Es gibt Krankheiten und Situationen, in denen es nötig und sinnvoll ist, Schmerzen durch eine Therapie mit Opioiden zu behandeln. Damit eine solche Behandlung zum Ziel führt, bedarf es guter Vorbereitung und Information.
Was ist das Ziel einer Opioid-Behandlung?
Eine intensive Schmerztherapie mit Opioiden ist in der Regel langfristig angelegt. Sie wird beispielsweise bei tumorbedingten Schmerzen und manchen starken chronischen Schmerzen angewendet. Um diese Behandlung sicher zu gestalten, sollten Arzt und Patient zu Beginn das Behandlungsziel in einem gemeinsamen Gespräch möglichst konkret abstecken und das Vorgehen im Laufe der Behandlung immer wieder überprüfen. Dazu können folgende Fragen dienen:
- Was soll durch die Behandlung in erster Linie erreicht werden? In welchem Maß können die Schmerzen durch die Behandlung realistischerweise gelindert werden?
- Inwieweit beeinflussen zusätzliche Erkrankungen oder andere notwendige Medikamente den Behandlungserfolg?
- Wie sehr beeinflusst das Mittel die körperliche Aktivität?
- Mit welchen Nebenwirkungen ist zu rechnen? Wie reagiert der Patient oder die Patientin darauf?
- Was geschieht, wenn sich der gewünschte Effekt nicht einstellt?
Langsamer Start und ständige Kontrolle
Die Behandlung beginnt mit der geringsten wirksamen Opioiddosis. Wird es in der Folge nötig, die Dosis zu erhöhen, wägt der Arzt von Neuem den Nutzen gegen die möglichen Risiken ab. Das Gleiche geschieht etwa zwei bis vier Wochen nach Beginn der Behandlung und später regelmäßig alle drei Monate. Die Opioiddosierung muss immer wieder dem individuellen Schmerzempfinden und dem Krankheitsverlauf angepasst werden. Dabei ist es wichtig, die Veränderungen Schritt für Schritt anzugehen. Wird die Dosis abrupt erhöht, kann das die Atemfunktion dämpfen und einen lebensgefährlichen Sauerstoffmangel hervorrufen.
Wichtig: Kontinuierliche Einnahme gegen das Schmerzgedächtnis
Nach der Uhr. Bei der Dauerbehandlung von Schmerzen werden die Medikamente nicht bei Bedarf, sondern regelmäßig, "nach der Uhr", angewendet. So bleibt der Betroffene schmerzarm und der Wirkstoffspiegel im Gehirn bleibt in etwa konstant. Auf diese Weise bildet sich kein Schmerzgedächtnis aus, das die weitere Schmerzbehandlung sehr erschweren würde. Für diese Dauerbehandlung werden Opioide mit längerer Wirkdauer oder Tabletten mit verzögerter Freisetzung (Retardtabletten) eingenommen. Eine andere Möglichkeit ist das Aufkleben von Schmerzmittelpflaster.
Abhängigkeit verhindern. Dieses Vorgehen stellt unter anderem sicher, dass sich keine psychische Abhängigkeit entwickelt, denn diese setzt voraus, dass der Wirkstoffspiegel im Gehirn schwankt und damit "High"- und "Down"-Gefühle ständig wechseln. Darüber hinaus fehlen bei Kranken die anderen beiden Voraussetzungen für eine psychische Abhängigkeit: Sie nehmen das Mittel nicht, um damit Lebensprobleme und -krisen zu bewältigen, und sie verwenden die Substanzen nicht so, dass das Bedürfnis entsteht, immer wieder in ihren Genuss zu kommen.
Eine körperliche Abhängigkeit ist bei einer Behandlung mit Opioiden hingegen oft unvermeidlich. Diese zeigt sich durch Entzugssymptome wie Herzrasen, Muskelzittern, Angstattacken und andere psychische Reaktionen, wenn das Medikament plötzlich oder zu schnell abgesetzt wird. Vor allem ein höher dosiertes Opioid sollte niemals ohne ärztliche Begleitung reduziert oder gar abgesetzt werden.
Schmerzen durch die Schmerzbehandlung
Wenn der Patient bei fortbestehender Erkrankung den Eindruck hat, seine Schmerzen würden nicht ausreichend gelindert, kann es schwierig sein, zu unterscheiden, ob dafür eine Gewöhnung an den Wirkstoff verantwortlich ist (Toleranzentwicklung), die krankheitsbedingten Schmerzen sich verschlimmert haben – oder ob die Schmerzen durch die Behandlung selbst ausgelöst werden. Paradoxerweise können Opioide nämlich selbst Schmerzen auslösen.
Vorsicht bei diesen Zeichen. Wenn Schmerzen trotz einer angemessenen Opioiddosierung weiter zunehmen oder sich auf immer weitere Körperareale ausbreiten, dann kann es sein, dass die Opioide diese Schmerzen auslösen. In diesen Fällen darf der Arzt die Opioiddosis keinesfalls weiter erhöhen. Auch ein Wechsel zu anderen Opioiden ist nicht sinnvoll. Vielmehr sollte der Arzt die Schmerztherapie überdenken. Dazu gehört, dass er die Dosis im Rahmen einer kompetenten schmerzmedizinischen Betreuung absenkt.
Durchbruchschmerzen bei Krebserkrankungen
Allerdings kann es bei einer Tumorerkrankung, deren Schmerzen man mit einer angemessenen Schmerztherapie rund um die Uhr im Griff hat, von Zeit zu Zeit besonders intensive Schmerzattacken geben. Mediziner bezeichnen diese als Durchbruchschmerzen. Eigentlich treten Durchbruchschmerzen eher selten auf. Klagen Patienten jedoch häufiger über solche Schmerzattacken, liegt das meist nicht daran, dass die Schmerzen stärker geworden sind. Vielmehr sollte der Arzt prüfen:
- ob das Dauermedikament zur Schmerzunterdrückung vielleicht zu niedrig dosiert ist
- ob das gewählte Medikament nicht stark genug wirkt
- ob sich der Körper zu sehr an die entsprechende Substanz gewöhnt hat
- ob sich die zugrunde liegende Erkrankung verschlimmert hat.
Gesamte Therapie überprüfen. Treten die Durchbruchschmerzen mehrmals am Tag auf, sollte der Arzt die Schmerztherapie insgesamt überprüfen und gegebenenfalls anpassen. Ein übermäßiger Gebrauch von kurz wirkenden Schmerztherapeutika birgt die Gefahr, dass der Patient eine Schmerzüberempfindlichkeit entwickelt.
Schnellwirkende Opioide für starke Schmerzattacken
Gelegentliche Durchbruchschmerzen sollen mit einem Opioid bekämpft werden, das rasch wirkt und zusätzlich zu der sonstigen Dauermedikation gegeben wird. Üblicherweise ist das Morphin in Tropfenform. Allerdings gibt es inzwischen auch von anderen Opioiden kurz wirkende Zubereitungsformen, die sich zur Behandlung von Durchbruchschmerzen einsetzen lassen.
Abhängigkeit durch im Mund wirkende Tabletten. Zu den schnell und kurz wirkenden Medikamenten gehören Bukkal-, Lutsch-, Schmelz- und Sublingualtabletten. Ihr Einsatz wird jedoch je nach Wirkstoff und Zubereitungsart unterschiedlich bewertet. Zwar bergen sie alle ein Abhängigkeitsrisiko, doch es gibt Hinweise, dass dieses umso mehr steigt, je rascher die Wirkung einsetzt und wieder abflaut. Produkte mit sehr raschem Wirkungseintritt, kurzer Wirkdauer und hoher Wirkstärke werden daher besonders kritisch gesehen.
Ende der Behandlung planen
Die Opioidbehandlung kann so lange fortgesetzt werden, wie die Schmerzen andauern – bei Bedarf bis zum Lebensende. Bei nicht tödlichen Erkrankungen sollte der Arzt von Zeit zu Zeit prüfen, ob die Schmerzen nachgelassen haben und der Patient das Mittel absetzen kann. Dazu wird die Dosierung des Medikaments nach ärztlicher Anweisung langsam reduziert. Dieses "Ausschleichen" aus der Behandlung ist notwendig, weil sich der Körper auf das Medikament eingestellt hat. Setzt der Patient es abrupt ab, treten Entzugserscheinungen auf.
Typische Entzugserscheinungen. Der Betroffene empfindet zunächst große Angst, atmet schnell, schwitzt und die Augen tränen. Dann weiten sich die Pupillen, heiße und kalte Schauer laufen über den Körper, eine Gänsehaut entsteht. Im weiteren Verlauf treten Durchfall, Erbrechen, Muskelkrämpfe und Schmerzen auf. Dieses sind die typischen Entzugserscheinungen nach einer langen Morphinbehandlung; bei den anderen Opioiden können sie etwas anders und weniger heftig ausfallen.
Betäubungsmittelgesetz soll Gebrauch durch Süchtige einschränken
Weil Opioide ein großes Suchtpotenzial entfalten, haben Ärzte Opiode lange Zeit nur sparsam eingesetzt. In der Tat wirken fast alle Opioide euphorisierend, versetzen den Verwender also in eine Art Hochstimmung. Daher werden einige Opioide, z. B. Heroin, illegal als Drogen missbraucht. Auf legalem Weg versuchen zuweilen bereits süchtige Personen, mithilfe ärztlicher Verschreibungen an ihr Suchtmittel zu gelangen. Um Missbrauch und Suchtgefahr etwas entgegenzusetzen, sind in Deutschland der Bezug, die Verordnung und die Abgabe von Opioiden durch das Betäubungsmittelgesetz streng geregelt.