Sprachen lernen Falsche Versprechen vom Papagei

Sprachen lernen - Falsche Versprechen vom Papagei

Eine Sprache nebenbei lernen, indem man Filme im Original schaut? Schön wär’ s. Doch genau mit so einem Konzept wirbt das Sprach­lernportal Papagei.tv. test.de hat das Angebot unter die Lupe genommen und kommt zum Schluss: Das klappt nicht.

Das Angebot von Papagei.tv

Papagei.tv ist ein Portal im Internet, das Videos, Kino­filme und Fernseh­serien zum Sprachen­lernen bereit stellt. Zurzeit bieten die Macher die Sprachen Eng­lisch für deutsche Mutter­sprachler und Deutsch für türkische und russische Mutter­sprachler an. test.de hat das Angebot für Eng­lisch­lerner geprüft. Im Mittel­punkt des Portals stehen Video-Clips – laut Papagei.tv „viele tausend“. Nutzer können sie aus verschiedenen Themen­bereichen wählen, zum Beispiel „News“, „Boulevard & Beauty“, „Kultur & Geschichte“ oder „Wissenschaft & Technik“. Bei den Clips handelt es sich um keine von Papagei.tv produzierten Beiträge, sondern um Originalbeiträge, etwa von Nach­richten­agenturen wie Associated Press oder Fernsehsendern wie BBC. Die Mitschnitte dauern wenige Minuten und sind auf drei Niveau­stufen zu haben: leicht, mittel und schwer.

So soll das Konzept funk­tionieren

Wer ein Video startet, kann wahl­weise deutsche oder eng­lische Unter­titel zuschalten, beide auch gleich­zeitig. Außerdem können Nutzer das Abspieltempo selbst steuern und den Film zum Beispiel anhalten. Mit einem Klick lässt sich das Gesprochene – Satz für Satz – beliebig oft wieder­holen. Dazu gibt es eine Liste mit einigen Vokabeln, eine Übung in Form eines Lücken­textes, den Zugriff auf ein digitales Wörter­buch von Pons und häufig auch einen Aussprachetrainer mit Sprach­erkennung. Damit können Nutzer gesprochene Texte aufzeichnen und ein Feedback auf ihre Aussprache bekommen. Absol­vierte Übungen, Vokabeln und Favoriten unter den Videos können Nutzer individuell auf einer Profilseite abspeichern. Dort haben sie auch Zugriff auf einen Vokabeltrainer.

Die Kosten: 5,99 Euro für 30 Tage

Kostenlos können zurzeit etwa 35 Videos angeschaut werden, allerdings mit einge­schränkten Portal­funk­tionen. Für mehr Auswahl muss man sich auf der Website registrieren. Auch das ist kostenfrei. Wer auf alle Videos samt Funk­tionen zugreifen möchte, muss Premium-Kunde werden. Für 30 Tage werden 5,99 Euro fällig. Ein Drei­monats­abo ist für 4,99 Euro, ein Sechs­monats­abo für 3,99 Euro monatlich zu haben. Spielfilme und Fernseh­serien kosten extra. So fallen zum Beispiel für ein Paket aus vier Filmen bei 30-tägiger Nutzung 9,99 Euro an. Achtung: Das Abo verlängert sich, wenn es nicht recht­zeitig gekündigt wird.

Haupt­kritik: Falsche Versprechen

Was nicht in Ordnung ist: Der Anbieter macht auf Basis einer zweifelhaften Lern­methode falsche Versprechen. Auf der Website heißt es zum Beispiel: „,Sprachen fliegen dir zu‘, ohne Grammatik pauken oder Vokabeln büffeln zu müssen – ganz einfach durch Sehen, Hören und Lesen unserer Beiträge.“ Das Geheimnis des Lern­erfolgs sei das „3i-Lern­system“: Danach tauchen die Nutzer beim Anschauen der Videos in die Fremd­sprache ein (Immersion). Sie lernen, indem sie ihre Lieblings­themen auswählen, die Geschwindig­keit des Videos steuern, einzelne Sätze wieder­holen und ihre Aussprache üben (Inter­aktion). Weiter versprechen die Macher: Die Sprache werde „nahezu unbe­wusst“ und ganz ohne Anstrengung gelernt (Intuition).

Unge­eignete Lehr­methode

Die Methode hat Papagei.tv zwar aus Elementen der Fachdidaktik entwickelt, doch ist sie weder dazu geeignet, die Leistungs­versprechen einzulösen, noch ist sie seriös. Da nützt es auch nichts, dass Finanz­unternehmer Carsten Masch­meyer einen zwei­stel­ligen Millionen­betrag in Papagei.tv investiert hat und sich in einer Presse­mitteilung des Anbieters von dessen didaktischem Konzept über­zeugt zeigt. Erwachsene können eine Sprache nicht intuitiv und mühelos in ihrem Gehirn verankern allein durch das Ansehen von Filmen. Immersion, das Eintauchen in eine Fremd­sprache, funk­tioniert bei Erwachsenen in der Regel nur dann, wenn sie sich für einen längeren Zeitraum im Land ihrer Ziel­sprache aufhalten, dort arbeiten oder studieren. Und unter Inter­aktion verstehen Fremd­sprachendidaktiker den Austausch mit anderen Personen in der Fremd­sprache. Etwas ganz anderes also als die Papagei.tv-Macher.

Unsauber über­setzte Unter­titel

Auch der Blick auf die gebotenen Portal­funk­tionen enttäuscht: Das Übungs­material ist eher dürftig und reicht für einen systematischen Sprach­erwerb nicht aus. Die Übungen sind zudem nicht in jedem Fall sorgfältig aufbereitet. Zum Beispiel ist im Lücken­text zum Video „History of the Euro Currency and the Eurozone“ dreimal das Wort „currency“ (auf Deutsch: Währung) einzusetzen. Was sollen die Nutzer dabei lernen? Die Unter­titel sind zudem teil­weise unsauber über­setzt. So heißt es etwa im Video-Clip über die Debatte der Kandidaten für die amerikanische Vize­präsident­schaft: „Der Vize­präsident unterbrach ständig und machte Gesichts­ausdrücke.“

Aussprachetrainer funk­tionierte nicht

Weiteres Manko: Der Aussprachetrainer funk­tionierte im Test­zeitraum nicht. Drei Versuche an drei verschiedenen Tagen scheiterten. Jedes Mal hieß es: „Alle Zugänge zur Sprachen­analyse sind belegt, bitte versuchen Sie es später noch einmal.“ Seriöse Anbieter bieten zudem einen Einstufungs­test, um einen pass­genauen Einstieg ins Lernen zu ermöglichen, häufig mit Bezug auf den Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen und seine sechs Niveau­stufen. So etwas fehlt bei Papagei.tv. Kleiner Licht­blick: Wer seinen Wort­schatz erweitern will, bekommt mit dem digitalen Wörter­buch und dem Vokabeltrainer gute Hilfe­stel­lungen.

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Kommentarliste

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  • Profilbild Stiftung_Warentest am 18.03.2013 um 14:58 Uhr
    Kommentar gelöscht...

    ...wegen Schleichwerbung.

  • seoler am 17.03.2013 um 21:47 Uhr

    Kommentar vom Administrator gelöscht.

  • MonoIith am 12.11.2012 um 11:38 Uhr
    Gibt es da nich schon einige solcher Portale?

    Das hier beschriebene Konzept erinnert mich beispielsweise sehr an edustation.me - auch viel Material, Videos usw. mit Untertiteln, learning by doing, und die Mankos kommen mir auch bekannt vor :). Nur ist edustation kostenlos - und Filme schaue ich mir im Original auf DVD an, die gibt es auch mit (guten) Untertiteln.
    Aber vielleicht entwickelt sich Papagei ja noch, wenn so viel Geld reingesteckt wird, muss am Ende auch was bei rauskommen - nur diese 5 Euro schrecken doch von der Nutzung etwas ab.

  • fmeier am 05.11.2012 um 22:13 Uhr
    Schlecht recherchiert...

    Ich habe mir das Portal angesehen und nutze es seit ein paar Tagen zum Auffrischen meiner Englisch Kenntnisse. Darauf gekommen bin ich bei einer Skandinavien Reise. In Skandinavien werden Spielfilme nicht synchronisiert. Es werden nur die Untertitel angezeigt. Die Skandinavier sprechen aber alle sehr gut Englisch... Da kommt man doch zu dem Schluss, dass es sehr wohl sinnvoll ist, wie im Tip2 angesprochen, über Originalbeiträge eine Sprache lernen bzw verbessern zu können. Ich halte das Angebot für nicht unseriös, da man sich die Videos kostenfrei mit Untertiteln in Original- als auch Übersetzung ansehen kann. Dazu musste ich mich lediglich registrieren. Was will ich mehr. Ich lese gerne die Tests von Stiftung Warentest. In diesem Fall muss ich aber sagen, dass ihr Tester sehr schlechte Arbeit geleistet hat.
    Ich bin davon überzeugt, wie Herr Reinhardt es oben schon angesprochen hat, dass mit der finanziellen Unterstützung ein gut funktionierendes und erfolgreiches Portal daraus wird.

  • doppelmueller am 05.11.2012 um 19:18 Uhr
    Untertitel in der Originalsprache sind besser

    Ich praktiziere das schon seit einigen Jahren, meine Sprachkenntnisse durch untertitelte Originalfilme zu trainieren. Ich habe allerdings die Erfahrung gemacht, dass dabei Untertitel in der Originalsprache sinnvoller sind. Bei deutschen Untertiteln muss das Gehirn ständig zwischen der Fremdsprache und Deutsch umschalten, das führt am Ende zu gar nichts. Untertitel in der Originalsprache helfen einem dagegen, die Fremdsprache besser zu verstehen. Man bleibt in der fremden Sprache und kann seinen Wortschatz wirklich vertiefen.
    Dazu brauche ich aber kein Portal für vier bis sechs Euro monatlich. Und dass Masch­meyer bei Papagei.tv involviert ist, wäre für mich ein zusätzlicher Grund, die Finger von diesem Angebot zu lassen.