
Glukose messen. Sensor am Arm, Daten live auf dem Handy © Alamy Stock Photo / Lukasz Szczepanski
In den sozialen Medien ist es ein großer Hype: Glukose-Tracking, die kontinuierliche Messung des Blutzuckers, obwohl kein Diabetes vorliegt. Ist das sinnvoll für Gesunde?
Influencerinnen und Influencer versprechen viele positive Effekte durch „Glukose-Tracking“: bessere Gesundheit, entspannten Schlaf, Gewichtsabnahme, gute Konzentration. Die kontinuierliche Messung des Blutzuckers soll auch Normalgewichtige dabei unterstützen, die eigene Blutzuckerkurve möglichst flach zu halten und Blutzuckerspitzen zu vermeiden.
Dafür wird empfohlen, rund zwei Wochen lang einen etwa münzgroßen Glukose-Sensor an der Haut am Oberarm zu tragen. Über einen Faden unter der Haut misst der Sensor dauerhaft den aktuellen Glukosewert im Blut und überträgt das Ergebnis auf eine App. In den sozialen Medien ist die Methode derzeit kaum zu übersehen, allein auf Instagram sind unter dem Hashtag #glucosetracking derzeit mehr als 40 000 Einträge zu finden. Doch was bringt sie?
Gesunde brauchen keine Messung
„Mit Trends aus den Sozialen Medien zur Selbstoptimierung sollte man vorsichtig sein“, sagt Professor Stephan Martin, Chefarzt für Diabetologie beim Verbund Katholischer Kliniken Düsseldorf und Direktor des Westdeutschen Diabetes- und Gesundheitszentrums. „Bei gesunden, normalgewichtigen Menschen besteht keine Notwendigkeit, auf seine Blutzuckerwerte zu achten“, stellt der Experte klar. Zudem gibt es keine wissenschaftlichen Aussagen oder Studien darüber, dass Blutzuckerspitzen für Gesunde schädlich sind.
Laien könnten Messwerte missverstehen
„Entscheidend beim Tracking ist: Die Daten müssen auch ausgewertet und erklärt werden, sonst bringt das nichts“, sagt Stephan Martin. Die Gefahr besteht aber, denn die Tracker sind zwar für Selbstzahler nicht gerade günstig, aber doch rezeptfrei erhältlich. Wenn Nutzerinnen und Nutzer mit den Messwerten allein bleiben und keine fachkundige Rückmeldung dazu erhalten, besteht eher ein Risiko: Ohne regelmäßige Zwischenkontrolle durch einen Arzt oder eine Ärztin könnten Laien die Messdaten fehlinterpretieren− im schlimmsten Fall könnte das zu einer Essstörung führen.
Zum Abnehmen bei Adipositas gute Unterstützung
Generell kann Glukose-Tracking dabei helfen, Lebensmittel mit hoher glykämischer Last besser zu erkennen. Das sind Lebensmittel, die viel Glukose, also Traubenzucker, enthalten. Sie lassen den Blutzucker schneller ansteigen und führen zur Insulinausschüttung.
Für Menschen, die übergewichtig oder adipös sind und abnehmen wollen oder müssen, kann Glukose-Tracking daher sinnvoll sein. So lernen sie, dass der Blutzucker auch mit Lebensmitteln in die Höhe schießt, von denen man es nicht auf Anhieb erwarten würde − etwa Kartoffelpüree-Pulver. Oder dass ihr Blutzucker am Morgen niedriger ist, wenn sie abends Sport getrieben haben.
Übergewicht und Adipositas
Von Übergewicht spricht man ab einem Body-Mass-Index (BMI) von 25, von Adipositas ab einem BMI von 30. Der BMI gibt das Verhältnis vom Körpergewicht zur Körpergröße an. In Deutschland ist etwas mehr als die Hälfte der Erwachsenen übergewichtig, rund ein Viertel ist adipös.
Was hat der Blutzucker mit Abnehmen zu tun?
„Solange hohe Mengen Insulin im Körper sind, wird kein Fett abgebaut, da Insulin die Fettverbrennung blockiert. Außerdem sorgt Insulin dafür, dass überschüssige Glukose in Fett umgewandelt wird und in Muskeln und Leber gespeichert wird“, sagt Experte Martin. Somit hemmt Insulin nicht nur den Fettabbau, sondern fördert auch die Fetteinlagerung und kann das Abnehmen erschweren.
3 Tipps für einen stabilen Blutzucker – ohne Tracking
Wer übergewichtig ist und abnehmen muss, sollte seinen Blutzuckerspiegel stabil halten. Experte Stephan Martin gibt dazu drei Ratschläge:
- Obst reduzieren und stattdessen Gemüse bevorzugen
- Proteinbrot anstelle von normalem Brot wählen − und auch anstelle von Vollkornbrot, denn auch die darin enthaltene Stärke führt zu deutlichen Blutzuckerspitzen
- Bei Milchprodukten Quark und Käse bevorzugen. Milch und Joghurt enthalten dagegen Laktose (Milchzucker), die den Blutzucker schneller ansteigen lässt. Auch mit laktosefreien Varianten steigt der Blutzuckerspiegel rasch an, weil der Milchzucker darin bereits gespalten ist − unter anderem in Glukose.
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