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Nervosität und Unruhe

Allgemeines

Körper, Geist und Seele müssen ständig auf äußere und innere Anforderungen reagieren. Der Körper ist grundsätzlich gut darauf eingerichtet, diese fortwährende Anpassung zu bewältigen (Coping). Wenn dies einmal nicht mehr optimal gelingt, entsteht daraus Stress mit typischen körperlichen und seelischen Reaktionen wie beschleunigter Herzschlag, erhöhter Blutdruck, Schweißausbrüche, Gereiztheit und Konzentrationsschwäche.

Was vom Einzelnen als belastend oder als Stress wahrgenommen wird, ist von Mensch zu Mensch verschieden. Während der eine darunter leidet, dass Beruf, Familie und Freizeit ihm viel abverlangen, quält sich ein anderer damit, dass seine Bereitschaft, etwas zu leisten, sich einzubringen und sich für andere einzusetzen, nicht genügend genutzt und anerkannt wird. Viele Menschen leiden auch unter einer hohen Lärmbelastung, deren Folgen sich vielleicht erst nach Jahren zeigen.

Wenn Körper, Geist und Seele dauerhaft damit überfordert sind, sich belastenden Zuständen anzupassen, entwickeln sich Warnsymptome. Sehr sensible Menschen spüren diese schon früh: Sie registrieren Unbehagen, Missbefinden und Anspannung. Andere werden erst durch stärkere Reize darauf aufmerksam, dass sich ihr seelisch-körperliches Gleichgewicht ungünstig verschoben hat und zu körperlichen Beschwerden führt.

Wie sich die Belastung auswirkt, ist individuell aber sehr unterschiedlich. Mitunter laufen selbst seelisch als unangenehm empfundene Störungen des Befindens längere Zeit ohne nachweisbare körperliche Veränderungen ab.

Anzeichen und Beschwerden

Die Betroffenen empfinden innere Unruhe, fühlen sich gehetzt und gereizt und reagieren bereits aus nichtigem Anlass sehr heftig. Sie fühlen sich ausgelaugt und abgespannt, niedergeschlagen und traurig.

Die Nervosität kann lange anhalten. Zugleich können die Hände zittern und die Augen zucken, das Herz kann unangenehm stark und schnell klopfen.

Bei Tag lässt die Konzentrationsfähigkeit zu wünschen übrig. Zur Nacht fällt das Einschlafen schwer.

Manche Betroffenen zweifeln an ihrem Wert und ihrer Bedeutung. Immer wieder sind Gedanken und Überlegungen von unbestimmten Ängsten durchzogen.

Bei Kindern

Sie können schlecht gestimmt und fortwährend unruhig aktiv sein, seltener auch teilnahmslos. Häufig schlafen sie unruhig und schrecken nachts aus Träumen auf.

Ursachen

Körper, Geist und Seele sind an die Grenze dessen gestoßen, was sie bewältigen können. Die Symptome sind Stressreaktionen, die auf die Überforderung und den fehlenden Ausgleich hinweisen.

Vorbeugung

Zu einem gesunden Leben gehört der stetige Wechsel von Anspannung und Entspannung, von Aktivität und Innehalten. Wer diesen naturgegebenen Veränderungen folgt, beugt Nervosität, Unruhe und anderen Befindlichkeitsstörungen vor.

Wichtig ist es, über genügend Resilienz zu verfügen oder sie zu entwickeln. Damit ist die Fähigkeit gemeint, sich mit schwierigen Lebenssituationen auseinanderzusetzen und diese auch erfolgreich zu bewältigen.

Um sich wirklich entspannen zu können, ist ein ruhiges, vom Lärm und der Betriebsamkeit des Alltags abgeschirmtes Umfeld notwendig.

Allgemeine Maßnahmen

Alles, was entspannt, wirkt Unruhe und Nervosität entgegen: beispielsweise ein Spaziergang, Entspannungstechniken wie Yoga, Qigong oder die progressive Muskelrelaxation nach Jacobson,ein Bad, Sauna, Massagen, eine ruhige Umgebung, beruhigende Musik. Entspannungstechniken sollten unter fachkundiger Anleitung erlernt werden.

Wann zum Arzt?

Wenn die allgemeinen Belastungssymptome anhalten oder spezielle Beschwerden hinzukommen, wie Kopf- oder Rückenschmerzen, Magenprobleme, Verdauungsstörungen, sollte im Gespräch mit einem Arzt oder Psychotherapeuten geklärt werden, was gegen die Überlastung getan werden kann.

Bei Kindern

Hält das oben beschriebene Verhalten längere Zeit an, sollte ärztlich abgeklärt werden, was hinter den Beschwerden steckt. Das Kind kann eventuell unter einem "Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Syndrom" (ADHS) leiden, was anders behandelt werden muss als eine allgemeine Unruhe oder Nervosität.

Behandlung mit Medikamenten

Nervosität und Unruhe lassen sich mit Beruhigungsmitteln dämpfen. Viele der dafür infrage kommenden Mittel dienen gleichermaßen als Beruhigungs- und Schlafmittel – je nachdem, wie stark sie wirken und wie hoch sie dosiert werden.

Weitere Informationen hierzu finden Sie daher auch unter Schlafstörungen.

Baldrian ist ein sehr mildes Beruhigungsmittel, das in höherer Dosierung als Schlafmittel eingesetzt wird. Von allen Beruhigungsmitteln, die ohne ärztlichen Rat angewendet werden können, ist Baldrian noch am ehesten zu empfehlen.

Die Empfehlungen für Baldrian unterscheiden sich aber, da die verschiedenen Extrakte und Zubereitungen unterschiedlich gut untersucht sind. Für bestimmte wässrig-alkoholische Extrakte der Baldrianwurzel finden sich Studien, die eine Wirksamkeit gegen Nervosität und Unruhe nahelegen. Daher werden Mittel mit solchen Baldrianextrakten als "mit Einschränkung geeignet" beurteilt. Es werden aber noch Untersuchungen benötigt, um die therapeutische Wirksamkeit dieser Pflanzenzubereitungen weiter zu bestätigen.

Für andere Extrakte der Baldrianwurzel, für Tinkturen und für Pulverzubereitungen fehlen wissenschaftliche Studien, die die therapeutische Wirksamkeit ausreichend nachweisen. Diese Mittel sind daher zur Behandlung von Nervosität und Unruhe wenig geeignet.

Bestimmte industriell hergestellte Extrakte aus Johanniskraut können in entsprechend hoher Dosierung bei leichten vorübergehenden depressiven Störungen eingesetzt werden. Für diese Fertigprodukte ist die therapeutische Wirksamkeit bei dieser Anwendung hinreichend belegt. Das ist anders, wenn mit einem Extrakt von Johanniskraut Nervosität und Unruhe behandelt werden sollen. Für diese Behandlungsziele ist die therapeutische Wirksamkeit in klinischen Studien nicht belegt. Das Gleiche gilt für Tee, der aus Johanniskraut aufgegossen wird. Im Vergleich zu Johanniskraut ist die beruhigende Wirkung von Baldrian besser belegt. Teezubereitungen aus Johanniskraut und Mittel mit Johanniskrautextrakt zum Einnehmen gelten bei Nervosität und Unruhe als "wenig geeignet".

Ein pflanzliches Fertigprodukt mit Lavendelöl zum Einnehmen soll Unruhezustände bei ängstlicher Verstimmung dämpfen. Einige Studien erbrachten zwar positive Hinweise, doch die Daten reichen nicht aus, um die therapeutische Wirksamkeit als belegt ansehen zu können. Das Mittel gilt für die Selbstbehandlung als "wenig geeignet". Es kann allenfalls nach Rücksprache mit einem Arzt als Therapieversuch eingesetzt werden.

Melisse und Passionsblume sind als Beruhigungsmittel wenig geeignet, denn ihre therapeutische Wirksamkeit ist nicht ausreichend belegt.

Mittel mit Baldrianwurzel und Hopfenzapfen zum Einnehmen können bei nervös bedingten Schlafstörungen eingesetzt werden. Für bestimmte Extrakte wurden Studien durchgeführt, die eine therapeutische Wirksamkeit nahelegen. Allerdings ist die Bedeutung der Hopfenzapfen für den gefundenen beruhigenden Effekt noch nicht ausreichend einzuschätzen. Zudem wurden insgesamt nur wenige Studien an einer kleinen Anzahl von Patienten und Patientinnen durchgeführt. Die Mittel sind nur mit Einschränkungen geeignet. Weitere Studien sollten die therapeutische Wirksamkeit noch besser belegen. Für andere Extraktformen aus Hopfen und Baldrian liegen hingegen keine aussagekräftigen Studien vor, die die therapeutische Wirksamkeit bei Nervosität und Unruhe belegen. Sie sind daher wenig geeignet.

Auch Mischungen von Baldrian mit anderen Pflanzen (Baldrian + Hopfen + Melisse, Baldrian + Hopfen + Passionsblume, Baldrian + Melisse, Baldrian + Melisse + Passionsblume) sind wenig geeignet, um Nervosität und Unruhe zu dämpfen, da die jeweiligen Kombinationspartner die beruhigende Wirkung von Baldrian nicht nachweislich ergänzen. Damit sind die Kombinationen nicht sinnvoll. Zur Selbstbehandlung sind Produkte vorzuziehen, die nur Baldrian – und zwar ausreichend hoch dosiert – enthalten.

Wenig geeignet ist auch der Tee aus einer Kombination von drei Pflanzenbestandteilen. Bei ihm ist für keinen der Einzelbestandteile Hopfenzapfen, Lavendelblüten und Melissenblättern die therapeutische Wirksamkeit ausreichend nachgewiesen und auch für die der Mischung nicht.

Bei Kindern

Bäder, die Entspannung bringen sollen, können bei unruhigen Kindern auch gegenteilig wirken und sie aktivieren.