Allgemeines
Die Prostatavergrößerung bei Männern, Fachleute sprechen von benigner Prostatahyperplasie (BPH), ist eine Erkrankung, die mit dem Alter zunimmt. Mit 60 Jahren ist etwa die Hälfte der Männer betroffen, bei über 80-Jährigen sind es mehr als 80 von 100.
Schon ungefähr ab dem 40. Lebensjahr stellen viele Männer beim Wasserlassen Veränderungen fest, wie sie unter Anzeichen und Beschwerden beschrieben sind. Meist werden sie der Prostata angelastet, die sich ab diesem Alter häufig zu vergrößern beginnt. Allerdings können die Beschwerden auch unabhängig von der Größe der Prostata auftreten. Wie stark sie empfunden werden, hängt ebenfalls nicht zwingend von der Größe des Organs ab.
Anzeichen und Beschwerden
Durch eine BPH kann der Harnstrahl dünn werden und immer wieder abreißen. Zudem dauert es dann eine Weile bis der Urin kommt und oftmals tropft es nach. Insgesamt nimmt der Vorgang des Wasserlassens mehr Zeit in Anspruch. Da sich die Blase nicht mehr ganz entleeren lässt, entsteht schon kurze Zeit nach dem Wasserlassen erneut das Gefühl, zur Toilette zu müssen. Diese häufigen Toilettengänge belasten vor allem nachts. Durch den ständig unterbrochenen Schlaf kann es tagsüber zu Erschöpfung und Müdigkeit kommen.
Auch tagsüber können Alltagsaktivitäten durch den Harndrang beeinträchtigt sein. Ist die Toilette nicht sofort erreichbar, kann unfreiwillig Urin abgehen. Das kann auch passieren, wenn sich so viel Urin anstaut, dass die Blase übervoll ist und unwillkürlich überläuft.
Ursachen
Die Prostata liegt zwischen Harnblase und Beckenboden. Die Harnröhre und der Spritzkanal – als Teil des Ejakulationsapparates – durchziehen die Drüse. Mit zunehmendem Alter bilden sich beim Mann in der Prostata winzige knotige Gewebeveränderungen. Bei ungefähr der Hälfte der Männer bleiben sie mikroskopisch klein und unbemerkt, bei den anderen vergrößert sich die Drüse durch die Knoten erheblich. Darüber hinaus vermehrt sich das Muskelgewebe, das zur Prostata gehört. Die vergrößerte Prostata kann die Harnröhre und die Blase einengen. Der Harndrang wird bereits bei wenig gefüllter Blase spürbar und der Harnabfluss gehemmt. Diese Veränderungen können auch die Blasenmuskulatur schwächen, was eine vollständige Entleerung der Blase erschwert.
Zwischen dem 40. und 50. Lebensjahr vergrößert sich die Prostata relativ rasch; später verlangsamt sich diese Entwicklung. Ohne nachvollziehbaren Grund kann der Prozess jederzeit zum Stillstand kommen.
Warum und wie es zu den Gewebeveränderungen kommt, ist noch nicht klar. Sicher ist, dass die Geschlechtshormone an den altersbedingten Veränderungen der Prostata wesentlich beteiligt sind.
Auch die Einnahme von einigen Arzneimitteln kann Symptome hervorrufen, die den Beschwerden einer vergrößerten Prostata ähneln oder bereits vorhandene Beschwerden verschlimmern. Hierzu zählen unter anderem trizyklische Antidepressiva wie Amitriptylin (bei Depressionen, Neuropathie), Antihistaminika wie Clemastin (bei Allergien), bestimmte krampflösende Mittel wie Butylscopolamin und anticholinerge Parkinsonmittel wie Biperiden.
Des Weiteren bereiten Mittel gegen Psychosen wie Clozapin, Pilocarpin (Augentropfen bei grünem Star) und Atropin (Augentropfen zum Weitstellen der Pupille), Ipratropium und Tiotropium (bei Asthma), Clonidin (bei hohem Blutdruck), Dimenhydrinat (bei Übelkeit und Erbrechen) oder Pirenzepin (bei Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüren) Probleme, da auch sie die Entleerung der Blase beeinträchtigen können.
Allgemeine Maßnahmen
Einige Medikamente können die Probleme beim Wasserlassen verstärken. Lassen Sie daher in der Arztpraxis oder Apotheke überprüfen, ob Sie Medikamente anwenden, die Ihre Beschwerden verstärken, und besprechen Sie gegebenenfalls mit der Ärztin oder dem Arzt eine Änderung der Behandlung.
Die Beschwerden belasten weniger, wenn Sie Ihre Lebensgewohnheiten den veränderten Bedingungen anpassen. Probieren Sie aus, ob Ihnen folgende Verhaltensweisen helfen:
- Schränken Sie den Konsum von alkohol- und koffeinhaltigen Getränken ein. Sie fördern die Urinproduktion.
- Verringern Sie tagsüber die Trinkmenge auf etwa 1,5 Liter am Tag. Trinken Sie wenig, wenn abzusehen ist, dass Sie demnächst nicht ohne Weiteres eine Toilette erreichen können oder am Abend, wenn Sie nachts nicht wegen eines Toilettengangs aufstehen wollen. Zu anderen Zeiten sollten Sie aber stets Ihrem Durstgefühl entsprechend trinken.
- Nehmen Sie wasserausschwemmende Mittel (auch als Teil einer festgelegten Kombination mehrerer Arzneimittel, z. B. bei Bluthochdruck) nicht am Abend ein.
- Halten Sie Füße und Unterkörper warm.
- Kräftigen Sie den Beckenboden, das Muskelgeflecht, das sich beim Wasserlassen entspannt. Zu einem Beckenbodentraining gehören sowohl Spannungs- als auch Entspannungsübungen. Die Übungen können Sie unter physiotherapeutischer Anleitung erlernen und danach allein ausführen.
- Trainieren Sie die Speichermenge der Blase, indem Sie das Wasserlassen regelmäßig etwas hinauszögern.
- Streichen Sie nach dem Wasserlassen die Harnröhre aus, damit es weniger zum Nachtröpfeln kommt.
- Lassen Sie mehrmals hintereinander Wasser. Nachdem Sie die Blase geleert haben, warten Sie noch ein wenig und versuchen es dann noch einmal. Nach zwei oder drei Anläufen ist die Blase wahrscheinlich leer.
Wenn Medikamente die Beschwerden nicht ausreichend lindern oder Sie sich mit ihnen nicht mehr abfinden wollen, kann operiert werden. Zu einer Operation wird auch geraten, wenn immer wieder Störungen im Bereich der Harnwege auftreten, zum Beispiel Entzündungen oder Blasensteine. Als weitere Komplikation können sich die Harnwege so verengen, dass der Harn nicht mehr ausgeschieden werden kann und sich von der Blase in die Nieren zurückstaut. Mediziner sprechen dann von einem "Harnverhalt". Auch in dieser Situation sollte eine Operation erwogen werden.
Wann zum Arzt?
Alle Beschwerden beim Wasserlassen sollten grundsätzlich ärztlich abgeklärt werden – auch die oben beschriebenen Symptome, die auf eine vergrößerte Prostata schließen lassen. Vor jeder Art von Behandlung muss sich ein Arzt überzeugt haben, dass die Symptome auf einer vergrößerten Prostata beruhen und dass die Veränderung gutartig ist. Auch wenn Sie mit der Einnahme eines Pflanzenmittels beginnen möchten, sollten Sie Ihren Arzt darüber informieren.
Im Verlauf einer derartigen Selbstbehandlung ist ein Arztbesuch dann erforderlich, wenn sich die Beschwerden verschlimmern. Der Arzt wird in diesem Fall kontrollieren, ob die Selbstbehandlung fortgesetzt werden kann oder die Therapie angepasst werden muss.
Behandlung mit Medikamenten
Solange die Beschwerden nicht sehr belastend sind, muss nicht mit Arzneimitteln behandelt werden. Die meisten Männer mit vergrößerter Prostata kommen ohne Behandlung aus. Intensivieren sich die Beschwerden, können Medikamente eingesetzt werden. Die Behandlung verfolgt dann zwei Ziele: zum einen die belastenden Beschwerden zu verringern, zum anderen Komplikationen wie einen möglichen Harnverhalt und eine Operation zu vermeiden. Da die Größe der Prostata aber nicht zwingend die Stärke der Beschwerden bestimmt, kann es Mittel geben, die die Beschwerden bessern, die Drüsengröße jedoch nicht beeinflussen. Auch das Gegenteil ist möglich: Die Arzneimittel verkleinern die Prostata, die Beschwerden bleiben jedoch annähernd gleich.
Rezeptfreie Mittel
Für pflanzliche Mittel mit Phytosterol zeigen einige wenige Studien, dass sie die Beschwerden lindern können. Diese Untersuchungen liefen aber nur über kurze Zeit und schlossen eine geringe Anzahl Patienten ein. Außerdem ist nicht geklärt, ob die Mittel auch die Komplikationen einer Prostatavergrößerung verringern können, um derentwillen man die Behandlung durchführt. Daher gelten phytosterolhaltige Mittel als "mit Einschränkung geeignet".
Für Mittel mit dem Extrakt von Sägepalmenfrüchten liegt eine gemeinsame Auswertung aller bisherigen Studien vor. Darin kommen die Wissenschaftler zu dem Ergebnis, dass die Einnahme von Sägepalmenfruchtextrakt die Beschwerden nicht besser lindert als ein Scheinmedikament. Auch die ausgeschiedene Harnmenge nahm nicht stärker zu. Daher werden diese Mittel als "wenig geeignet" beurteilt.
Von Pflanzenmitteln mit dem Extrakt aus Brennnesselwurzel und solchen mit Kürbissamen nimmt man an, dass sie den Harnfluss verbessern, weil sie Entzündungen zurückdrängen und abschwellend wirken. Da ihre therapeutische Wirksamkeit aber nicht ausreichend belegt ist, gelten sie als "wenig geeignet". Diese Aussage gilt sowohl für Tabletten zum Einnehmen als auch für Teezubereitungen.
Die Pflanzenkombination aus Brennnesselwurzel und Sägepalmenfrucht zum Einnehmen ist ebenfalls wenig geeignet. Für keinen der beiden Pflanzenextrakte ist die therapeutische Wirksamkeit als alleiniges Mittel ausreichend nachgewiesen. Studien, die zeigen, dass die Kombination der beiden Pflanzenauszüge besser wirkt als jeder der beiden Extrakte für sich allein, fehlen ebenfalls. Dass das Kombinationsmittel in einigen Studien die Beschwerden etwas besser lindern konnte als ein Scheinmedikament, wiegt das nicht auf.
Rezeptpflichtige Mittel
Alpha-1-Rezeptoren-Blocker, zu denen die Substanzen Alfuzosin, Doxazosin, Tamsulosin und Terazosin gehören, lockern die Spannung des Muskelgewebes, das sich in einer vergrößerten Prostata vermehrt findet. Diese Wirkstoffe werden zur Behandlung von Beschwerden durch eine vergrößerte Prostata als "geeignet" beurteilt.
Silodosin, ein weiterer Alpha-1-Rezeptoren-Blocker, weist bisher keine erkennbaren Unterschiede gegenüber anderen Vertretern dieser Wirkstoffgruppe auf, ist aber weniger gut untersucht als diese. Zur Behandlung von Beschwerden aufgrund einer gutartig vergrößerten Prostata ist das Mittel daher „auch geeignet“.
5-Alpha-Reduktase-Hemmer, zu denen die Wirkstoffe Dutasterid und Finasterid gehören, greifen in die hormonelle Steuerung der Gewebevermehrung ein. Dadurch wird die Prostata allmählich wieder etwas kleiner. Sie gelten als "mit Einschränkung geeignet" und sollten nur bei Männern mit erheblich vergrößerter Prostata eingesetzt werden. Bis die Beschwerden spürbar nachlassen, kann es mehrere Monate dauern. Bei Langzeitanwendung sinkt das Risiko für einen akuten Harnverhalt und die Prostatavergrößerung muss bei weniger Männern operiert werden.
Die beiden Wirkstoffe können sich negativ auf die Sexualfunktion und die Stimmung auswirken. Zudem kann nach wie vor nicht sicher ausgeschlossen werden, dass bei der Behandlung mit diesen Mitteln häufiger aggressive Prostatatumore auftreten. Was die Anwendung dieser Mittel über lange Zeit mit sich bringt, sollte daher noch besser belegt werden.
Die Kombination aus Dutasterid und Tamsulosin wird bei gutartiger Prostatavergrößerung als "mit Einschränkung geeignet" bewertet. Voraussetzung für den Einsatz der Kombination ist, dass die betroffenen Männer mäßige bis starke Beschwerden aufgrund einer erheblich vergrößerten Prostata haben und deshalb mit einem 5-Alpha-Reduktase-Hemmer behandelt werden sollen. Bei diesen Patienten sollte das Mittel als Anfangsbehandlung eingesetzt werden. Durch den Zusatz von Tamsulosin lassen aber in der ersten Zeit der Behandlung die Beschwerden deutlicher nach, als bei einer Behandlung mit Dutasterid allein. Bei der Langzeitanwendung wirkt das Kombinationsmittel jedoch nicht besser als Dutasterid, kann aber vermehrt zu Nebenwirkungen führen.
Neue Medikamente
Als ein neues Medikament zur Behandlung von Beschwerden im Zusammenhang mit einer gutartig vergrößerten Prostata wurde 2013 Tadalafil in niedriger Dosierung (5 Milligramm) zugelassen. Voraus ging die Beobachtung, dass Männern, die das Mittel gegen Erektionsstörungen einsetzten, weniger über Prostatabeschwerden berichteten.
Studien konnten diese Beobachtung bestätigen. Mittlerweile liegen zusammenfassende Betrachtungen der verfügbaren Untersuchungsdaten zu Tadalafil und anderen Phosphodiesteraseinhibitoren für dieses Anwendungsgebiet vor. Danach lassen sich in erster Linie Untersuchungen mit wenigen Studienteilnehmern finden, die längstens über 12 Wochen liefen. In den allermeisten Studien wurde Tadalafil als Untersuchungssubstanz im Vergleich zu einer Scheinbehandlung eingesetzt. Es liegt nur eine Untersuchung vor, in der Tadalafil direkt gegen einen Alpha-1-Rezeptoren-Blocker als Standardmittel getestet wurde. Bei fast allen Studien fehlen wichtige Informationen, um die methodische Qualität der Durchführung einschätzen zu können. Die Ergebnisse zu Tadalafil in diesem Anwendungsgebiet sind somit unsicher.
Im Vergleich zu einer Scheinbehandlung kann Tadalafil in der zugelassenen Dosierung von täglich 5 Milligramm die Beschwerden im Zusammenhang mit einer Prostatavergrößerung leicht verbessern. Dass Tadalafil dabei Vorteile bietet gegenüber der Behandlung mit den Standardmedikamenten, Alpha-1-Rezeptoren-Blockern wie Tamsulosin, ist nicht nachgewiesen.
Die Anwendung geht aber mit typischen unerwünschten Wirkungen einher: Im Vergleich zu Scheinmedikament kommt es häufiger zu Magen-Darm-Beschwerden wie Bauchschmerzen, Durchfall, Sodbrennen oder zu Schmerzen an den Muskeln oder Gelenken. Menschen, die mit Tadalafil behandelt wurden, setzten das Mittel im Vergleich zu solchen, die ein Scheinmedikament erhielten, häufiger wieder ab. Langzeiteffekte und Langzeitverträglichkeit lassen sich für eine Daueranwendung von Tadalafil nicht ausreichend einschätzen. Dafür müssen weitere, direkt vergleichende Studien durchgeführt werden.