Prozessfinanzierer Klagen ohne Geld

Der Tankstellenpächter Jürgen Schumann hatte kein Geld für eine Klage gegen Esso. Doch er fand eine Firma, die den ganzen Prozess für ihn finanzierte. Mit ihrer Hilfe erstritt er vor Gericht über 200 000 Euro.

Das Tankstellengeschäft ist hart. Das wusste Jürgen Schumann aus Celle, als er in den neunziger Jahren eine Esso-Tankstelle pachtete. Überraschend war für ihn dennoch, dass er damit jeden Monat Tausende von Euro Verlust machte. Esso hatte ihm schließlich vorgerechnet, wie toll das Geld fließen würde.

Nach wenigen Jahren stieg Jürgen Schumann frustriert aus – mit einem Schaden von über 250 000 Euro. Aufkommen wollte Esso dafür nicht. „Soll er uns doch verklagen“, wird man sich im Konzern gedacht haben, wohl wissend, dass Jürgen Schumann das hohe Kostenrisiko eines Gerichtsverfahrens kaum eingehen würde.

Das tat er auch nicht. Er ließ sich das ­Risiko vom Finanzierungsunternehmen DAS Profi abnehmen. Die Firma fand seinen Fall aussichtsreich und bot Schumann an, Anwalts-, Gerichts- und Gutachterkosten zu zahlen. Im Gegenzug musste er sich verpflichten, DAS Profi im Erfolgsfall einen Teil vom Gewinn abzugeben und zudem jene Kosten zu erstatten, die am Ende nicht von der Gegenseite gezahlt würden.

„Besser so als gar nicht kämpfen“, entschied sich Schumann und ging mithilfe seiner Lebensgefährtin gegen Esso vor. Mit Erfolg. Im Jahr 2004 sprach ihm das Landgericht Hamburg 200 000 Euro Schadenersatz zu (Az. 418 O 52/01).

Jürgen Schumann hat so zumindest ­einen Teil seines Schadens wieder hereingeholt. Rund 65 000 Euro musste er davon an den Finanzierer abgeben. Schumann ist trotzdem zufrieden: „Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach.“

Nicht jeder Fall wird übernommen

Der Fall Schumann zeigt, dass der Einsatz eines Finanzierers sinnvoll sein kann. Doch die Firmen sind wählerisch. DAS Profi gibt an, von rund 5 000 Fällen nur ­einige Hundert übernommen zu haben.

Ganz klar: Die Finanzierer wollen ihren Schnitt machen. Deshalb nehmen sie ­einen Fall nur an, wenn sie nach eigener Prüfung Gewinnchancen sehen, der Gegner zahlungskräftig ist und die Sache einen hohen Erlös verspricht.

Der Prozessfinanzierer Foris steigt nur in Fälle mit einem möglichen Gewinn ab 200 000 Euro ein, der Finanzierer der ­Allianz tut dies bei 100 000 Euro und die Firmen Roland Prozessfinanz und DAS Profi setzen einen Mindeststreitwert von 50 000 Euro voraus.

Für Prozesse um kleinere Beträge ist der Markt der Finanzierer enger. Nur einige ­Finanzierer trauen es sich zu, auch bei geringeren Streitwerten noch wirtschaftlich zu arbeiten. Die Firma Prozessgarant etwa stellt die Kostenübernahme bei Streitwerten ab 25 000 Euro in Aussicht, die Unternehmen Rechtshaus und Acivo ziehen die Grenze sogar nur bei 10 000 Euro.

Für die Unternehmen ist das riskant, denn auch die Prüfung kleinerer Fälle verursacht Kosten, die nicht immer im Verhältnis zur möglichen Gewinnbeteiligung stehen. So sind manche dieser Finanzierer schnell wieder vom Markt verschwunden.

Für ihre Kunden ist es deshalb wichtig, dass ihr Finanzierer Sicherheiten bietet. Wenn ungewiss ist, ob er den Fall wirklich finanziell durchsteht, sollten Kunden Vorschüsse oder Bankbürgschaften verlangen.

Welche Fälle sind beliebt?

Manche Finanzierer setzen auf Expertenwissen und finanzieren nur Fälle aus besonderen Lebensbereichen. Die Firma Proxx hat sich auf Streit rund um Bauvorhaben spezialisiert, das Unternehmen Pro Votum finanziert nur Fälle, in denen es um das Sozialversicherungsrecht geht.

Doch auch bei den anderen Finanzierern haben sich beliebte Rechtsgebiete heraus- kristallisiert, in denen Privatpersonen leichter mit einer Finanzierung rechnen können: Streit ums Erbe oder nach einer Scheidung, Klagen wegen Ärztepfusch oder schlechter Anlageberatung sowie Ansprüche gegen Versicherungen haben gute Chancen, wenn die Rechtslage und die Zahlungskraft der Gegenseite stimmt.

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  • Justizia am 22.11.2012 um 12:35 Uhr
    Sehr guter Hinweis

    Sehr guter Hinweis , jedoch
    1.) leider aus 10/2006 (etwas alt);
    2.) leider kein Zugriff auf den angegebenen Link
    www.finanztest.de/prozessfinanzierer ???
    Sehr hilfreich wäre, zu einer aktualisierten Liste der "Prozeßfinanzierer" eine "Qualifikation" nach Themen/Fachgebieten (z.B. Verwaltungsrecht, Schadenersatzrecht usw.), Mindeststreitwerte & Erfahrungen.