Valproinsäure wird erfolgreich bei Epilepsie, bipolarer Störung und zur Vorbeugung von Migräne eingesetzt. Für Schwangere birgt der Wirkstoff jedoch hohe Risiken: Er kann nachweislich dem Ungeborenen schaden. Viele Patientinnen wissen das nicht. Die Europäische Arzneimittelagentur will nun die Anwendung von Valproinsäure stärker einschränken. test.de informiert über die Hintergründe und sagt, was Anwenderinnen im gebärfähigen Alter tun können.
Von Epilepsie bis Migräne: Valproinsäure wird breit eingesetzt
Valproinsäure und ihre Salze werden zur Behandlung verschiedener Epilepsieformen eingesetzt – insbesondere bei Krampfanfällen, die beide Gehirnhälften betreffen. Bei bestimmten Epilepsiekranken schlägt nur Valproinsäure erfolgreich an. Sie kommt auch zur Behandlung manischer Phasen bei Manisch-Depressiven zum Einsatz. Der Wirkstoff darf außerdem seit 2010 zur Vorbeugung von Migräneanfällen in Deutschland verordnet werden – unter der Bedingung, dass andere Mittel nicht wirken oder nicht eingesetzt werden können. In Beipackzetteln taucht Valproinsäure auch unter folgenden Namen auf:
- Magnesiumvalproat
- Natriumvalproat
- Valproat-Seminatrium
- Valpromid.
Höheres Risiko für Fehlbildungen
Nimmt eine Frau während der Schwangerschaft Valproinsäure ein, kann das dem ungeborenen Kind schaden. Möglich sind schwerwiegende Fehlbildungen wie ein „offener Rücken“, Gaumenspalte, Verwachsung der Schädelplatten, Harnröhrendefekte oder Herzfehler. Auch erhöht sich beim Ungeborenen das Risiko für verminderte kognitive Fähigkeiten und Verhaltensauffälligkeiten – etwa in Form von Autismus oder dem Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom (ADHS). Bedenklich: Rund 40 von 100 Epileptikerinnen, die Valproinsäure einnehmen, wissen nicht über diese Schwangerschaftsrisiken Bescheid. Das ergab eine Umfrage in deutschsprachigen Ländern, an der unter anderem die Universität Rostock beteiligt war (Pregnancy-related knowledge of women with epilepsy).
Acht Antiepileptika im Vergleich

Antiepileptika mit Valproinsäure. Medikamente ohne den Wirkstoff führen seltener zu Fehlbildungen. © Stiftung Warentest / Ralph Kaiser
Im Vergleich zu anderen häufig eingesetzten Antiepileptika ist Valproinsäure für das ungeborene Leben am riskantesten. Das belegt eine aktuelle Studienauswertung, die im Fachblatt Lancet Neurology veröffentlicht wurde. Demnach kommen nach Behandlung mit Valproat 10 bis 11 von 100 Kindern mit schweren angeborenen Fehlbildungen zur Welt. Bei anderen Antiepileptika – Phenobarbital, Phenytoin, Carbamazepin, Topiramat – liegen die Raten niedriger als mit Valproat, wobei die Daten für Phenytoin und Topiramat aufgrund der geringen Fallzahlen vorsichtig interpretiert werden sollten. Die Fehlbildungsraten unter Lamotrigin, Levetiracetam und Oxcarbazepin lagen bei 3 von 100. Zum Vergleich: Bei nicht behandelten Epileptikerinnen liegen die Raten ebenfalls bei 3 von 100, bei Frauen aus der Allgemeinbevölkerung bei 2 von 100.
Empfehlungen der Europäischen Arzneimittelagentur
Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) hat ihre Empfehlungen zu Valproinsäure in der Schwangerschaft in einem Positionspapier aktualisiert. Ziel: Die Anwendung von Valproat künftig stärker einzuschränken und betroffene Frauen besser zu informieren.
Neu ist:
- Die Anwendung von Valproinsäure bei Migräne oder bipolarer Störung während einer Schwangerschaft wird verboten.
- Zur Behandlung einer Epilepsie darf Valproinsäure während einer Schwangerschaft nur noch angewendet werden, wenn es keine andere therapeutische Alternative gibt.
- Mädchen und Frauen im gebärfähigen Alter dürfen Valproinsäure nur dann einnehmen, wenn sie vorab umfänglich aufgeklärt worden sind und sicher verhüten.
- Arzneimittel mit dem Wirkstoff müssen auf der Verpackung einen Warnhinweis zu Schwangerschaftsrisiken tragen. Auch bei der Ausgabe des Arzneimittels werden künftig Warnhinweise an Patientinnen ausgehändigt.
Tipps für Anwenderinnen im gebärfähigen Alter
Damit Sie im individuellen Fall eine gute Entscheidung treffen, können folgende Ratschläge hilfreich sein:
Falls Sie Mittel mit Valproinsäure anwenden sollen oder wollen:
- Schließen Sie aus, dass Sie schwanger sind. Ein Frauenarzt kann dafür etwa einen Schwangerschaftstest machen oder Eierstöcke und Gebärmutter mit Ultraschall untersuchen.
Falls Sie Valproinsäure bereits einnehmen:
- Verhüten Sie sicher. Kombinieren Sie am besten zwei Verhütungsmethoden, zum Beispiel Pille oder Spirale und Kondom oder Diaphragma. Wichtig: Die Wirkung der Pille wird durch Valproinsäure nicht vermindert – durch andere antiepileptische Wirkstoffe aber schon.
- Besprechen Sie mindestens einmal jährlich mit einem Ihrem Facharzt, ob Sie das Mittel weiter einnehmen sollen.
- Setzen Sie das Mittel nicht eigenmächtig ab, sondern wenden Sie sich an Ihren Arzt.
Falls Sie eine Schwangerschaft planen:
- Frauen mit Epilepsie sollten sich frühzeitig ärztlich beraten lassen. Das Risiko für Komplikationen lässt sich mit guter Vorbereitung senken. Möglicherweise muss die Behandlung der Epilepsie während einer Schwangerschaft angepasst werde. Gut zu wissen: Die meisten Frauen mit Epilepsie bringen gesunde Kinder zur Welt.
- Bei genetisch bedingter generalisierter Epilepsie ist manchmal nur Valproat gut wirksam. In diesen Fällen kann die Behandlung unter Aufsicht eines Spezialisten auch während der Schwangerschaft fortgeführt werden. Die Dosis sollte so gering wie möglich sein und gleichmäßig über den Tag verteilt eingenommen werden.
- Bei anderen Formen von Epilepsie, bipolarer Störung und Migräne gibt es risikoärmere Wirkstoffe. Leiden Sie an einer manisch-depressiven Erkrankung, ist beispielsweise Lithium eine Alternative. Der Arzt wird versuchen, die Dosis möglichst niedrig zu halten – bei höheren Dosen ist die Gefahr für das Ungeborene höher, vor allem im ersten Drittel der Schwangerschaft. Auch ein Aussetzen der Medikamente während der Schwangerschaft kann manchmal eine Möglichkeit sein, bringt aber Risiken für die Gesundheit der Mutter mit sich. Daher müssen Nutzen und Risiken sorgfältig gegeneinander abgewogen werden.
Newsletter: Bleiben Sie auf dem Laufenden
Mit den Newslettern der Stiftung Warentest haben Sie die neuesten Nachrichten für Verbraucher immer im Blick. Sie haben die Möglichkeit, Newsletter aus verschiedenen Themengebieten auszuwählen.
-
- Wenns draußen ungemütlich ist, wärmt heißer Kräuter- oder Gewürztee. Neben Minze, Ingwer oder Fenchel enthalten die Teebeutel oft auch Süßholz. Wie der Name schon sagt,...
-
- Wie sich der Genuss von Kaffee auf die Gesundheit auswirkt, ist umfangreich erforscht. Wir haben neun Behauptungen geprüft.
-
- Kinderwunschbehandlungen sind teuer. Viele Krankenkassen zahlen mehr als sie müssen. Mehrere Bundesländer bieten zusätzliche Finanzhilfe. Wir geben einen Überblick.
Diskutieren Sie mit
Nur registrierte Nutzer können Kommentare verfassen. Bitte melden Sie sich an. Individuelle Fragen richten Sie bitte an den Leserservice.
Nutzerkommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.
Kommentar vom Administrator gelöscht. Grund: Spam