
Wasserabweisend. Sympatex ist bekannt als atmungsaktive Stofffaser. © Getty Images / ze_pedro
Der Fall Sympatex illustriert die Risiken von Mittelstandsanleihen für Anleger. Laut Aussagen in Gerichtsverfahren waren die Wertpapiere schon bei Auflage hochriskant.
Anleger haben 2018 beziehungsweise 2021 beim Landgericht München I Klagen auf Schadensersatz gegen die Sympatex Technologies GmbH und mittelbare Mitgesellschafter ihrer Muttergesellschaft Smart Solutions Holding GmbH (ehemals Sympatex Holding GmbH) eingereicht. Das Scheitern der Sympatex-Anleihe sei bewusst herbeigeführt worden, sagen die Kläger, darunter eine Privatanlegerin und ein Pensionsfonds. Die Beklagten bestreiten alle Vorwürfe. Mit einer Entscheidung rechnen Beobachter bis Ende 2022.
Von dem angelegten Geld blieb kaum noch etwas übrig
Fast ihren gesamten Einsatz haben die Anleger verloren, nachdem eine Gläubigerversammlung im Dezember 2017 – wenige Wochen vor Fälligwerden der Anleihe – einem Schuldenschnitt von 90 Prozent zugestimmt hatte. Ein Gutachten war zuvor zu dem Ergebnis gekommen, dass sie im Fall einer Insolvenz nur 5,6 Prozent ihres Einsatzes zurückbekommen würden. In den zwei Zivilverfahren vor dem Landgericht München kamen im Oktober 2022 dazu brisante Details zutage.
Kredite waren schon bei Auflage hochriskant
Die Sympatex Technologies GmbH stellt wasserabweisende und umweltfreundliche Textilien her. Ihre Muttergesellschaft Smart Solutions, die früher Sympatex Holding hieß, hatte die Anleihe im Dezember 2013 mit 13 Millionen Euro Volumen mit 8 Prozent Zinsen für fünf Jahre begeben.
Die Holding ist heute eine weitgehend wertlose Hülle. Stephan Goetz, einer ihrer Mitgesellschafter, sagte vor Gericht aus, dass Kredite an die Sympatex-Gruppe schon zum Zeitpunkt der Emission der Anleihe hochriskant gewesen seien. Ein Wirtschaftsprüfer, der das Gutachten miterstellt hatte, bezeugte, aufgrund des Auftrags der Smart Solutions sei simuliert worden, was ein Gläubiger bei einer Insolvenz erhalten würde. Die Gutachter hätten dabei die Richtigkeit der ihnen übermittelten Angaben unterstellt und die Plausibilität nicht geprüft. Das sei ungewöhnlich an dem Auftrag gewesen. Den Gutachtern sei gesagt worden, dass sie eine hypothetische Betrachtung durchführen sollten.
Auftraggeber sind oft weitgehend frei darin, wie sie Aufträge für Gutachten formulieren. Das Problem: Wenn sich die Gutachter nicht damit beschäftigen, wie plausibel die Datenbasis ist, besteht das Risiko, dass ihre Berechnungen und Beurteilungen auf einem wenig tragfähigen Fundament beruhen.
Bei Mittelstandsanleihen ging oft etwas schief
Sympatex ist kein Einzelfall: Publikumsanleihen im Nennwert von 11,7 Milliarden Euro haben kleinere und mittlere Unternehmen seit 2010 auf den Markt gebracht. Die Unternehmensberatung Capmarcon hat berechnet, dass bislang bei knapp 30 Prozent des Anlegergeldes – also etwa 3,4 Milliarden Euro – etwas schiefging: Die Zinsen wurden nicht mehr bezahlt, die Laufzeit wurde verlängert oder es kam gar zur Insolvenz.
Bekannte Fälle sind Laurel, German Pellets, Zamek, oder aktuell Metalcorp. Doch in kaum einem anderen Fall seien die Umstände, unter denen es zu dem für Anleger verlustreichen Ende kam, so umfassend belegt wie bei Sympatex, sagen Experten (siehe auch unser Special Mittelstandsanleihen: Riskante Wege für Anleger).
Abgekartetes Spiel oder ungünstige Umstände?
Der Anwalt Wolfgang Schirp aus Berlin vertritt die Kläger, darunter eine Anlegerin und ein Pensionsfonds. Er wirft Sympatex Marktmanipulation vor und spricht von einem „abgekarteten Spiel.“ Die Vertreter von Sympatex und ihre damaligen Geschäftsführer behaupten, keine andere Wahl gehabt zu haben und führen das schwierige Marktumfeld und entsprechende Gutachten ins Feld.
Die Anlegerin geht gemeinsam mit einem Geschäftsmann gegen Sympatex vor. Dieser vermutet, umfangreiche Geschäfte, die er für Sympatex angebahnt habe, seien absichtlich ausgebremst worden. Sie hätten nicht ins Bild einer insolvenzbedrohten Firma gepasst.
Schon vor der Emission in Not
Als Zeuge sagte der über ein weiteres Unternehmen beteiligte Mitgesellschafter Goetz aus, dass Sympatex schon vor der Emission in Not war, vor allem wegen der Marktmacht des Konkurrenten Gore-Tex. Eine für die Familie des Versandhändlers Otto arbeitende Vermögensverwaltung hatte der Sympatex GmbH ein Darlehen über 800 000 Euro gewährt und dafür 18,5 Prozent Zins und eine einmalige Gebühr von 120 000 Euro bekommen. Das sei dem Risiko entsprechend angemessen gewesen. Pikantes Detail: Goetz ist mit der Familie Otto verschwägert.
Im Wertpapierprospekt las sich das anders
Im Wertpapierprospekt der Anleihe waren zum Zeitpunkt dagegen eine „stabile Marktposition und ein hoher Bekanntheitsgrad“ der Marke Sympatex hervorgehoben worden. Die Sympatex-Gruppe sollte „eine deutliche Erhöhung des Umsatzes innerhalb der nächsten fünf Jahre erreichen“. Die Ratingagentur Creditreform bewertete die Anleihe bei Herausgabe mit der Note BB-, laut Prospekt „eine befriedigende Bonität“ mit „mittlerem Insolvenzrisiko“. Während der Laufzeit verschlechterte sich das Rating allerdings auf Ramsch-Niveau (CCC).
Dass viele Anleger dennoch bis zum Schluss durchhielten, ist auch damit zu erklären, dass bei Anleihen in der Regel bei Fälligkeit der Nennwert ausgezahlt wird – unabhängig von der Kursentwicklung an der Börse.
Vertreter der Anleihegläubiger beriet Sympatex
Im Fokus steht auch die Rolle des gemeinsamen Vertreters aller Anleihegläubiger, Frank Günther von One Square Advisors. Ihn hatte die Sympatex-Holding, also die Herausgeberin der Anleihen, bereits im Anleiheprospekt bestimmt. Das deutsche Schuldverschreibungsgesetz lässt so etwas zu. Günther ist auch in anderen Fällen von notleidenden Anleihen als Gläubigervertreter in Erscheinung getreten.
In einer internen E-Mail skizzierte Günther die Schritte bis zur Gläubigerversammlung von Smart Solutions, ehemals Sympatex. Nach Bekanntwerden der im Insolvenzgutachten ermittelten Quote sollten geeignete Käufer – Günther spricht von „Friends and Family“ – die Anleihe günstig von den Privatanlegern erwerben und für eine Mehrheit in der alles entscheidenden Gläubigerversammlung sorgen. Das gelang.
Seine 400 000 Euro Honorar für den Schuldenschnitt fand Günther angemessen, wie er bei anderer Gelegenheit sagte. Der Schnitt sei für die Anleger die beste Lösung gewesen. Finanztest meint: Angesichts der Absprachen bewegten sich die Verantwortlichen zumindest in einer rechtlichen Grauzone.
Prospekt lesen und Unternehmensdaten verfolgen
Der Fall zeigt, welche hohen Risiken börsennotierte Anleihen mit festem Zins und fester Laufzeit haben können. Für Laien ist oft schwer zu durchschauen, was mit ihrem Geld wirklich geschieht und wer im Hintergrund mitmischt. Anlegerinnen und Anleger sollten auf jeden Fall den Prospekt nach Risiken durchforsten und auch während der Laufzeit die Unternehmensdaten der Emittentin verfolgen. Ist das Papier erst einmal notleidend, haben die Besitzer nur noch geringe Chancen, an ihr Geld zu kommen.
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