dagegen bei der Bewertung eine Verzehrsmenge von 200 Gramm zugrunde gelegt.

  • agatestfan am 05.05.2024 um 15:15 Uhr
    Fehler in der Tabelle?

    Eine Verständnisfrage: Wieso werden bei Ökoland: Möhren-Ingwer Creme­suppe Bio die 7,6 µg/kg mit "Deutlich belastet" (BfR) bewertet, während bei Saupiquet: Thun­fisch Naturale ohne Öl die 8,8 µg/kg mit "Gering belastet" bewertet werden? Liegt hier ein Fehler vor - oder wie sind die Werte einzuordnen? Danke!

  • Profilbild Stiftung_Warentest am 25.04.2024 um 10:58 Uhr
    andere Verpackungsformen

    Wir haben keine Lebensmittel in Gläsern und Verbundkartons auf BPA untersucht. Aber laut Bundesinstitut für Risikobewertung droht aus Glas und Verbundkartons kein Übergang von Bisphenol A ins Lebensmittel. Auch Tiefkühlprodukte können eine Alternative zu Dosenprodukten sein. Weitere Tipps, wie Sie die BPA-Belastung verringern können, stehen in unserem Test BPA in Konserven: https://www.test.de/BPA-in-Konserven-Die-Dose-hat-ein-Problem-6110181-6110188/

  • hg.wells am 25.04.2024 um 08:13 Uhr
    Andere Verpackungsformen?

    Was ist mit Gläsern (Deckel) und Tetra-Packs?

  • PseudoAnonymerNutzer am 16.04.2024 um 19:08 Uhr
    Polycarbonat Risiko?

    Das BPA, das in Polycarbonat, z.B. bei Fitness-Tracker, Hamdyhüllen, usw. drin ist, muss sich ja auch erst herauslösen. Gibt es Untersuchungen dazu, ob das der Fall ist bzw. wie relevant diese Mengen im Vergleich zum neuen Wert sind? Eine zweite Frage ist, wie die Hautpenetration sich verhält. Gehen z.B. in 24 Stunden Hautkontakt 10% des angelegten Bisphenols A über?