Mittel­stands­anleihen Erster Straf­prozess im Fall Sympatex läuft

Datum:
  • Text: Renate Daum
  • Leitung Faktencheck: Dr. Claudia Behrens
Mittel­stands­anleihen - Erster Straf­prozess im Fall Sympatex läuft

Wasser­abweisendes Gewebe. Stoff dieser Art bot Sympatex Technologies an. Die Anleihe ihrer Muttergesell­schaft bescherte Anlegern Verluste. © Getty Images / ronstik

Vor dem Land­gericht München I geht es im Fall Sympatex um den Vorwurf, Anleger betrogen oder es versucht zu haben. Zudem sollen Angeklagte falsch ausgesagt haben.

Update [19.09.25]: Eine Einstellung gegen Geld­auflage

Das Gericht hat das Verfahren gegen einen der Angeklagten, einen ehemaligen Geschäfts­führer, gegen Geld­auflage in nied­riger sechs­stel­liger Höhe vorläufig einge­stellt. Bei zwei weiteren Angeklagten kam es zu einer Verständigung über ein mögliches Strafmaß. Der SSH-Gesell­schafter Stefan Sankt­johanser hätte demnach Geld­strafen sowie eine Frei­heits­strafe zu erwarten, die zur Bewährung ausgesetzt werden könnte. Ein Manager müsste mit einer Geld­strafe rechnen. Der Prozess könnte daher auch für sie früher enden als ursprüng­lich geplant. Eine Entscheidung des Gerichts darüber steht aber noch aus.

Vier Männer, die mit der Mittel­stands­anleihe Sympatex zu tun hatten, müssen sich seit 1. Juli in einem Straf­prozess verantworten. Vor der 5. Strafkammer des Land­gerichts München I läuft seitdem der erste Straf­prozess in dem viel beachteten Fall. Die Vorwürfe: Anleger sollen laut Staats­anwalt­schaft unzu­treffend informiert worden sein, als sie am 1. Dezember 2017 einem Schulden­schnitt um 90 Prozent zustimmten. Dadurch hätten sie viel Geld verloren. Angeklagte sollen auch falsche Angaben in Schaden­ersatz­prozessen von Anlegern gemacht oder andere zu falschen Angaben angestiftet haben.

Anleger verzichteten auf viel Geld

Die Smart Solutions Holding GmbH (SSH) aus Unterföhring hatte 2013 eine Anleihe mit 8 Prozent Zins pro Jahr bis 2018 ausgegeben. Ihre Tochter Sympatex Technologies GmbH (STX) hatte sich unter anderem auf Membrane für wasser­dichte und wasser­dampf­durch­lässige Stoffe spezialisiert und war für ihre Marke Sympatex bekannt. Anle­gerinnen und Anleger investierten 13 Millionen Euro. Sie erfuhren jedoch 2017, dass eine Restrukturierung nötig sei. Sie müssten auf 90 Prozent ihres Einsatzes verzichten, dann sei ein Investor, ein „weißer Ritter“, bereit einzusteigen. Im Falle einer Insolvenz sei noch weniger für sie zu erwarten, hieß es.

Mindestens 1 Million Euro Schaden

Die Staats­anwalt­schaft München I kam in zwei Ankla­geschriften zu dem Schluss, die Restrukturierung sei so geplant gewesen, dass Anleger dabei schlecht wegge­kommen seien. Die Restrukturierung habe den Altgesell­schaftern eine Rück­beteiligung ermöglicht, die von außen nicht erkenn­bar gewesen sei. Auf gut 1 Million Euro bezifferte der Staats­anwalt den Schaden allein für diejenigen Anleger, die befragt werden konnten. Ein Sach­verständigen­gut­achten habe ergeben, dass die Forderungen der Anleger zu der Zeit, als die Taten begangen worden sein sollen, fast zur Hälfte wert­haltig gewesen seien.

Family Office der Otto-Familie einge­schaltet

Der Staats­anwalt führt in den Ankla­geschriften unter anderem die beiden bekannten Wirt­schafts­berater Stefan Sankt­johanser und Stephan Goetz auf, denen die SSH mittel­bar oder unmittel­bar gehörte. Sie sollen über Strohleute Anleihen vor der Abstimmung über den Schulden­schnitt aufkaufen haben lassen. Der mit der Hamburger Unternehmerfamilie Otto verschwägerte Goetz und Sankt­johanser über­gaben die Holding an eine Treu­hand­gesell­schaft. Einen „weißen Ritter“ habe es anfangs gar nicht gegeben, so die Münchner Ermittler. Dann habe eine Strohfirma der KG Cura Vermögens­verwaltung – das Family Office der Otto-Familie – eines unterbreitet. Für die Vermögens­verwaltung der Otto-Familie hatte eine Rechts­anwältin gegen­über der Stiftung Warentest betont, ihre Mandantinnen seien in dem ganzen Verfahren sogenannte Dritte, also praktisch Zeugen, und könnten deshalb keine weiteren State­ments abgeben. Die Otto Group habe mit dem gesamten Komplex nichts zu tun. Später über­nahmen Goetz und Sankt­johanser die Holding wieder mittel­bar. Beide äußerten sich gegen­über Stiftung Warentest nicht inhalt­lich zu den Vorwürfen.

Staats­anwalt erhebt harte Vorwürfe

Sankt­johanser steht wegen der Vorgänge seit 1. Juli vor Gericht, gemein­sam mit einem ehemaligen SSH-Geschäfts­führer, einem Investmentmanager und Frank Günther, dem Geschäfts­führer der gemein­samen Vertreterin der Anleihegläubiger. Vorgeworfen werden ihnen unter anderem Betrug in 97 Fällen, versuchter Betrug in 180 Fällen, Untreue beziehungs­weise Anstiftung zur Untreue in 277 Fällen und Markt­manipulation. Der Investmentmanager ließ die Vorwürfe über einen Anwalt gegen­über Stiftung Warentest zurück­weisen, die anderen drei äußerten sich nicht. Für die vier Angeklagten gilt die Unschulds­vermutung.

Über zweite Anklage wurde noch nicht entschieden

SSH-Mitinhaber Goetz ist in der zweiten Ankla­geschrift aufgeführt, ebenso wie ein weiterer Investmentmanager und der SSH-Geschäfts­führer. Ob und wann es dabei zu einem Prozess kommt, ist noch offen. Goetz ließ über seine Verteidiger mitteilen, sein Verfahren sei noch nicht einmal eröffnet. Es würden sich daher jegliche Schluss­folgerungen verbieten. Die Vorwürfe hatte er zurück­weisen lassen. Alle gelten bis zu einer etwaigen Verurteilung als unschuldig.

Vorschlag des Vertreters der Anleger?

Pikant: Laut Anklage hat ausgerechnet der Geschäfts­führer der gemein­samen Vertreterin der Anleihegläubiger, One Square Advisors (OSA), die Vorgehens­weise mit dem „weißen Ritter“ vorgeschlagen. Der gemein­same Vertreter hat eigentlich die Aufgabe, die Interessen der Anleger zu vertreten, sollte also an einem möglichst guten Ergebnis für die Anleger interes­siert sein. Er muss zudem alle Anleger gleich behandeln, also Groß­investoren genauso wie Klein­anleger. Das sei aber nicht der Fall gewesen, trug der Staats­anwalt vor. OSA habe den Anleihegläubigern empfohlen, dem Schulden­schnitt zuzu­stimmen und einem kleinen Kreis ermöglicht, mehr zu bekommen. Die Gesell­schaft OSA habe die Anleihegläubiger auch nicht darüber aufgeklärt, dass sie auch für SSH tätig war und Geld dafür bekam: 400 000 Euro. OSA ist eine bekannte Sanierungs­beratungs­gesell­schaft, die in mehreren Geld­anlage-Fällen einge­schaltet wurde.

Anlegerklagen laufen noch

Aus Sicht der Schutz­gemeinschaft der Kapital­anleger (SdK) steht Anlegern Schaden­ersatz zu. Tatsäch­lich ließen sich nicht alle Anleihe­anleger das Vorgehen rund um den Schulden­schnitt gefallen. Der Berliner Rechts­anwalt Wolfgang Schirp reichte zwei Klagen für Mandanten ein. Beide wurden in erster Instanz abge­wiesen. Den Grund dafür sieht der Staats­anwalt in falschen Zeugen­aussagen und falschem Vortrag Beteiligter auf Seiten der Beklagten. Den vier Angeklagten im laufenden Verfahren wirft er daher versuchten Prozess­betrug beziehungs­weise Beihilfe dazu vor. Das kommt nicht oft vor. Für sie gilt die Unschulds­vermutung.

Drei im Prozess Befragte hätten ihre Aussagen im Rahmen des Straf­verfahrens nun berichtigt, teilte Schirp der Stiftung Warentest mit. Die Lage der Kläger habe sich daher im Berufungs­verfahren verbessert, die Ansprüche seien auch nicht verjährt.

Gespräche über etwaige Verständigung

Im Anschluss an den ersten Prozess­tag gab es Gespräche, die ausloten sollten, ob es eine Verständigung der Beteiligten geben könnte. Das ist bei Wirt­schafts­straf­verfahren häufig der Fall und soll dazu dienen, komplexe Verfahren rascher abzu­schließen. Der Richter berichtete in der folgenden öffent­lichen Verhand­lung, das Gericht habe noch keinen eigenen Vorschlag entwickelt. Der Staats­anwalt habe im Falle eines Geständ­nisses früh im Verfahren für den Miteigentümer und den gemein­samen Vertreter der Anleihegläubiger jeweils eine Haft­strafe von knapp vier Jahren für vorstell­bar gehalten, bei den anderen eine Strafe, die zur Bewährung ausgesetzt werden könne. Die Verteidiger des ehemaligen Geschäfts­führers strebten demnach einen Frei­spruch an. Die Verteidiger des Miteigentümers wollen erst geklärt haben, ob ein Schaden einge­treten sei und wenn ja, in welcher Höhe. Der Richter wies darauf hin, dass die Verteidiger generell das Gutachten von Sach­verständigen kritisiert hätten, auf das sich der Staats­anwalt gestützt hatte.

Gutachter hielten Restrukturierung für nötig

Am zweiten Prozess­tag äußerten sich daher die Sach­verständigen zu ihrer Arbeit. Es sei klar gewesen, dass eine Restrukturierung der Anleihe nötig gewesen sei. Eine Fortführung des Unter­nehmens sei möglich gewesen, auch unter Berück­sichtigung des Risikos einer Insolvenz. Die Marke Sympatex und das Unternehmen seien bewert­bar gewesen. Es hätte Alternativen zum gewählten Vorgehen gegeben, die vorteilhafter für die Anleger gewesen wären. Verteidiger trugen Zweifel daran vor und kündigten weitere Fragen an. Der Verteidiger des Ex-SSH-Geschäfts­führers wies auf eine E-Mail des Wirt­schafts­prüfers hin, wonach eine Fortführung selbst mit Anleihe­schnitt nicht möglich sei. Es sind Prozess­tage bis ins erste Halb­jahr 2026 angesetzt.

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