Wirkungsweise
Die Wirkung von Tocilizumab bei rheumatoider Arthritis beruht darauf, dass es die Aktivität von Interleukin-6 blockiert. Dieses Eiweiß wird von einer Vielzahl von Zellen produziert und ist an verschiedenen Prozessen der Zellen beteiligt. Unter anderem fördert es Entzündungsreaktionen. Bei rheumatoider Arthritis wird vermehrt Interleukin-6 gebildet.
Die Endsilbe "mab" beim Wirkstoffnamen macht deutlich, dass die Substanz Tocilizumab zur Gruppe der gentechnisch hergestellten monoklonalen Antikörper gehört. "Mab" steht für "monoclonal antibody".
Tocilizumab sollte bei mäßiger bis schwerer aktiver rheumatoider Arthritis erst eingesetzt werden, wenn Methotrexat oder andere Basismedikamente oder die Kombinationen dieser nicht ausreichend wirksam waren oder nicht vertragen wurden.
Wenn Methotrexat allein nicht ausreichend wirkt, sollte auch erst eine Kombination von Methotrexat mit einem TNF-alpha-Hemmstoff (Adalimumab, Etanercept, Golimumab, Infliximab) eingesetzt werden, bevor Tocilizumab angewendet wird. Unter diesen Voraussetzungen kann Tocilizumab als alleiniges Medikament oder zusammen mit Methotrexat angewendet werden. Es ist gesichert, dass die Kombination mit Methotrexat das Fortschreiten von Gelenkschäden verhindert und die Funktionsfähigkeit der Gelenke verbessert. Die Therapie mit Tocilizumab allein scheint dann aber weniger nützlich zu sein als diese Kombination. Tocilizumab alleine anzuwenden kommt daher in erster Linie infrage, wenn Methotrexat als Kombinationspartner nicht eingesetzt werden kann. In dieser Situation ist Tocilizumab einer Studie ist zufolge etwas besser wirksam als der TNF-alfa-Hemmstoff Adalimumab. Allerdings ist fraglich, ob dieser Unterschied für den Patienten von Bedeutung ist.
Da Tocilizumab ein relativ neuer Wirkstoff ist, ist noch nicht geklärt, wie der Körper auf eine Langzeitbehandlung reagiert. Es gibt jedoch Hinweise, dass Infektionen, Blutbildveränderungen und Störungen der Leberfunktion bei Tocilizumab häufiger auftreten als bei TNF-alpha-Hemmstoffen.
Tocilizumab wird als "mit Einschränkung geeignet" bewertet.
Anwendung
Tocilizumab wird entweder alle vier Wochen direkt in die Vene geleitet oder einmal pro Woche unter der Haut gespritzt.
Während der Behandlung müssen die Leberwerte und zwei Gruppen von Blutzellen (Granulozyten, Thrombozyten) regelmäßig überprüft werden. Die Leberwerte sollten in den ersten sechs Monaten der Behandlung alle vier bis sechs Wochen und anschließend alle drei Monate kontrolliert werden.
Achtung
Vor der Behandlung muss sicher geklärt sein, dass der Betreffende keine Tuberkulose hat. Eine Tuberkulose kann "aktiv" sein oder "latent", also unbemerkt vorliegen, weil die Erreger abgekapselt worden sind. Das Risiko für eine Infektion mit dem Erreger steigt mit abnehmender Immunabwehr, etwa bei alters- oder krankheitsbedingter Immunschwäche.
Für die Diagnose einer latenten Tuberkulose erfragt der Arzt die medizinische Vorgeschichte und macht bei Kindern unter 5 Jahren einen Tuberkulin-Hauttest und ansonsten einen immunologischen Tuberkulosetest aus dem Blut. Zudem wird eine Röntgenaufnahme des Brustkorbs gemacht. Wird eine inaktive Tuberkulose festgestellt, muss vor einer Therapie mit Tocilizumab zunächst eine Zeit lang ein Tuberkulosemedikament eingenommen werden. Dieses verhindert, dass die Krankheit während der Rheumabehandlung zum Ausbruch kommt. Die Behandlung mit Tocilizumab sollte frühestens beginnen, wenn das Tuberkulosemittel bereits ein bis zwei Monate eingenommen wurde. Am besten wäre es, wenn die Tuberkulosebehandlung vorher abgeschlossen wäre. Das kann allerdings sechs bis zwölf Monate dauern.
Gegenanzeigen
Während der Behandlung mit Tocilizumab dürfen Sie nicht mit einem Lebendimpfstoff geimpft werden. Dieser wird z. B. gegen Masern, Mumps, Röteln, Rotaviren, Windpocken und Gelbfieber eingesetzt. Bei dem durch Tocilizumab geschwächten Abwehrsystem kann der Impfstoff zu der Infektion führen, gegen die geimpft werden soll. Zudem wird der Impfschutz ungewiss.
Unter folgenden Bedingungen dürfen Sie nicht mit Tocilizumab behandelt werden:
- Sie haben eine Blutvergiftung oder einen Abszess.
- Sie haben Tuberkulose oder eine andere schwere Infektion, z. B. Hepatitis B oder eine Pilzinfektion im Körperinneren.
Unter folgenden Bedingungen muss der Arzt Nutzen und Risiken der Anwendung von Tocilizumab besonders sorgfältig abwägen:
- Sie hatten schon einmal eine Divertikulitis oder in Ihrem Bauchraum gibt es Geschwüre. Bauchschmerzen und unerklärliche Veränderungen bei der Verdauung sollten Sie vor einer Behandlung mit Tocilizumab abklären lassen.
- Sie haben oder hatten wiederkehrende oder chronische Infektionen oder bei Ihnen besteht eine erhöhte Gefahr für Infektionen. Das ist beispielsweise bei schlecht eingestelltem Diabetes oder einer Lungenfunktionsstörung der Fall. Wenn Sie am Tag der Infusion eine Infektion haben – das kann auch eine Erkältung sein –, sollte die Behandlung verschoben werden.
- Die Zusammensetzung Ihres Blutes ist fehlerhaft.
- Sie haben eine Leberfunktionsstörung.
Wechselwirkungen
Wechselwirkungen mit Medikamenten
Tocilizumab ist ein relativ neuer Wirkstoff, für den es bislang nur wenig Informationen über Wechselwirkungen gibt. Folgendes ist bereits bekannt:
- Durch Tocilizumab können Atorvastatin und Simvastatin (bei erhöhten Blutfetten) schneller abgebaut werden. Dann wirken sie nicht mehr ausreichend.
- Bei Impfungen mit einem Tot- oder Toxoid-Impfstoff (z. B. gegen Tetanus, Diphtherie, FSME) während der Therapie mit Tocilizumab kann es sein, dass kein ausreichender Impfschutz aufgebaut wird. Deshalb sollten Sie alle erforderlichen Impfungen vor der Behandlung durchführen lassen.
Unbedingt beachten
Tocilizumab kann die Wirkung der gerinnungshemmenden Mittel Phenprocoumon und Warfarin, die bei erhöhter Thrombosegefahr als Tabletten eingenommen werden, verstärken. Dadurch erhöht sich das Risiko für innere Blutungen. Näheres hierzu finden Sie unter Mittel zur Blutverdünnung: verstärkte Wirkung.
Nebenwirkungen
Bei Tocilizumab handelt es sich um einen relativ neuen Wirkstoff mit einem bisher noch nicht genutzten Wirkmechanismus. Daher ist unklar, ob bereits alle unerwünschten Wirkungen bekannt sind, wie bedeutsam sie sind und welche Folgen sie haben können.
Das Mittel kann Ihre Leberwerte beeinflussen, was Zeichen einer beginnenden Leberschädigung sein kann. Sie selbst bemerken in der Regel davon nichts, sondern es fällt nur bei Laborkontrollen durch den Arzt auf. Ob und welche Konsequenzen dies für Ihre Therapie hat, hängt sehr vom individuellen Fall ab. Bei einem lebensnotwendigen Medikament ohne Alternative wird man es oft tolerieren und die Leberwerte häufiger kontrollieren, in den meisten anderen Fällen wird Ihr Arzt das Medikament absetzen oder wechseln.
Keine Maßnahmen erforderlich
1 bis 10 von 100 Behandelten bekommen offene Stellen im Mund.
Innerhalb von 24 Stunden nach dem Ende der Infusion klagen ebenso viele über Kopfschmerzen und Schwindel.
Muss beobachtet werden
Tocilizumab vermindert die Abwehrkraft. Dadurch werden Sie anfälliger für Infektionen. Viren und Bakterien, die nach einer durchgemachten Infektion im Körper verbleiben (Windpockenvirus, Hepatitis-B-Viren, Herpesvirus, Tuberkulosebakterien), können reaktiviert werden und zu einer Erkrankung führen. Deshalb sollten Patienten vor Therapiebeginn auch auf diese Erreger hin untersucht werden.
Besonders die Zahl der weißen Blutkörperchen, die bei der Abwehr von Krankheitserregern eine wichtige Rolle spielen, nimmt ab. Dadurch werden Sie anfälliger für Infektionen. Bei mehr als 10 von 100 Behandelten treten Atemwegsinfektionen auf. Auch sehr schwerwiegende Infektionen wie Tuberkulose und Blutvergiftung kann es geben. Dann muss die Behandlung abgebrochen werden. Wenn Sie den Verdacht haben, dass Sie an einem Infekt leiden – z. B. durch plötzlich auftretendes Fieber –, sollten Sie umgehend, spätestens am nächsten Tag, den Arzt aufsuchen. Anzeichen für Tuberkulose sind anhaltender Husten, leichtes Fieber, Gewichtsverlust und Kräfteverfall. Auch bei Atembeschwerden sollten Sie unbedingt den Arzt aufsuchen. Es könnte sich um eine Lungenentzündung handeln. Die Atemprobleme können aber auch Folge einer unerwünschten Wirkung auf das Herz, das Immunsystem und verschiedene Körperfunktionen sein. Insbesondere bei Kindern, die ihre Beschwerden oft nicht präzise schildern können, müssen Sie auf Frühsymptome einer schwerwiegenden Infektion achten.
Wenn die Haut sich verstärkt rötet und juckt, reagieren Sie möglicherweise allergisch auf das Mittel. Bei solchen Hauterscheinungen sollten Sie einen Arzt aufsuchen, um zu klären, ob es sich tatsächlich um eine allergische Hautreaktion handelt und Sie ein Alternativmedikament benötigen. Allergische Reaktionen treten bei 1 bis 10 von 100 Personen auf, die Tocilizumab anwenden.
Auch bei Hautveränderungen wie Schuppen oder Wucherungen sollten Sie sich an einen Arzt wenden. Während der Behandlung mit Tocilizumab kommt es bei 1 bis 10 von 100 Behandelten zu einer Entzündung des Unterhautgewebes.
Gerötete, juckende, schmerzende Augen können auf einer Entzündung der Bindehaut oder der Augen allgemein beruhen (zwischen 1 bis 10 von 100 Behandelten). Halten die Beschwerden an oder kehren sie wieder, sollten Sie einen Augenarzt aufsuchen.
Bei mehr als 10 von 100 mit Tocilizumab Behandelten steigt der Cholesterinwert im Blut deutlich an. Mit gleicher Häufigkeit erhöht sich der Blutdruck.
Krampfartige Schmerzen, die in Rücken und Unterbauch ausstrahlen, können auf Nierensteine hindeuten. Sie treten bei 1 bis 10 von 1 000 Personen auf.
Bei 1 bis 10 von 100 Behandelten fallen bei den regelmäßigen Kontrolluntersuchungen erhöhte Leberwerte oder ein verändertes Blutbild (Abfall der Granulozyten und Thrombozyten) auf. Der Arzt entscheidet dann, ob die Medikamentendosierung angepasst oder die Behandlung unterbrochen werden soll.
Bei 1 bis 10 von 1 000 Behandelten tritt eine Unterfunktion der Schilddrüse auf. Die Symptome dafür bemerken oft die Menschen in der Umgebung als Erste: Antriebsarmut, Kälteempfindlichkeit, Konzentrationsschwäche, generelle Verlangsamung. Dann sollte der Arzt die Schilddrüsenfunktion überprüfen.
Sofort zum Arzt
Wenn Sie grippeartige Beschwerden haben, sich längere Zeit schlapp und müde fühlen, wenn Sie blass sind, Halsschmerzen, anhaltendes Fieber, Blutergüsse und Blutungen auftreten, kann es sich um eine Blutbildungsstörung handeln, die bedrohlich werden kann. Sie müssen dann umgehend den Arzt aufsuchen und das Blutbild kontrollieren lassen. Bei einer Behandlung mit Tocilizumab treten solche Störungen bei 1 bis 10 von 100 Behandelten auf.
Wenn sich schwere Hauterscheinungen mit Rötung, Schwellung und Quaddeln an Haut und Schleimhäuten sehr rasch (meist innerhalb von Minuten nach der Verabreichung) entwickeln und zusätzlich Luftnot, oder eine Kreislaufschwäche mit Schwindel und Schwarzsehen, oder Durchfälle und Erbrechen auftreten, kann es sich um eine lebensbedrohliche Allergie bzw. einen lebensbedrohlichen allergischen Schock (anaphylaktischer Schock) handeln. In diesem Fall muss die Behandlung mit dem Medikament sofort gestoppt werden und Sie notärztlich versorgt werden. Bei Tocilizumab wurden derartige Reaktionen bei 1 bis 10 von 1 000 Behandelten beobachtet.
Die oben beschriebenen Hauterscheinungen können in sehr seltenen Fällen auch erste Anzeichen für andere sehr schwerwiegende Reaktionen auf das Arzneimittel sein. Meist entwickeln diese sich während der Anwendung des Mittels nach Tagen bis Wochen. Typischerweise dehnen sich die Hautrötungen aus und es bilden sich Blasen ("Syndrom der verbrühten Haut"). Auch die Schleimhäute des gesamten Körpers können betroffen und das Allgemeinbefinden wie bei einer fiebrigen Grippe beeinträchtigt sein. Bereits in diesem Stadium sollten Sie sich sofort an einen Arzt wenden, denn diese Hautreaktionen können sich rasch lebensbedrohlich verschlimmern.
Das Mittel kann die Leber schwer schädigen. Typische Anzeichen dafür sind: eine dunkle Verfärbung des Urins, eine helle Verfärbung des Stuhlgangs oder es entwickelt sich eine Gelbsucht (erkennbar an einer gelb verfärbten Augenbindehaut), oft begleitet von starkem Juckreiz am ganzen Körper. Tritt eines dieser für einen Leberschaden charakteristischen Krankheitszeichen auf, müssen Sie sofort zum Arzt gehen. Solche Leberschäden zeigen sich bei etwa 1 von 1 000 Personen, die Tocilizumab einnehmen.
Bei Magen- oder Bauchschmerzen sowie Koliken oder Blut im Stuhl sollten Sie sofort medizinische Hilfe suchen. Es kann sich um eine Divertikulitis oder einen Darmdurchbruch handeln. Diese müssen sofort behandelt werden, um schwere Komplikationen zu vermeiden.*
Besondere Hinweise
Zur Empfängnisverhütung
Frauen, die schwanger werden können, sollten während der Behandlung mit Tocilizumab und noch drei Monate nach ihrem Ende eine Empfängnis sicher verhüten.
Für Schwangerschaft und Stillzeit
Tocilizumab sollte während der Schwangerschaft sicherheitshalber nicht angewendet werden. Es ist nur vertretbar, wenn der Arzt es für unbedingt erforderlich hält und andere Medikamente, zu denen auch TNF-alpha-Hemmstoffe gehören, nicht infrage kommen. Während der Behandlung mit Tocilizumab sollten Sie nicht stillen.
Wegen unzureichender Erfahrungen empfiehlt der Hersteller, während der Behandlung mit Tocilizumab nicht zu stillen, da geringe Mengen des Wirkstoffs in die Muttermilch übergehen können. Es wird aber angenommen, dass diese geringen Mengen bereits im Magen-Darm-Trakt des Kindes inaktiviert werden und somit keine Wirkung im Körper des Kindes entfalten. Daher kann Experten zufolge das Stillen auch akzeptabel sein, wenn die Behandlung der Mutter unbedingt erforderlich ist.
Für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren
Das Mittel ist bei speziellen rheumatischen Erkrankungen wie Polyarthritis auch für Kinder zugelassen. Wegen unzureichender Erfahrungen sollten allerdings Kinder unter einem Jahr nicht mit Tocilizumab behandelt werden. Bei älteren Kindern kann Tocilizumab eingesetzt werden, wenn nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) und Glucocorticoide nicht ausreichend wirksam waren. Auch Methotrexat sollte ausprobiert worden sein, bevor Tocilizumab angewendet wird. Danach kann die Behandlung mit Tocilizumab allein oder in Kombination mit Methotrexat erfolgen. Zuvor sollten die Kinder jedoch alle erforderlichen Impfungen erhalten haben.
Kinder unter 12 Jahren dürfen nicht mit dem Fertigpen behandelt werden. Da bei Kindern die Gewebeschichten der Haut dünner sind, besteht die Gefahr, dass das Mittel versehentlich in das Muskelgewebe gespritzt wird.
Zur Verkehrstüchtigkeit
Wenn Sie sich nach der Infusion von Tocilizumab müde oder schwindlig fühlen, sollten Sie nicht aktiv am Verkehr teilnehmen, keine Maschinen bedienen und keine Arbeiten ohne sicheren Halt verrichten.
* Nebenwirkungen aktualisiert am 19.01.2022
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