Wirkungsweise
Ticagrelor hemmt das Verkleben der Blutplättchen direkt und damit schnell und stark. Der Plättchenhemmer (Thrombozytenfunktonshemmer) gehört zur gleichen Wirkstoffklasse wie Clopidogrel und Prasugrel. Im Gegensatz zu diesen beiden Substanzen bindet Ticagrelor jedoch direkt und auch reversibel an seinen Rezeptor, das heißt, es sind keine Stoffwechsel- oder Aktivierungsschritte nötig, damit Ticagrelor seine Wirkung entfaltet. Zumindest im Vergleich mit Clopidogrel ergibt sich daraus ein rascherer und stärkerer Effekt auf die Blutplättchen. Allerdings bedingt das auch, dass Ticagrelor zweimal täglich eingenommen werden muss, bei Clopidogrel und Prasugrel reicht die einmalige tägliche Einnahme aus. Ticagrelor darf nur in Kombination mit niedrig dosierter Acetylsalicylsäure angewendet werden und zwar bei Herzinfarkt mit oder ohne typische Veränderungen im EKG (ST-Strecken-Hebung) sowie bei instabiler Angina Pectoris (akutes Koronarsyndrom). Testergebnis Ticagrelor
Die vorliegenden Daten aus den klinischen Studien mit hoher methodischer Qualität belegen einen Zusatznutzen für Ticagrelor in Kombination mit ASS im Vergleich zur Anwendung von ASS plus Clopidogrel bei einem – vereinfacht gesagt – eher leichten Herzinfarkt (ohne typische Veränderungen im EKG, d. h. ohne eine sichtbare Hebung der ST-Strecke) sowie bei instabiler Angina Pectoris. Hier vermindert Ticagrelor die Sterberate und die Anzahl erneut auftretender Herzinfarkte, ohne das Risiko für schwerwiegende Blutungen zu erhöhen. Aufgrund dieses Zusatznutzens ist Ticagrelor zusammen mit ASS bei diesem Personenkreis geeignet.
Zur Anwendung bei einem schweren Herzinfarkt mit ST-Strecken-Hebung im EKG gibt es keine Studienergebnisse, die für die Kombination aus Ticagrelor und ASS einen Zusatznutzen gegenüber der üblichen Kombination aus Clopidogrel und ASS belegen. Das gilt auch für den Vergleich mit einer alleinigen ASS-Behandlung. Nach einem schweren Herzinfarkt mit ST-Strecken-Hebung gilt Ticagrelor daher als "auch geeignet". Es ist noch wenig erprobt.
Die Entscheidung, welcher Plättchenhemmer für wen die beste Empfehlung ist, muss individuell getroffen werden. So verglich eine Studie die Behandlung bei einem akuten Herzinfarkt, bei dem ein Herzkatheter-Eingriff erfolgte. Die Patienten erhielten ASS und zusätzlich entweder Prasugrel oder Ticagrelor. Für diese Patienten war die Wirksamkeit von ASS mit Prasugrel höher als die von ASS mit Ticagrelor. Einen Unterschied bei den Blutungen gab es zwischen den Wirkstoffen nicht. Allerdings war die methodische Qualität der Studie nicht ausreichend, sodass diese Ergebnisse noch durch weitere Untersuchungen bestätigt werden sollten.
Auch auf die unerwünschten Wirkungen muss geachtet werden. Bei der Behandlung mit Ticagrelor führen bestimmte häufige Nebenwirkungen oft dazu, dass das Mittel abgesetzt wurde. Hierzu zählt beispielsweise Atemnot, die ein gleichzeitig bestehendes Asthma oder eine COPD verschlimmern kann.
Das Alter sollte bei der Behandlung ebenfalls beachtet werden. In einer Untersuchung an Patienten über 70 Jahren führte Ticagrelor im Vergleich zu Clopidogrel häufiger zu Blutungen, ohne dass es Unterschiede bei der Wirksamkeit gab. Clopidogrel könnte daher bei über 70-Jährigen die bessere Wahl zu sein.
Seit 2016 kann Ticagrelor zusätzlich zu ASS auch eingesetzt werden, wenn ein Herzinfarkt behandelt werden soll, der bereits ein bis drei Jahre zurückliegt. In der Zulassungsstudie konnte mit dieser Kombination über einen Zeitraum von drei Jahren die Sterblichkeit gesenkt werden, Blutungen nahmen jedoch zu und es kam häufig zu Luftnot.
Anwendung
Ticagrelor wird immer mit Acetylsalicylsäure (ASS) kombiniert angewendet. Die Wirkung tritt nach 30 Minuten ein. Zu Beginn nehmen Sie einmalig 180 Milligramm Ticagrelor, danach zweimal täglich 90 Milligramm.
Die gerinnungshemmende Wirkung hält nach dem Absetzen der Mittel noch ein bis zwei Wochen an.
Achtung
Das Mittel hemmt die Blutgerinnung. Bei Verletzungen kann es daher länger dauern, bis sich die Wunde schließt. Wenn aus unklarer Ursache Blutungen auftreten, sollten Sie baldmöglichst einen Arzt aufsuchen.
Vor einer geplanten Operation oder einem zahnärztlichen Eingriff kann es notwendig sein, das Mittel in der Woche vorher abzusetzen. Besprechen Sie das mit dem Arzt. Wenn er es für zu riskant hält, die Blutgerinnung nicht mehr zu hemmen, kann es sinnvoll sein, den operativen Eingriff so lange zu verschieben, bis Sie das Mittel absetzen können, ohne dass die Gefahr für ein Blutgerinnsel steigt.
Gegenanzeigen
Unter folgenden Bedingungen dürfen Sie Ticagrelor nicht anwenden:
- Sie hatten schon einmal eine Hirnblutung.
- Ihre Leberfunktion ist deutlich eingeschränkt.
- Sie haben eine schwere Pilzinfektion und müssen Tabletten mit dem Wirkstoff Ketoconazol einnehmen.
- Sie haben eine bakterielle Infektion und werden mit Clarithromycin behandelt.
- Sie sind mit HIV infiziert und werden mit den antiviralen Wirkstoffen Ritonavir oder Atazanavir behandelt.
- Sie haben eine Depression und nehmen dagegen Tabletten mit dem Wirkstoff Nefazodon ein.
Alle diese Medikamente können die Wirksamkeit von Ticagrelor verstärken und dadurch das Risiko für innere Blutungen erhöhen.
Unter folgenden Bedingungen sollte der Arzt Nutzen und Risiken einer Behandlung mit Ticagrelor sorgfältig abwägen:
- Sie haben generell ein erhöhtes Blutungsrisiko, z. B. aufgrund von erst kurz zurückliegenden Operationen, Blutgerinnungsstörungen oder Blutungen im Magen-Darm-Bereich.
- Ihr Herz schlägt zu langsam. Für diese Patienten fehlen ausreichende Erfahrungen.
- Sie haben Asthma oder chronische Bronchitis (COPD). Ticagrelor kann zu Atembeschwerden führen und damit die Beschwerden verstärken.
- Sie hatten schon einmal einen Gichtanfall oder Ihre Harnsäurewerte sind erhöht. Ticagrelor kann dann die Harnsäurewerte noch weiter ansteigen lassen und unter Umständen einen Gichtanfall auslösen.
- Die Funktion Ihrer Nieren ist eingeschränkt. Dann sollte der Arzt vier Wochen nach Behandlungsbeginn die Nierenwerte überprüfen, denn Ticagrelor kann die Nierenfunktion beeinträchtigen.
Wechselwirkungen
Wechselwirkungen mit Medikamenten
Wenn Sie Ticagrelor in Kombination mit Simvastatin oder Lovastatin (bei erhöhten Blutfetten) anwenden, soll die Tageshöchstdosis von 40 Milligramm Simvastatin und Lovastatin nicht überschritten werden. Ansonsten erhöht sich das Risiko unerwünschter Wirkungen durch die Statine.
Mittel, die den Abbau von Ticagrelor beschleunigen, verringern dessen blutgerinnungshemmende Wirksamkeit. Zu diesen Mitteln zählen Rifampicin (bei Tuberkulose), Phenytoin, Carbamazepin und Phenobarbital (alle bei Epilepsien).
Unbedingt beachten
In Kombination mit Mitteln zur Blutverdünnung wie Phenprocoumon und Warfarin (bei erhöhter Thrombosegefahr) verstärkt sich die gerinnungshemmende Wirkung. Dadurch erhöht sich das Risiko für innere Blutungen. Dies gilt auch, wenn Ticagrelor gemeinsam mit einem direkten Gerinnungshemmer zum Einnehmen (Apixaban, Dabigatran, Edoxaban, Rivaroxaban) oder zusammen mit Heparinen (z. B. Enoxaparin), NSAR (z. B. Ibuprofen und Diclofenac, bei rheumatischen Erkrankungen, Schmerzen) angewendet werden. Näheres hierzu lesen Sie unter Mittel zur Blutverdünnung: verstärkte Wirkung.
Auch pflanzliche Mittel können die Blutgerinnung beeinflussen, vor allem Mittel mit Knoblauch- und Ginkgoextrakt. Wenn Sie solche Mittel gleichzeitig einnehmen, sollte die Blutgerinnung kontrolliert werden.
Ticagrelor dürfen Sie nicht in Kombination mit Ketoconazol (bei Pilzerkrankungen), Clarithromycin (bei bakteriellen Infektionen), Nefazodon (bei Depressionen) oder Ritonavir und Atazanavir (bei HIV-Infektionen) anwenden, sonst steigt das Risiko für innere Blutungen. Näheres hierzu lesen Sie unter „Mittel zur Blutverdünnung: verstärkte Wirkung“.
Ticagrelor kann die Wirkung von Digoxin (bei Herzschwäche) verstärken, sodass auch das Risiko für unerwünschte Wirkungen von Digoxin ansteigt. Näheres hierzu lesen Sie unter „Mittel bei Herzschwäche: verstärkte Wirkung“.
Wechselwirkungen mit Speisen und Getränken
Wenn Sie dieses Mittel einnehmen, sollten Sie auf Grapefruit oder Grapefruitsaft verzichten, sonst kann das Risiko für Blutungen ansteigen.
Nebenwirkungen
Keine Maßnahmen erforderlich
Bei 1 bis 10 von 100 Behandelten kann die verstärkte Blutungsneigung dazu führen, dass bei Stößen und Prellungen leicht blaue Flecken entstehen, dass es aus Einstichstellen (bei Injektionen), bei Verletzungen oder nach operativen Eingriffen länger blutet.
Mehr als 1 von 100 Behandelten klagt über Magen-Darm-Beschwerden wie Bauchschmerzen, Übelkeit oder Erbrechen.
Bei etwa 1 von 100 Behandelten können Kopfschmerzen und Schwindelgefühl auftreten.
Muss beobachtet werden
Wenn die Haut sich verstärkt rötet und juckt, reagieren Sie möglicherweise allergisch auf das Mittel. Bei solchen Hauterscheinungen sollten Sie einen Arzt aufsuchen, um zu klären, ob es sich tatsächlich um eine allergische Hautreaktion handelt, Sie das Mittel ersatzlos absetzen können oder ein Alternativmedikament benötigen. Solche Unverträglichkeitsreaktionen kommen bei 1 bis 10 von 100 Behandelten vor.
Bei 1 bis 10 von 100 Behandelten kommt es zu Nasenbluten und Magenblutungen. Einblutungen in die Bindehaut, die Netzhaut oder den Glaskörper am Auge kommen etwa bei 1 von 100 Behandelten vor. Ebenso häufig entstehen Gehirnblutungen oder Blutungen aus Magengeschwüren und im Mund, in den Harnwegen, in der Scheide und aus Hämorrhoiden.
Mehr als einer von zehn Behandelten berichten von einem Gefühl der Atemnot. Wenn Sie Atemnot verspüren, sollten Sie das Ihrem Arzt mitteilen. Meist sind die Atembeschwerden leicht bis mittelschwer und bessern sich im Laufe der Behandlung.
Sofort zum Arzt
Wenn plötzlich heftige Bauchschmerzen einsetzen, die bis in den Rücken ausstrahlen, oder wenn Sie gar Blut erbrechen müssen, ist davon auszugehen, dass es aus einem Magengeschwür stark blutet, möglicherweise hat es sogar schon die Magenwand durchbrochen. Dann müssen Sie sofort den Notarzt (Telefon 112) rufen.
Besonders wenn Sie zwei Plättchenhemmer wie ASS und Ticagrelor gleichzeitig einnehmen, kann es zu Einblutungen in das Gehirn kommen. Anzeichen dafür sind unter anderem eine halbseitige Lähmung von Arm und Bein, ein einseitig herabhängender Mundwinkel, plötzlich auftretende Kopfschmerzen und/oder Schwindel, Sprachstörungen, Sehstörungen bis hin zu Bewusstseinstrübung oder gar Bewusstlosigkeit. Dann muss sofort ein Notarzt (Telefon 112) gerufen werden.
Wenn sich schwere Hauterscheinungen mit Rötung und Quaddeln an Haut und Schleimhäuten sehr rasch (meist innerhalb von Minuten) entwickeln und zusätzlich Luftnot oder eine Kreislaufschwäche mit Schwindel und Schwarzsehen oder Durchfälle und Erbrechen auftreten, kann es sich um eine lebensbedrohliche Allergie bzw. einen lebensbedrohlichen allergischen Schock (anaphylaktischer Schock) handeln. In diesem Fall müssen Sie die Behandlung mit dem Medikament sofort stoppen und den Notarzt (Telefon 112) verständigen.
Besondere Hinweise
Zur Empfängnisverhütung
Zur Sicherheit der Anwendung von Ticagrelor während einer Schwangerschaft liegen nur wenige Informationen vor. Der Hersteller empfiehlt daher Frauen im gebärfähigen Alter, während der Anwendung von Ticagrelor ein sicheres Mittel zur Empfängnisverhütung zu verwenden.
Für Schwangerschaft und Stillzeit
Mangels Erfahrungen sollten Sie Ticagrelor in Schwangerschaft und Stillzeit nicht anwenden.
Für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren
Ticagrelor wurde an Kindern und Jugendlichen nicht untersucht und ist für sie nicht zugelassen.
Für ältere Menschen
Insbesondere wenn Sie älter als 75 Jahre sind und die Nierenfunktion bereits eingeschränkt ist oder wenn Sie mit einem Sartan (gegen hohen Blutdruck, bei Herzschwäche) behandelt werden, sollte der Arzt die Nierenwerte regelmäßig kontrollieren.
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