Krebserzeugendes Radon kommt aus Urangestein im Boden. Weil sich niemand verantwortlich fühlt, müssen Betroffene für die Sanierung selbst aufkommen.
Gerhard Kerber*) aus Schwarzenholz im Saarland hat Angst: In seinem Haus wurden erhöhte Konzentrationen von Radon gemessen. Das unsichtbare, geruchlose Gas kann Lungenkrebs erzeugen. Es entsteht tief im Untergrund, im uranhaltigen Gestein. Über Spalten und Klüfte im Boden breitet es sich aus und gelangt schließlich durch undichte Keller ins Haus. Oft sind die Klüfte im Gestein natürlichen Ursprungs. Manchmal allerdings werden sie auch vom Bergbau verursacht. So liegen Gerhard Kerber zwei Gutachten vor. Sie belegen, dass die Klüfte unter seinem Haus allein "durch Zerrungseinwirkungen des Bergbaus entstanden sein müssen".
Ursache Urangestein
Hohe Radonwerte wie im Haus von Gerhard Kerber sind kein Einzelfall: Das zeigen die Messungen der Stiftung Warentest in 388 Wohnhäusern. Auf der großen Karte auf der nächsten Seite haben wir kenntlich gemacht, aus welchen Regionen Deutschlands wir oft Proben mit hohen Radongehalten erhielten. Belastungsschwerpunkte ermittelten wir im Wesentlichen dort, wo auch viel Radon im Untergrund vorhanden ist. Das zeigt der Vergleich mit Radonmessungen von Wissenschaftlern der Universität Bonn in der Bodenluft.
Zu den betroffenen Regionen zählen vor allem die ehemaligen Uranabbaugebiete in Sachsen und Thüringen. Im Saarland, wo Steinkohle abgebaut wird, sind hohe Werte vereinzelt aufgetreten.
Das heißt aber nicht, dass der Bergbau allein Ursache für die hohen Konzentrationen ist. In diesen Gebieten kommt vielmehr Uran oder Thorium im Untergrund vor. Auch ohne zusätzliche Spalten und Klüfte, die der Bergbau reißt, kann Radon dann bis an die Oberfläche gelangen. Das zeigen Gebiete wie Schleswig-Holstein und der Bayerische Wald, wo nicht in großem Umfang Bergbau betrieben wird.
Umgekehrt gilt aber auch: Der Bergbau ist nicht unbedingt ein Indiz für hohe Radonwerte. Die Karten zeigen in der klassischen Bergbauregion Ruhrgebiet bisher keine allzu hohen Werte. Hier ist der Boden nicht so uranhaltig und durchlässig wie etwa im Erz- und Fichtelgebirge und im Thüringer Wald.
Zwischen den Karten gibt es trotz der weitgehenden Übereinstimmung auch Unterschiede. So stellten wir zum Teil hohe Konzentrationen in den Postleitzahlregionen 82 und 83 fest. Aus der Bodenkarte der Geologen ist das nicht unbedingt abzulesen. Vereinzelt fanden wir hohe Werte auch in anderen, eigentlich "unverdächtigen" Gebieten. Das kann an der Bauart der Häuser liegen: Die Nachfrage bei einem Betroffenen in der Postleitzahlregion 56 ergab, dass die Wände in seinem Keller aus Felsen bestehen. Ein anderer Befragter aus der Region 83 gab den durchlässigen Kiesuntergrund als mögliche Ursache für hohe Radonwerte an. Daneben gibt es Regionen, aus denen wir nicht genügend Messwerte erhielten, wo aber im Boden zum Teil hohe Radonkonzentrationen vorhanden sind.
200 Becquerel sind zu viel
Auf der test-Umweltkarte "Radon im Haus" ist vermerkt, wo Radonkonzentrationen von 200 Becquerel pro Kubikmeter Raumluft in der Wohnung erreicht wurden. Die Europäische Kommission empfiehlt, neue Häuser so zu bauen, dass diese Konzentration nicht überschritten wird. Das geht zum Beispiel, indem das Fundament gut abgedichtet wird. Ab 400 Becquerel je Kubikmeter in Wohnungen empfiehlt die Kommission, die Bevölkerung über die Radonwerte und wirkungsvolle Gegenmaßnahmen zu informieren. Das Bundesumweltministerium rät auch schon ab 200 Becquerel pro Kubikmeter Raumluft zu baulichen Maßnahmen, etwa Risse im Kellerboden abzudichten.
Wichtig: Die Werte sind keine medizinischen Grenzwerte. Sie bedeuten nicht, dass keine Gefahr besteht, wenn sie eingehalten werden. Das Lungenkrebsrisiko steigt linear mit dem Radongehalt neueren Studien zufolge um etwa zehn Prozent, wenn die Konzentration um 100 Becquerel je Kubikmeter Raumluft zunimmt. Auch bei geringen Konzentrationen besteht ein Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken.
Mehr Hilfe ist erforderlich
Wir haben alle Leser mit höheren Konzentrationen als 200 Becquerel pro Kubikmeter im Wohnraum angeschrieben und gefragt, ob ihre Häuser ungenügend abgedichtet sind und was sie gegen die hohen Radonwerte unternommen haben. Erstaunlich: Zum Teil wohnen die Betroffenen in Neubauten, wo das Risiko wegen verbesserter Bauweisen eigentlich gering sein sollte. Viele haben einen betonierten Keller. Beton allein ist also kein sicherer Radonschutz. Besser jedoch noch als bloßer Erdboden, wie er zum Beispiel in vielen Weinkellern vorhanden ist etwa in dem Haus, wo unsre Messungen den bisher höchsten Wert von 1.556 Becquerel je Kubikmeter Raumluft nachgewiesen haben.
Viele der Betroffenen unternehmen etwas gegen die hohen Radonwerte: Die meisten lüften mehr oder benutzen die betroffenen Räume weniger, manche haben den Kellerboden abgedichtet oder Lüftungsanlagen installiert. Besonders wenn hohe Konzentrationen auftraten, ließen sich einige von Bausachverständigen beraten. Die empfahlen dann in der Regel umfangreiche Baumaßnahmen. Von einer tatsächlichen Komplettsanierung berichtete allerdings keiner der Betroffenen. Sie schrecken vor den Kosten zurück, die im Altbau mehrere Zehntausend Mark betragen können. Bisher ist die Sanierung auch bei hohen Radonwerten nicht Pflicht. Und leider müssen die Geschädigten fast immer selbst zahlen. Zuschüsse gibt es bisher nur in Sachsen (bis zu 30 Prozent der Sanierungskosten) und vorerst auch nur bis Ende des Jahres. Über eine Verlängerung war bei Redaktionsschluss noch nicht entschieden. Dabei wäre eine weitere und höhere staatliche Unterstützung sehr sinnvoll. Und auch andere Bundesländer sollten mit Zuschüssen für Baumaßnahmen nachziehen.
Statt Hilfe gibt es für die Betroffenen meist nur Ärger. So hat Gerhard Kerber ein Angebot für einen Radonbrunnen unter dem Haus, der mehr als 17.000 Mark kosten soll. Der Brunnen würde radioaktives Radon schon unter dem Kellerboden absaugen sodass es erst gar nicht ins Haus gelangt. Fördergelder gibt es dafür nicht. Und die Deutsche Steinkohle AG, die den Bergbau im Saarland betreibt, weigert sich, die Kosten für den Radonbrunnen zu übernehmen. Sie bestreitet einen Zusammenhang zwischen den gemessenen Kurzzeitwerten und bergbaulichen Einwirkungen trotz anders lautender Gutachten.
*) Name von der Redaktion geändert
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