Gesetzliche Kranken­versicherung

Ärger mit der Kasse – so können Sie sich wehren

Gesetzliche Kranken­versicherung - Alle Infos zum Thema Krankenkassen

Nicht hinnehmen. Lehnt die Kasse eine Leistung ab, sollten Versicherte wider­sprechen. © mauritius images / Westend61 / Robert Kneschke

Mühsam, aber oft lohnend: Wer Ärger mit der Krankenkasse hat, kann sich wehren. Diese Anleitung zeigt Schritt für Schritt, wie Versicherte ihre Ansprüche geltend machen.

So können Versicherte sich wehren

Wer mit einer Entscheidung der gesetzlichen Kranken- oder Pflegekasse nicht einverstanden ist, kann dagegen Wider­spruch einlegen.

Gesetzliche Kranken­versicherung - Alle Infos zum Thema Krankenkassen

© Stiftung Warentest / René Reichelt

1. Antrag gut vorbereiten und begründen

Viele Ablehnungen lassen sich vermeiden: Halten Sie Ihre Ärzte an, aussagekräftige Verordnungen und Atteste zu schreiben. Die medizi­nischen Befunde und Ihre Lebens­situation müssen für die Kranken­versicherungen nach­voll­zieh­bar sein. Aus welchen medizi­nischen Gründen brauchen Sie ein spezielles Hörgerät und kein Stan­dard­modell? Droht erneute Kranken­haus­einweisung oder Pflegebedürftig­keit, wenn Sie nach der Operation keine Reha bekommen?
Hinweis: Neben Ihren Ärzten können auch Kliniken, Sanitäts­häuser, Pflege­dienste oder Hörgeräte­akustiker Tipps für die Argumentation gegen­über der Krankenkasse geben.

2. Kasse verpasst Frist - Antrag gilt als vorläufig genehmigt

Die Krankenkasse hat drei Wochen nach Erhalt Ihres Antrags Zeit, zu reagieren. Wird eine gutachterliche Stellung­nahme einge­holt, insbesondere vom Medizi­nischen Dienst, dann hat die Krankenkasse fünf Wochen Zeit zu antworten. Bislang galt: Ließ die Kasse diese Frist verstreichen ohne zu antworten, galt die Leistung als genehmigt, auch das Bundes­sozialge­richt hat diese sogenannte Genehmigungs­fiktion bislang sehr versichertenfreundlich ausgelegt. Es wertete die Untätigkeit der Kasse wie einen Bescheid zugunsten der Versicherten, von dem die Kasse nicht mehr zurück­treten kann. Außerdem konnten sich Versicherte mit ihrer Versichertenkarte zum Beispiel operieren lassen oder einen Spezialroll­stuhl bestellen, ohne die Kosten vorstre­cken zu müssen. Mit einem Urteil vom Mai 2020 (Az. B 1 KR 9/18 R) voll­zogen die obersten Sozial­richter eine Kehrt­wende. Die Genehmigung gilt jetzt nur noch vorläufig, die Kasse kann also nach Ablauf der Antwort­frist noch eine Ablehnung nach­schieben. Hat sich der Versicherte aber in der Zwischen­zeit die Leistung selbst beschafft, bekommt er sie erstattet.

3. Recht­zeitig Wider­spruch einlegen

Erhalten Sie recht­zeitig eine schriftliche Ablehnung, haben Sie ab diesem Zeit­punkt einen Monat Zeit zu wider­sprechen. Dann muss der Wider­spruch bei der Kasse einge­gangen sein. Um die Frist zu wahren, reicht ein von Hand unter­schriebener Brief, den Sie am besten per Einschreiben an die Krankenkasse schi­cken. Per Telefon oder Mail ist der Wider­spruch nicht gültig. Schreiben Sie,

  • gegen welchen Bescheid Sie Wider­spruch einlegen (Datum, Aktenzeichen),
  • dass Sie beantragen, den Ablehnungs­bescheid aufzuheben und die Kosten zu über­nehmen,
  • begründen Sie ihren Wider­spruch (siehe nächsten Absatz)

Wider­spruch gut begründen

Auch wenn es gesetzlich nicht vorgeschrieben ist, sollten Sie den Wider­spruch ausführ­lich begründen – also auch Unterlagen von Ärzten und anderen Behand­lern mit einreichen. Wenn Sie dies aber nicht in der erforderlichen Frist von einem Monat schaffen, können Sie den Wider­spruch zunächst ohne Begründung zur Kasse schi­cken. Schreiben Sie dann aber unbe­dingt, dass Sie eine ausführ­liche Begründung nach­reichen. Nennen Sie der Krankenkasse einen zeit­nahen konkreten Termin, den Sie einhalten können.

Hinweis: Wenn Sie die Frist ohne Schuld versäumen, etwa weil Sie verreist waren, teilen Sie das der Krankenkasse umge­hend mit und legen Sie sofort Wider­spruch ein. Übrigens: Die Monats­frist gilt nur, wenn Sie im Ablehnungs­schreiben über Ihr Wider­spruchs­recht aufgeklärt wurden. Fehlt dieser Hinweis, haben Sie ein ganzes Jahr Zeit zu wider­sprechen.

4. Hilfe holen, Informationen sammeln

Beratung bieten Selbst­hilfe­gruppen, die Verbraucherzentralen, aber auch die Versicherten­ältesten, die es bei vielen Krankenkassen gibt. Recht­lichen Beistand für ihre Mitglieder bieten die Sozial­verbände VdK, Sozialverband Deutschland und viele Gewerkschaften. Sie können auch zum Anwalt gehen, am besten zu einem Fach­anwalt für Sozialrecht.

Tipp: Die Kranken­versicherung muss Ihnen bei Erfolg des Wider­spruchs auch Beratungs­kosten erstatten. Sie müssen dabei nach­weisen können, ob und inwieweit die Aufwendungen wie Beratungs­kosten oder die Hinzuziehung eines Anwaltes oder Bevoll­mächtigten notwendig waren. Nur wenn Sie schlüssig begründen, dass die Unterstüt­zung notwendig war, um Ihre Rechte durch­zusetzen, über­nimmt die Krankenkasse die Beratungs­kosten bei erfolg­reichem Wider­spruch. Auch die Höhe der Kosten muss zum Umfang der erforderlichen Unterstüt­zung in einem angemessenen Verhältnis stehen.

5. Wichtiges nur schriftlich klären

Falls Sie Anrufe von Ihrer Krankenkasse erhalten, bieten Sie an, fehlende Unterlagen nachzureichen, um Ihr Anliegen zu begründen. Lassen Sie sich aber nicht über­reden, Ihren Wider­spruch zurück­zuziehen. Auch dann nicht, wenn Ihnen eine „kulante Lösung“ in Aussicht gestellt wird. Auf mündliche Zusagen können Sie sich im Zweifels­fall nicht berufen.

Oft führt ein Wider­spruch zum Erfolg. Bleibt die Krankenkasse bei aber trotz Wider­spruch bei ihrer ablehnenden Auffassung, entscheidet ein Wider­spruchs­ausschuss der jeweiligen Krankenkasse, der sich aus deren ehren­amtlichen Versicherten- und Arbeit­geber­vertretern zusammensetzt. Bleibt auch der Wieder­spruchs­ausschuss bei einer Ablehnung, erlässt er einen so genannten Wider­spruchs­bescheid.

6. Wo Sie sich beschweren können

Haben Sie den Eindruck, dass die Krankenkasse Ihnen Rechte vorenthält oder die Bearbeitung Ihres Falles ungebühr­lich lange dauert? Beschweren Sie sich bei der Aufsichts­behörde, dem Bundesamt für Soziale Sicherung in Bonn. Bleibt Ihr Wider­spruch ohne zureichenden Grund mehr als drei Monate ohne Antwort, erheben Sie Untätigkeits­klage beim Sozialge­richt. Auch an die Patientenbeauftragte der Bundesregierung können Sie sich wenden. Falls Sie das Verhalten von Kassen­mit­arbeitern als unan­gemessen empfinden, schreiben Sie außerdem an den Vorstand Ihrer Kranken­versicherung.

7. Klage beim Sozialge­richt besser mit Anwalt

Wird Ihr Wider­spruch im Wider­spruchs­bescheid endgültig von der Krankenkasse abge­lehnt, haben Sie wiederum einen Monat Zeit, um dagegen beim Sozialge­richt zu klagen. Ein Anwalt ist nicht vorgeschrieben, Sie dürfen sich selbst vertreten. Da das Sozialrecht sehr kompliziert ist, ist ein Rechts­beistand jedoch ratsam. Die Honorare sind gesetzlich begrenzt, Gerichts­gebühren fallen nicht an. Sozial­gerichts­verfahren können mehrere Jahre dauern. In dringenden Fällen kann das Gericht eine Eilentscheidung treffen, etwa wenn Ihnen erhebliche gesundheitliche Nachteile drohen. Ansonsten müssen Sie Hilfs­mittel oder andere Leistungen zunächst selbst bezahlen. Sammeln Sie alle Belege – auch die Rechnungen des Anwalts. Wenn Sie vor Gericht gewinnen, muss die Kranken­versicherung diese Auslagen erstatten. Umge­kehrt brauchen Sie die Gerichts­gebühren und die gegnerischen Kosten nicht zu tragen, falls Sie verlieren.

8. Der Weg durch die Instanzen

Auch nach einer Nieder­lage beim Sozialge­richt ist noch nicht aller Tage Abend. Sie können Berufung beim Landes­sozialge­richt einlegen. Wenn es um eine grund­sätzliche Frage geht, könnte es bis zum Bundes­sozialge­richt gehen.

9. Neuer Antrag jeder­zeit möglich

Sie können aber auch einfach einen neuen Antrag bei der Krankenkasse stellen. Das ist dann sinn­voll, wenn sich in der Zwischen­zeit neue Aspekte ergeben haben, die in Ihrem ersten Antrag noch keine Rolle spielten.
Tipp: Wenn Sie unzufrieden mit Ihrer Krankenkasse sind, können Sie zu einer anderen Krankenkasse wechseln. Jede Kasse muss Sie aufnehmen, auch wenn Sie krank sind oder schon älter. Unser Krankenkassenvergleich nennt die Beitrags­sätze und Extraan­gebote von derzeit 68 geöff­neten Krankenkassen.

Mehr zum Thema

91 Kommentare Diskutieren Sie mit

Nur registrierte Nutzer können Kommentare verfassen. Bitte melden Sie sich an. Individuelle Fragen richten Sie bitte an den Leserservice.

Kommentarliste

Nutzer­kommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.

  • Sinna2010 am 14.03.2025 um 11:44 Uhr
    Keine Antwort seit 4 Monaten

    Steuerbescheid im November 24 eingereicht. Keine Antwort, nichts. Februar telefonisch nachgefragt. Ach, die Kollegen sind tatsächlich in Verzug. Das dauert mindestns noch 2 Monate.
    Der volle Betrag für Soloselbständige wurde im ersten Rentenmonat noch abgezogen und einbehalten. Sollte nach telefonischer Auskunft im Folgejahr verrechnet werden. Schriftlich bekommt man vonn der **hkk** keine Auskunft. Seither keine Informationen, keine Abrechnung.
    Krankenkasse gewechselt !
    Bleibt nur die Untätigkeitsklage ?

  • Profilbild Stiftung_Warentest am 07.10.2024 um 10:56 Uhr
    Verdienstgrenze für Familienversicherung

    @Wärempumpe: Die 538 Euro sind die Obergrenze. Bis zu dieser Grenze darf jemand verdienen, ohne aus der Familienversicherung herauszufallen. Das gilt auch, wenn zum Beispiel 500 Euro aus dem Minijob stammen und 35 Euro andere Einkünfte dazukommen, wie zum Beispiel aus einer Vermietung.

  • Wärmepumpe am 18.09.2024 um 09:25 Uhr
    Verdienstgrenze für Familienversicherung

    Wie ist der Satz "Bei einem Minijob sind bis zu 538 Euro Verdienst möglich." genau zu verstehen ?
    Ist dann 538 EUR statt 505 EUR die Obergrenze für das Gesamteinkommen ?
    Oder gelten die 538 EUR nur dann, wenn Einkommen ausschließlich mit dem Minijob erzielt wird ?
    Was gilt, wenn neben dem Minijob noch z. B. Gewinne aus Vermietung erzielt werden ?
    Bsp:
    Minijob 503 EUR + Gewinn aus Vermietung 31 EUR.
    Familienversicherung möglich weil das Gesamteinkommen i. H. v. 534 EUR unter 538 EUR liegt ?
    ODER
    Familienversicherung nicht möglich weil das Gesamteinkommen i. H. v. 534 EUR über 505 EUR liegt ?
    Hintergrund:
    Von verschiedenen GKK erhalte ich zu dieser Frage verschieden Aussagen.
    • TK: Auskunft entspricht der oberen Lesart im o. g. Beispiel.
    • BKK Firmus: Auskunft entspricht der unteren Lesart im o. g. Beispiel.
    Welche der beiden Lesarten ist nun die richtige ?
    Wo steht es in welchem Gesetz (SGB oder Verordnung) ?

  • Bitterli54xi am 04.08.2024 um 16:50 Uhr

    Kommentar vom Administrator gelöscht. Grund: wegen Dopplung

  • Bitterli54xi am 04.08.2024 um 10:48 Uhr
    Aufklärung? Fehlanzeige

    Warum kann man als gesetzlich Krankenversicherter so einfach die Kasse wechseln, selbst wenn man schwer krank ist und die Kasse jedes Jahr Millionen von Euro ausgeben muss für die Behandlung und für Medikamente? Davon schweigt test.de In der Privaten Versicherungswirtschaft kann man die Feuerversicherung nicht wechseln, wenn das Haus schon brennt. Wieso geht das also bei gesetzlichen Krankenkassen? Und was hat das alles mit den netten, aber kleinen Zusatzleistungen in Ihrem Kassenvergleich zu tun? Test klärt darüber nicht auf. Warum nicht? Müsste test.de dann eingestehen, dass dieser ganze aufwändige Kassenvergleich zugleich eine Selbsttäuschung der Testler wie eine unverantwortliche Täuschung der Leser ist,
    weil all die netten, differenzierenden Zusatzleistungen meist nur Marketinginstrumente sind, um Versicherte mit guter Gesundheit anzulocken? Morbiditätsorientierter Risikostrukturausgleich? Test schweigt. Qualität medizinischer Hotlines? Schweigen. Krankenhausnavigator? Stille.