
Harald Ringbauer. Der Genforscher arbeitet am Max-Planck-Institut Leipzig, sein Schwerpunkt ist die Populationsgenetik. © Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie / Ronny Barr
Immer mehr Menschen unterziehen sich freiwillig Gentests. Welche Chancen und Risiken das birgt, besprachen wir mit dem Genforscher Harald Ringbauer.
freischalten
Alle Testergebnisse für Webportale zur AhnenforschungWas ist Populationsgenetik und was hat sie mit Ahnenforschung zu tun?
In der Populationsgenetik geht es uns darum, wie unter anderem Menschen genetisch verwandt sind und wie sich Gene über Generationen verändern. Dazu nutzen wir mathematische Modelle und große Datenmengen, die wir mit speziellen Computerprogrammen auswerten. Für die Ahnenforschung heißt das: Verwandtschaft lässt sich allein über die DNA erkennen – und Genetik verrät auch, aus welchen Regionen die Vorfahren stammen.
Wie aussagekräftig sind kommerzielle DNA-Tests für die Ahnenforschung?
Solche Tests helfen, entfernte Verwandte zu finden – vorausgesetzt, diese haben denselben Test gemacht. Oft lässt sich die gemeinsame Linie entdecken und Wissen austauschen. Das klappt meist bis zur Ebene der Cousins dritten Grades. Weiter entfernt wird es schwieriger, weil es kaum oder gar keine gemeinsame DNA gibt.
Außerdem geben die Tests eine grobe Einschätzung der geografischen Herkunft. Für die Ahnenforschung ist das oft nicht genau genug, aber spannend, wenn es zu bekannten Familiengeschichten passt.
Warum stimmen DNA-Ergebnisse manchmal nicht mit Familiengeschichten überein?
freischalten
Alle Testergebnisse für Webportale zur AhnenforschungViele staunen, wenn ihr DNA-Ergebnis nicht zur Familiengeschichte passt. Das liegt oft daran, dass bei sehr entfernten Verwandten – ab etwa dem dritten Cousin – keine gemeinsame DNA mehr messbar ist. Obwohl eine Verbindung im Stammbaum besteht, zeigt der Test dann: nicht verwandt. Manchmal bringt ein Test aber auch echte Überraschungen ans Licht – etwa einen unbekannten Vater.
Solche Fälle sind selten (unter zwei Prozent), kommen aber durch die Masse an Tests trotzdem regelmäßig vor. Oft reicht schon ein entfernter Verwandter in der Datenbank, um solche Geschichten ins Rollen zu bringen.
Wie werden DNA-Analysen in der Ahnenforschung genutzt?
Früher konzentrierten sich solche Tests auf die sogenannten uniparentalen Haplogruppen: Das Y-Chromosom wird vom Vater an die Söhne weitergegeben und die mitochondriale DNA von der Mutter an alle Kinder. Damit ließ sich die rein männliche oder weibliche Linie verfolgen – aber nur dieser eine Familienzweig.
Heute analysieren die meisten Anbieter die autosomale DNA. Sie stammt von beiden Eltern und umfasst alle Linien des Stammbaums. So lassen sich Verwandte über verschiedene Äste finden – oft bis zu Cousins zweiten oder dritten Grades, wenn die auch den Test gemacht haben.
Wie genau zeigen DNA-Tests, woher man kommt?
DNA-Tests können ziemlich gut zeigen, aus welcher Weltregion jemand stammt – etwa Nordeuropa oder Westafrika. Schwieriger wird es aber, wenn es um feinere Unterschiede innerhalb Europas geht. Je kleiner die Region, desto ähnlicher sind sich die Gene. Dann hängt viel davon ab, welche Vergleichsdaten der Anbieter nutzt und wie genau der Algorithmus arbeitet.
Deshalb kann es passieren, dass zwei Tests unterschiedliche Ergebnisse liefern – auch wenn die DNA dieselbe ist. Diese Unsicherheiten werden in den hübschen Herkunftskarten oft nicht deutlich gemacht.
Kann man frühere Wanderungen oder historische Ereignisse noch in der DNA erkennen?
Ja, ein Stück weit schon. Unsere Gene tragen Spuren davon, wo unsere Vorfahren einst gelebt haben und wohin sie gewandert sind.
Genetische Forschung zeigt: Völkervermischung war schon immer normal. Keine Gruppe ist genetisch „rein“ oder unverändert geblieben. Im Gegenteil: Menschliche Geschichte ist eine Geschichte des ständigen Austauschs und der Bewegung. Und genau das spiegelt sich auch heute noch in unserem Erbgut wider.
Was darf man von so einem DNA-Test also erwarten?
Viele Menschen haben falsche Vorstellungen davon, was DNA-Tests leisten können. Die Werbung der Anbieter klingt oft beeindruckend, ist aber nicht immer realistisch. Tatsächlich lassen sich mit solchen Tests einige Dinge gut herausfinden, zum Beispiel die grobe geografische Herkunft der Vorfahren oder ob jemand ein entfernter Verwandter ist.
Aber wenn es um komplizierte Themen geht, wie den Einfluss der Gene auf Persönlichkeit oder Krankheitsrisiken, wird es schnell ungenau. Diese Zusammenhänge sind sehr komplex und von vielen Faktoren abhängig, auch vom Zufall. Deshalb sollte man die Ergebnisse nicht überbewerten.
Sehen Sie ethische Probleme, wenn jemand im Wege der Ahnenforschung DNA-Tests macht?
Ja, auf jeden Fall. Ein DNA-Test betrifft nicht nur die eigene Person, sondern gibt auch Hinweise über nahe Verwandte – oft ohne deren Wissen oder Zustimmung. Das macht die Entscheidung für so einen Test ethisch schwierig. Deshalb ist es sinnvoll, solche Tests, wenn überhaupt, unter einem Pseudonym zu machen.
Wie steht es um den Datenschutz bei DNA-Tests?
Kein System ist völlig sicher, vor allem, wenn Nutzer online auf ihre Daten zugreifen können. Es gab schon Fälle, bei denen Hacker Daten gestohlen haben, etwa beim Anbieter 23andMe. Ein weiteres Problem: Was passiert mit den DNA-Daten, wenn eine Firma pleitegeht oder verkauft wird? Wer hat dann Zugriff auf die Daten und was passiert in Zukunft damit?
Es gibt weitere Risiken: Strafverfolgungsbehörden können über Gerichtsbeschlüsse auf die Daten zugreifen. Gerade in den USA wurden so schon über Verwandte in DNA-Datenbanken Täter gefunden, vermutlich öfter, als bekannt wurde. Außerdem sind die gesammelten Daten für die Forschung interessant, besonders zusammen mit Angaben zur Gesundheit. Das eigentliche Geschäftsmodell der Anbieter sind oft genau diese Daten, die sie an Pharmafirmen weitergeben.
freischalten
Alle Testergebnisse für Webportale zur Ahnenforschung-
- Der Umgang mit Daten ist jetzt in der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) geregelt. Wir erklären, welche neuen Rechte sie Verbrauchern gibt.
-
- Unser Cloud-Speicher-Vergleich zeigt, welche Dienste schnell und günstig sind. Empfehlen können wir nicht alle: Manch Datentransfer tröpfelt. Ein Anbieter ist mangelhaft.
-
- Laut einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs könnten Versicherte zukünftig interne Vermerke oder Korrespondenzen erhalten, wenn sie von ihrer Versicherung Auskunft...
Diskutieren Sie mit
Nur registrierte Nutzer können Kommentare verfassen. Bitte melden Sie sich an. Individuelle Fragen richten Sie bitte an den Leserservice.
Kommentarliste
Nutzerkommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.
Sie weisen zurecht darauf hin, dass man mit der zum Test an Dritte weitergegebenen DNA viel über sich und auch seine Verwandten preisgibt.
Insofern verwundert es mich, dass Sie das Thema Datenschutz in den letzten Absätzen des Artikels, in denen es um die Möglichkeiten der Anlage ganzer Stammbäume geht, unerwähnt lassen. Meines Erachtens nach müsste vor einer Erfassung von weiteren Personen im Stammbaum jeweils deren individuelles Einverständnis dafür eingeholt werden, deren Daten auf einem fremden Server abzulegen. Zumal ich ja nicht weiß, welche Daten außer dem Namen und den Beziehungen zu anderen Personen dort erfasst werden können. (Geburtsdatum und -ort, aktuelle Adresse, Telefonnummern, E-Mail-Adressen, ...). Je mehr dort gespeichert wird, desto größer ist z.B. das Risiko eines Identitätsdiebstahls im Falle eines Datenlecks.
Kommentar vom Autor gelöscht.
@tamsel: Bei Nebula können wird die DNA vollständig sequenziert und die Rohdaten können heruntergeladen werden.
Wie schon beschrieben, sind die Angebote bei Pro und Elite einfach umfangreicher. Inwiefern sich der Essential Ancestry Report vom Advanced Ancestry Report unterscheidet oder auch andere Unterschiede zwischen den Paketen haben wir nicht untersucht.
Vielen Dank für den spannenden Artikel. Sind Download und Analyse der DNA-Gesamtdaten bei Nebula bereits im Essential-Paket zur Verwendung bei anderen Anbietern enthalten? Mit dem ausbleibenden Zugriff auf deren Analyse-Tools könnte ich in dem Fall leben, aber die Unterschiede in den Paketen sind für mich angesichts des erheblichen Preisunterschieds schwer greifbar. So fehlt laut Hersteller beim Essential-Paket die Identifikation seltener genetischer Mutationen - wenn diese anhand der zur Verfügung gestellten Daten an anderer Stelle möglich wäre, wäre das Paket als solches ja hinnehmbar.
Tolle Sache, da steckt man ein Wattestäbchen in den Hals und nachdem man ein paar Scheine dazu geworfen hat, bekommt man die Info, mit wem man so alles verwandt ist.
Es ist mir ziemlich wumpe.
Es ist mir auch deswegen egal, weil ich nicht beim Kaugummi an die Hecke pinkeln über meine DNA erwischt werden will. Denn eines schönen Tages, man hat ja nichts zu verbergen.