
Strafzinsen. Bis ins Jahr 2022 haben viele Banken und Sparkassen Kundinnen und Kunden benachteiligt, indem sie für hohe Guthaben Minuszinsen kassiert haben. © Getty Images / EyeEm
Minuszinsen waren rechtswidrig, urteilte der Bundesgerichtshof. Banken müssen alle 2022 und später gezahlten Beträge erstatten. Wir sagen, wie Sie Ihr Recht durchsetzen.
Bis ins Jahr 2022 hinein mussten viele Inhaber von Giro- und Sparkonten „Verwahrentgelte“ bezahlen. So nannten die Banken und Sparkassen ihre Negativzinsen – also den Zinssatz, den sie Kundinnen und Kunden zumindest für hohe Guthaben in Rechnung stellten. Die Banken mussten solche Zinsen selbst für bei der Europäischen Zentralbank geparkte Gelder bezahlen und kassierten sie deshalb auch von ihren Kunden.
Zu Unrecht, urteilte der Bundesgerichtshof jetzt in vier Fällen. Geklagt hatten die Verbraucherzentralen Nordrhein-Westfalen und Hamburg sowie der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) bereits in den Jahren 2020 und 2021 gegen vier verschiedene Banken und Sparkassen. Jetzt endlich in letzter Instanz die Ansage: Das war rechtswidrig. Die Klauseln sind teils eine unangemessene Benachteiligung für Verbraucher, teils wegen Intransparenz unwirksam, urteilten die Richter in Karlsruhe. Die Richter in den Vorinstanzen waren unterschiedlicher Meinung.
Bundesgerichtshof, Urteile vom 04.02.2025
Aktenzeichen: XI ZR 61/23, XI ZR 65/23, XI ZR 161/23 und XI ZR 183/23
Einzelheiten dazu in der amtlichen Pressemitteilung des Bundesgerichtshof
Bei Sparkonten nie, bei Girokonten theoretisch denkbar
Die wichtigsten Punkte aus den Urteilen:
- Bei Sparkonten kommen von der Zinsentwicklung abhängige zusätzliche Gebühren von vornherein nicht in Frage. Das laufe dem Sinn und Zweck von Sparverträgen entgegen, erklärte Jürgen Ellenberger, der Vorsitzende Richter im für Bankrecht zuständigen XI. Senat am Bundesgerichtshof.
- Bei Girokonten sind Verwahrentgelte grundsätzlich zulässig. Es gelang Banken und Sparkassen aber nicht, sie in den Geschäftsbedingungen berechenbar und klar zu regeln. Die Verwahrentgelte sollten bis zu 0,7 Prozent vom Guthaben abzüglich eines unterschiedlichen hohen Freibetrags betragen und teils taggenau berechnet werden. Es blieb aber unklar, welche Guthaben jeweils genau heranzuziehen sind; schließlich erfolgen auf Girokonten oft viele Buchungen pro Tag.
Recht auf Erstattung
Alle Banken und Sparkassen haben die jetzt beurteilten Klauseln verwendet und müssen Negativzinsen erstatten. Ärgerlich für Betroffene: Die Forderung auf Erstattung von bis Ende 2021 gezahlten Beträgen ist verjährt. Nur die Erstattung von ab 1. Januar 2022 gezahlten Beträgen ist noch durchsetzbar. Trotzdem geht es nicht selten um dreistellige Beträge. Wer im Jahr 2022 noch 0,5 Prozent Verwahrentgelt zahlen musste, dem hat die Bank oder Sparkasse für nach Abzug des jeweiligen Freibetrags verbleibendes Guthaben in Höhe von 100 000 Euro pro Monat fast 42 Euro abgebucht.
Hinzu kommt: Banken und Sparkassen müssen zusätzlich die Summe herausgeben, die sie mit dem Geld erwirtschaftet haben. Das sind laut Bundesgerichtshof Zinsen in Höhe des gesetzlichen Verzugszinssatzes. Mit anderen Worten: Wenn unsere Beispielkundin mit 100 000 Euro Guthaben über dem Freibetrag jeweils Ende des Monats von Januar bis Juni 0,5 Prozent Negativzinsen gezahlt hat, dann stehen ihr per 28. Februar 2025 insgesamt genau 250 Euro Erstattung von Negativzinsen und zusätzlich 49,20 Euro Herausgabe von Nutzungen zu.
So setzen Sie Ihr Recht durch
Von sich aus werden Banken und Sparkassen kaum Zahlungen erstatten. Sie müssen sie fordern. Dabei hilft unser Mustertext. Bleibt die Erstattung aus, können Sie die für Ihre Bank oder Sparkasse zuständige Schlichtungsstelle einschalten. Das ist kostenlos, geht ohne Rechtsanwalt und hilft nach unserer Erfahrung oft. Verbraucherzentralen und Verbraucherzentrale Bundesverband können Ihr Recht auf Erstattung per Verbandsklage durchsetzen. Ob und in welchen Fällen sie das tun, ist aber nicht absehbar.
Zweifel an Zinsberechnung – auch für Dispo-Zinsen
Die Zweifel der Bundesrichter an den Regelungen zur Zinsberechnung wiegen schwer – und treffen nicht nur die Negativzinsen, sondern alle und vor allem auch die Dispo-Zinsen. Ob es Banken und Sparkassen gelingt, für die Zukunft eine dem Bundesgerichtshof genügende Zinsregelung einzuführen, erscheint fraglich. Vor allem ist es nach den Ansagen der Richter nötig, vorhersehbar festzulegen, welcher Saldo eines Kontos für die Berechnung der jeweiligen Zinsen herangezogen wird. Das ist bei Girokonten mit zum Teil zahlreichen Buchungen am Tag gar nicht so einfach.
Den Kontostand zu einer bestimmten Uhrzeit (Branchenjargon früher: „Buchungsschnitt“) jeweils für den ganzen Tag zu verwenden, ist ungerecht, wenn kurz vor der fraglichen Uhrzeit eine hohe Buchung erfolgt ist und es der Kontoinhaberin erst kurz nach dem Zeitpunkt gelingt, die gegenläufige Buchung zu veranlassen.
Gerechter wäre es, minutengenau zu rechnen. Das ist technisch inzwischen ohne Weiteres möglich. Sinn hat eine entsprechende Regelung in den Geschäftsbedingungen aber nur, wenn im Kontoauszug zu jeder Buchung auch die genaue Zeit der Wertstellung genannt wird.
Besondere Bedeutung hat das bei der Berechnung von Dispozinsen. Rechenbeispiel: Bei der Haspa zahlen viele Girokontoinhaber aktuell 10,62 Prozent Überziehungszins. Das heißt: 1 000 Euro Soll um Mitternacht kosten immer 30 Cent Zinsen. Und dabei bleibt es, auch wenn fünf Minuten nach Mitternacht das Konto schon wieder ausgeglichen ist.
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@MichaelMinh: Bitte haben Sie Verständnis: Zu Ihrem konkreten Einzelfall dürfen und können wir und nicht äußern. Das wäre eine individuelle Rechtsberatung, wie sie von Gesetztes wegen Verbraucherzentralen und Rechtsanwälten vorbehalten ist.
Die Stiftung Warentest informiert aber gern über die Rechtslage allgemein. Danach gilt: Soweit en Unternehmen eine vertragliche Vereinbarung für eine Vielzahl von Fällen vorformuliert, handelt es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung, die nur wirksam ist, wenn Sie ausreichend transparent ist und Verbraucher nicht unangemessen benachteiligt. In diesen Fällen findet die Rechtsprechung zu unwirksamen Klausen eine Anwendung.
Keine allgemeine Geschäftsbedingung sind individuelle Vereinbarungen. Es liegt aber nicht automatisch eine individuelle Vereinbarung vor, wenn ein Unternehmen sich eine von ihm für alle vergleichbaren Fälle vorformulierte Klausel extra unterschreiben lässt.
Die Dt Bk hat Kunden Ende 2021 Vereinbarungen über Verwahrentgelte vorgelegt und unterschreiben lassen. Argument: Freibetrag bis 100 TEur wenn bis 1.10.21 unterschrieben wurde, danach nur 50 TEur. Oberhalb dieser Grenze fiel in 2022 0,5% Verwahrentgelt auf lfd Girokonten an.
Hat man Erstattungsansprüche, wenn man diese Vereinbarung unterschrieben hat?
Ich finde schon, dass es einen Unterschied macht, ob ich mich bei einem Sparbuch oder Tagesgeld darauf verlassen kann, dass ich keine Gebühren zahle oder nicht. Kommt das Geld zurück aufs Girokonto, habe ich es in der Hand, was damit weiter geschieht. Klar natürlich: Wenn wegen weithin negativer Zinsen keine Geldanlage möglich ist, bleibt nur, das Geld ggf. entgeltlich-pflichtig zu parken. Voraussetzung: Den Banken gelingt es, die Verzinsung transparent und fair zu regeln.
Und wo ist jetzt bitteschön für den normalen Bankkunden der Unterschied, ob die Bank gegebenenfalls irgendwann negative Zinsen erhebt oder aber ihre Gebühren erhöht beziehungsweise das Konto kündigt? Was macht das bitte für den Bankkunden für einen Unterschied? Er wird in solchen Fällen, wenn er sein Geld weiterhin bei einer Bank hinterlegen möchte, auf jeden Fall entsprechende Gebühren zahlen, egal wie die Bank sie nun nennt. Ich begrüße durchaus diese rechtliche Klarstellung durch den BGH. Ich möchte da nicht falsch verstanden werden. Nur macht es für den normalen Bankkunden eben in seinem Geldbeutel letztlich keinen Unterschied. Und Zinsen, deren Entwicklung an einen Basiszins gekoppelt ist und daher transparent, finde ich persönlich immer noch besser als irgendwelche Gebühren im Preisverzeichnis.
Ich finde schon, dass die Ansagen der Bundesrichter ein Gewinn für Sparer sind. Sie verhindern, dass Geldanlagen unversehens kosten, statt Rendite zu bringen. Wenn Banken & Sparkassen ein Sparbuch oder sonstige Anlage nicht weiter anbieten können, müssen sie die Verträge kündigen. Das Geld kommt dann zur Aufbewahrung aufs Konto & dort dürfen die Banken dafür Gebühren verlangen, soweit sie transparent geregelt & fair sind.