
Namen missbraucht. Finanzminister Lars Klingbeil und Bundeskanzler Friedrich Merz, hier bei einer Kabinettssitzung. Beide sollen sich angeblich positiv zur Handelsplattform Veratixo360 geäußert haben. Das stimmt nicht. © picture alliance / dpa / Soeren Stache
Die Handelsplattform Veratixo360 wirbt mit erfundenen Aussagen von Bundeskanzler Friedrich Merz und Finanzminister Lars Klingbeil. Es gibt zahlreiche Warnzeichen bei ihr.
Der Bericht klingt sensationell: Über eine „Studio-Eskalation bei Maischberger“ soll Tagesschau.de angeblich am 2. September 2025 berichtet haben. In der „Eilmeldung“ heißt es, in der Sendung „gestern Abend“ habe Bundeskanzler Friedrich Merz die Handelsplattform Veratixo360 live vorgeführt und innerhalb von fünf Minuten Gewinne erzielt. Veratixo360 nutze KI-Algorithmen, die automatisch mit Aktien und digitalen Assets handeln, mit einer Mindesteinzahlung von 250 Euro. In dem Bericht hieß es, eine Registrierung sei nur bis zum 3. September möglich, dann vorübergehend nicht mehr.
Alles gelogen – aber nicht nur dort.
Veratixo360 bildet eine Art Bundesadler ab
Wer die genannte Internetseite besucht, stößt auf einen Anbieter, der eine Art Bundesadler als Logo nutzt und dick aufträgt: „Die deutsche Regierung verkündet mit Stolz den Start von Veratixo360 – einem offiziellen Projekt Deutschlands, das entwickelt wurde, um finanzielle Möglichkeiten neu zu definieren und das Land in eine Zukunft digitaler Innovationen zu führen“. Unter einem Foto von Finanzminister Lars Klingbeil prangt ein (gefälschtes) Zitat: „Dank sicherer Blockchain-Technologie und einer innovativen Struktur eröffnet Veratixo360 den Weg zum Aufbau persönlichen Vermögens und zur Stärkung der deutschen Wirtschaft.“ Wer investiere, werde „Teil einer Bewegung, die Wohlstand für alle Deutschen schafft“ und schließe sich einer Gemeinschaft von Menschen an, „die an einem besseren Morgen bauen.“
Tipp: Wie Sie unseriöse Zinsportale und andere Anlageangebote erkennen, erfahren Sie unter Haken bei Zinsangeboten.
Angeblich unterstützt von der Regierung
Pathetisch lesen sich auch gezeigte „Reviews“ von Kunden, etwa: „Mit der Unterstützung des Bundeskanzlers vermittelt diese Initiative ein Gefühl der Sicherheit und gibt Hoffnung auf eine erfolgreiche Zukunft Deutschlands.“ Ein anderer bemerkt: „Die Unterstützung durch die Regierung gibt mir Vertrauen in eine Investition“.
Mit einem Schieberegler lassen sich Beträge von 100 Euro bis 100 000 Euro einstellen, um „Ihr finanzielles Potenzial“ zu entdecken: Schon bei 100 Euro ergeben sich 130 Euro als „Ihr wöchentliches Einkommen“. Sicher soll das Investment laut Webseite auch noch sein: „Ihre Gelder sind durch unseren KI-basierten Handelsalgorithmus bestens geschützt.“
Bericht über Bundeskanzler ist gefälscht
Das stimmt allerdings nicht. Der Bericht ist gefälscht. Tagesschau.de hat keine solche „Eilmeldung“ veröffentlicht. Am Vorabend des 2. September 2025 wurde auch keine Ausgabe der Sendung „Maischberger“ ausgestrahlt. Die ARD-Webseite Daserste.de verzeichnet für „Maischberger“ von Mitte Juli bis Mitte September eine Pause. Auch der Zeitdruck für eine kurzfristige Registrierung bestand nicht. Ein Zugang war auch am 4. September noch möglich.
Kein Impressum und keine Erlaubnis
Auch bei der Internetseite der angeblichen Handelsplattform leuchten Warnzeichen auf: Es gibt kein Impressum. Es wird damit nicht klar, welches Unternehmen hinter dem Angebot steckt. In der Unternehmensdatenbank der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht ist Veratixo360 nicht vertreten, hat also keine Erlaubnis, Finanzdienstleistungen zu erbringen. Und der Bundeskanzler, der Bundesfinanzminister oder jemand anders in der Regierung unterstützen das Projekt ebenfalls nicht. Veratixo360 war für eine Anfrage nicht zu erreichen. Wir setzen Veratixo360 auf unsere Warnliste Geldanlage.
Veratixo warnt selbst vor Fälschungen
Kurios: In dem gefälschten Tagesschau.de-Bericht wird gewarnt: „Veratixo360.net ist die einzige offizielle Webseite der Plattform. Seien Sie vorsichtig und nutzen Sie keine fremden oder gefälschten Seiten!“ Beim zweiten Teil kann sich die Stiftung Warentest inhaltlich anschließen. Aber: Auf jeden Fall gehört auch Veratixo360.net zu den Seiten, von denen sich Anlegerinnen und Anleger fernhalten sollten.
Tatsächlich gibt es mehrere Internetseiten von „Handelsplattformen“, die Veratixo in der Adresse tragen. In einer anderen Version des Tageschau-Berichts wird die Handelsplattform nur Veratixo genannt, mit der Domain Veratixo.net. Sie kommt ohne vermeintlichen Bundesadler und angebliche Unterstützung der Regierung daher und soll auch „die einzige offizielle Webseite“ der Plattform sein. Sie führt selbst noch weitere Internetadressen auf: Jeweils veratixo mit den Endungen .com, .de, .net, .org und .top, sowie die veratixo-pro.org, veratixo-invest.org, veratixo-official.org, veratixo-neo.org, veratixo-pro.com, veratixo-go.com, veratixo-online.com, veratixo-app.com.
Veratixo nennt eine Adresse Thurn-und-Taxis-Platz 6 in Frankfurt. Unter der gleichen Adresse und mit ähnlichem Design war im August 2025 die unseriöse Handelsplattform Alpexrich aufgetreten, die auf der Warnliste Geldanlage steht. Veratixo reagierte nicht auf eine Anfrage und kommt ebenfalls auf die Warnliste.
Hinweis zur Warnliste Geldanlage der Stiftung Warentest
Die Warnliste Geldanlage listet alle Unternehmen, Geldanlageangebote und Dienstleistungen der vergangenen zwei Jahre auf, die die Stiftung Warentest negativ bewertet hat. Sie lässt sich kostenlos im Format PDF herunterladen. Sie umfasst mehrere Seiten und wird in der Regel einmal im Monat aktualisiert. Wenn zwei Jahre vergangen sind, werden Einträge gelöscht, wenn in der Zwischenzeit nicht erneut negativ berichtet wurde. Einträge, die älter als zwei Jahre sind und ohne Folgeberichterstattung blieben, sind ab dann nicht mehr auf der aktuellen Warnliste zu finden.
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