
Wasserabweisendes Gewebe. Stoff dieser Art bot Sympatex Technologies an. Die Anleihe ihrer Muttergesellschaft bescherte Anlegern Verluste. © Getty Images / ronstik
Vor dem Landgericht München I geht es im Fall Sympatex um den Vorwurf, Anleger betrogen oder es versucht zu haben. Zudem sollen Angeklagte falsch ausgesagt haben.
Update [19.09.25]: Eine Einstellung gegen Geldauflage
Das Gericht hat das Verfahren gegen einen der Angeklagten, einen ehemaligen Geschäftsführer, gegen Geldauflage in niedriger sechsstelliger Höhe vorläufig eingestellt. Bei zwei weiteren Angeklagten kam es zu einer Verständigung über ein mögliches Strafmaß. Der SSH-Gesellschafter Stefan Sanktjohanser hätte demnach Geldstrafen sowie eine Freiheitsstrafe zu erwarten, die zur Bewährung ausgesetzt werden könnte. Ein Manager müsste mit einer Geldstrafe rechnen. Der Prozess könnte daher auch für sie früher enden als ursprünglich geplant. Eine Entscheidung des Gerichts darüber steht aber noch aus.
Vier Männer, die mit der Mittelstandsanleihe Sympatex zu tun hatten, müssen sich seit 1. Juli in einem Strafprozess verantworten. Vor der 5. Strafkammer des Landgerichts München I läuft seitdem der erste Strafprozess in dem viel beachteten Fall. Die Vorwürfe: Anleger sollen laut Staatsanwaltschaft unzutreffend informiert worden sein, als sie am 1. Dezember 2017 einem Schuldenschnitt um 90 Prozent zustimmten. Dadurch hätten sie viel Geld verloren. Angeklagte sollen auch falsche Angaben in Schadenersatzprozessen von Anlegern gemacht oder andere zu falschen Angaben angestiftet haben.
Anleger verzichteten auf viel Geld
Die Smart Solutions Holding GmbH (SSH) aus Unterföhring hatte 2013 eine Anleihe mit 8 Prozent Zins pro Jahr bis 2018 ausgegeben. Ihre Tochter Sympatex Technologies GmbH (STX) hatte sich unter anderem auf Membrane für wasserdichte und wasserdampfdurchlässige Stoffe spezialisiert und war für ihre Marke Sympatex bekannt. Anlegerinnen und Anleger investierten 13 Millionen Euro. Sie erfuhren jedoch 2017, dass eine Restrukturierung nötig sei. Sie müssten auf 90 Prozent ihres Einsatzes verzichten, dann sei ein Investor, ein „weißer Ritter“, bereit einzusteigen. Im Falle einer Insolvenz sei noch weniger für sie zu erwarten, hieß es.
Mindestens 1 Million Euro Schaden
Die Staatsanwaltschaft München I kam in zwei Anklageschriften zu dem Schluss, die Restrukturierung sei so geplant gewesen, dass Anleger dabei schlecht weggekommen seien. Die Restrukturierung habe den Altgesellschaftern eine Rückbeteiligung ermöglicht, die von außen nicht erkennbar gewesen sei. Auf gut 1 Million Euro bezifferte der Staatsanwalt den Schaden allein für diejenigen Anleger, die befragt werden konnten. Ein Sachverständigengutachten habe ergeben, dass die Forderungen der Anleger zu der Zeit, als die Taten begangen worden sein sollen, fast zur Hälfte werthaltig gewesen seien.
Family Office der Otto-Familie eingeschaltet
Der Staatsanwalt führt in den Anklageschriften unter anderem die beiden bekannten Wirtschaftsberater Stefan Sanktjohanser und Stephan Goetz auf, denen die SSH mittelbar oder unmittelbar gehörte. Sie sollen über Strohleute Anleihen vor der Abstimmung über den Schuldenschnitt aufkaufen haben lassen. Der mit der Hamburger Unternehmerfamilie Otto verschwägerte Goetz und Sanktjohanser übergaben die Holding an eine Treuhandgesellschaft. Einen „weißen Ritter“ habe es anfangs gar nicht gegeben, so die Münchner Ermittler. Dann habe eine Strohfirma der KG Cura Vermögensverwaltung – das Family Office der Otto-Familie – eines unterbreitet. Für die Vermögensverwaltung der Otto-Familie hatte eine Rechtsanwältin gegenüber der Stiftung Warentest betont, ihre Mandantinnen seien in dem ganzen Verfahren sogenannte Dritte, also praktisch Zeugen, und könnten deshalb keine weiteren Statements abgeben. Die Otto Group habe mit dem gesamten Komplex nichts zu tun. Später übernahmen Goetz und Sanktjohanser die Holding wieder mittelbar. Beide äußerten sich gegenüber Stiftung Warentest nicht inhaltlich zu den Vorwürfen.
Staatsanwalt erhebt harte Vorwürfe
Sanktjohanser steht wegen der Vorgänge seit 1. Juli vor Gericht, gemeinsam mit einem ehemaligen SSH-Geschäftsführer, einem Investmentmanager und Frank Günther, dem Geschäftsführer der gemeinsamen Vertreterin der Anleihegläubiger. Vorgeworfen werden ihnen unter anderem Betrug in 97 Fällen, versuchter Betrug in 180 Fällen, Untreue beziehungsweise Anstiftung zur Untreue in 277 Fällen und Marktmanipulation. Der Investmentmanager ließ die Vorwürfe über einen Anwalt gegenüber Stiftung Warentest zurückweisen, die anderen drei äußerten sich nicht. Für die vier Angeklagten gilt die Unschuldsvermutung.
Über zweite Anklage wurde noch nicht entschieden
SSH-Mitinhaber Goetz ist in der zweiten Anklageschrift aufgeführt, ebenso wie ein weiterer Investmentmanager und der SSH-Geschäftsführer. Ob und wann es dabei zu einem Prozess kommt, ist noch offen. Goetz ließ über seine Verteidiger mitteilen, sein Verfahren sei noch nicht einmal eröffnet. Es würden sich daher jegliche Schlussfolgerungen verbieten. Die Vorwürfe hatte er zurückweisen lassen. Alle gelten bis zu einer etwaigen Verurteilung als unschuldig.
Vorschlag des Vertreters der Anleger?
Pikant: Laut Anklage hat ausgerechnet der Geschäftsführer der gemeinsamen Vertreterin der Anleihegläubiger, One Square Advisors (OSA), die Vorgehensweise mit dem „weißen Ritter“ vorgeschlagen. Der gemeinsame Vertreter hat eigentlich die Aufgabe, die Interessen der Anleger zu vertreten, sollte also an einem möglichst guten Ergebnis für die Anleger interessiert sein. Er muss zudem alle Anleger gleich behandeln, also Großinvestoren genauso wie Kleinanleger. Das sei aber nicht der Fall gewesen, trug der Staatsanwalt vor. OSA habe den Anleihegläubigern empfohlen, dem Schuldenschnitt zuzustimmen und einem kleinen Kreis ermöglicht, mehr zu bekommen. Die Gesellschaft OSA habe die Anleihegläubiger auch nicht darüber aufgeklärt, dass sie auch für SSH tätig war und Geld dafür bekam: 400 000 Euro. OSA ist eine bekannte Sanierungsberatungsgesellschaft, die in mehreren Geldanlage-Fällen eingeschaltet wurde.
Anlegerklagen laufen noch
Aus Sicht der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) steht Anlegern Schadenersatz zu. Tatsächlich ließen sich nicht alle Anleiheanleger das Vorgehen rund um den Schuldenschnitt gefallen. Der Berliner Rechtsanwalt Wolfgang Schirp reichte zwei Klagen für Mandanten ein. Beide wurden in erster Instanz abgewiesen. Den Grund dafür sieht der Staatsanwalt in falschen Zeugenaussagen und falschem Vortrag Beteiligter auf Seiten der Beklagten. Den vier Angeklagten im laufenden Verfahren wirft er daher versuchten Prozessbetrug beziehungsweise Beihilfe dazu vor. Das kommt nicht oft vor. Für sie gilt die Unschuldsvermutung.
Drei im Prozess Befragte hätten ihre Aussagen im Rahmen des Strafverfahrens nun berichtigt, teilte Schirp der Stiftung Warentest mit. Die Lage der Kläger habe sich daher im Berufungsverfahren verbessert, die Ansprüche seien auch nicht verjährt.
Gespräche über etwaige Verständigung
Im Anschluss an den ersten Prozesstag gab es Gespräche, die ausloten sollten, ob es eine Verständigung der Beteiligten geben könnte. Das ist bei Wirtschaftsstrafverfahren häufig der Fall und soll dazu dienen, komplexe Verfahren rascher abzuschließen. Der Richter berichtete in der folgenden öffentlichen Verhandlung, das Gericht habe noch keinen eigenen Vorschlag entwickelt. Der Staatsanwalt habe im Falle eines Geständnisses früh im Verfahren für den Miteigentümer und den gemeinsamen Vertreter der Anleihegläubiger jeweils eine Haftstrafe von knapp vier Jahren für vorstellbar gehalten, bei den anderen eine Strafe, die zur Bewährung ausgesetzt werden könne. Die Verteidiger des ehemaligen Geschäftsführers strebten demnach einen Freispruch an. Die Verteidiger des Miteigentümers wollen erst geklärt haben, ob ein Schaden eingetreten sei und wenn ja, in welcher Höhe. Der Richter wies darauf hin, dass die Verteidiger generell das Gutachten von Sachverständigen kritisiert hätten, auf das sich der Staatsanwalt gestützt hatte.
Gutachter hielten Restrukturierung für nötig
Am zweiten Prozesstag äußerten sich daher die Sachverständigen zu ihrer Arbeit. Es sei klar gewesen, dass eine Restrukturierung der Anleihe nötig gewesen sei. Eine Fortführung des Unternehmens sei möglich gewesen, auch unter Berücksichtigung des Risikos einer Insolvenz. Die Marke Sympatex und das Unternehmen seien bewertbar gewesen. Es hätte Alternativen zum gewählten Vorgehen gegeben, die vorteilhafter für die Anleger gewesen wären. Verteidiger trugen Zweifel daran vor und kündigten weitere Fragen an. Der Verteidiger des Ex-SSH-Geschäftsführers wies auf eine E-Mail des Wirtschaftsprüfers hin, wonach eine Fortführung selbst mit Anleiheschnitt nicht möglich sei. Es sind Prozesstage bis ins erste Halbjahr 2026 angesetzt.
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- Der Fall Sympatex illustriert die Risiken von Mittelstandsanleihen für Anleger. Laut Aussagen in Gerichtsverfahren waren die Wertpapiere schon bei Auflage hochriskant.
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- Mit der Anleihe der Textilfirma Sympatex haben Anleger viel Geld verloren. Ermittler gehen nun dem Verdacht nach, dass bei dem Wertpapier nicht alles sauber ablief.
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- Jede vierte Anleihe mittelgroßer Firmen scheitert. Mitunter riecht das nach Methode – wie beim Fall Sympatex.
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