Allgemeines
Die Internationale Kopfschmerzgesellschaft hat über 250 verschiedene Typen von Kopfschmerzen klassifiziert – das zeigt, wie unterschiedlich diese Beschwerden sein können. Nach ihren Ursachen werden Kopfschmerzen in zwei große Gruppen unterteilt. Die eine Gruppe umfasst Kopfschmerzen als eigenständige Krankheiten.
Zu diesen primären Kopfschmerzerkrankungen gehört unter anderem die Migräne, aber auch der Clusterkopfschmerz und der besonders häufig vorkommende Spannungskopfschmerz. Verläuft eine solche Kopfschmerzerkrankung schwer, ist eine Behandlung mit Medikamenten notwendig. Manchmal ist dann sogar eine Dauertherapie erforderlich, etwa wenn mit Medikamenten weiteren Episoden vorgebeugt werden soll (Prävention).
Die zweite Gruppe umfasst Kopfschmerzen, die durch andere Krankheiten ausgelöst werden, z. B. durch hohen Blutdruck. Um die Beschwerden zu bessern, ist es notwendig, die auslösende Erkrankung zu behandeln. Aber auch Medikamente können Kopfschmerzen auslösen. Ein übermäßiger Schmerzmittelgebrauch kann beispielsweise dazu führen, dass sich Kopfschmerzerkrankungen wie Migräne nicht nur verstärken, sondern in einen Dauerkopfschmerz umwandeln. Diese Art der Kopfschmerzen können nur durch den Entzug der Medikamente behandelt werden.
Frauen erleiden häufiger einen Migräneanfall als Männer. Rund ein Viertel aller Frauen hat zumindest einmal im Leben eine solche Attacke. Häufiger auftretende Anfälle haben zirka 14 von 100 Frauen und 8 von 100 Männern in Deutschland. Häufig beginnt die Migräne nach der Pubertät, in vielen Fällen verschwindet sie im höheren Alter.
Bei Kindern
In seltenen Fällen können auch Kinder an einer Migräne leiden, wie sie unter Anzeichen und Beschwerden beschrieben wird. Vor der Pubertät sind 4 bis 5 von 100 Kindern betroffen, in der Pubertät verdoppelt sich die Häufigkeit auf ungefähr 10 von 100 Jugendlichen. Mädchen und Jungen erkranken etwa in gleichem Maße.
Anzeichen und Beschwerden
Bei einer Migräne treten die Kopfschmerzen anfallsweise auf. Ein solcher Anfall dauert zwischen 4 und 72 Stunden. Ein Migräneanfall weist mindestens zwei der folgenden Merkmale auf:
- Der Anfall betrifft nur eine Seite des Kopfes. Allerdings kann bei bis jedem zweiten Betroffenen der Anfall immer oder hin und wieder beidseitig auftreten.
- Die Schmerzen fühlen sich klopfend oder pulsierend an.
- Sie sind mäßig bis stark und steigern sich.
- Sie verstärken sich bei Bewegung.
Zusätzlich muss eines der folgenden Symptome hinzukommen:
- Übelkeit oder Erbrechen
- Lichtempfindlichkeit
- Geräuschempfindlichkeit.
Die Attacken sind fast immer von Appetitlosigkeit begleitet. Manche Betroffene reagieren äußerst empfindlich auf Gerüche.
Während des Anfalls gelingt es Teilen des Gehirns nicht mehr, die ankommenden Reize von außen und innen angemessen zu verarbeiten und voneinander getrennt weiterzuvermitteln. Manche sprechen daher auch von einem "Sturm im Gehirn". Dann können leichte Berührungen, aber auch Licht- und Geruchsreize den Anfall verstärken. Nach dem Anfall ist aufgrund dieser Überreaktion das Schlafbedürfnis hoch.
Den eigentlichen Schmerzen geht bei etwa 10 von 100 Betroffenen eine sogenannte Aura voraus: Viele sehen zunächst flimmernde, sternförmige Figuren, später einen schwarzen Fleck. Weiterhin können während dieser Phase Schwindel und Sprachstörungen sowie Missempfindungen, Lähmungen und auch Bewusstlosigkeit auftreten. Bei sehr vielen Patienten geht dem Migräneanfall ein individuell typisches Vorstadium voraus, das der Betroffene wiedererkennt. Dieses kann auch bei Anfällen ohne Aura auftreten. Es kommt beispielsweise zu Änderungen im Essverhalten, zu Verspannung im Nacken oder auch zu vermehrtem Wasserlassen.
Migräneanfälle treten meist ein- bis sechsmal pro Monat auf.
Von chronischer Migräne spricht man, wenn länger als drei Monate an mehr als 15 Tagen des Monats Kopfschmerzen auftreten, die nicht durch die übermäßige Einnahme von Schmerzmitteln bedingt sind und die an mindestens acht Tagen pro Monat eindeutig einer Migräne zugeordnet werden können. Eine chronische Migräne entwickeln weniger als 2 von 100 Migränebetroffene. Nicht selten entwickeln Patienten mit chronischer Migräne eine Depression.
Es ist wichtig, Migräne und Spannungskopfschmerzen sorgfältig zu unterscheiden. Dies ist unter anderem deshalb notwendig, weil bestimmte Medikamente (Triptane) nur bei Migräne wirken, nicht bei Spannungskopfschmerzen. Im Unterschied zu Migräne betreffen Spannungskopfschmerzen gewöhnlich beide Kopfhälften und der Schmerz fühlt sich dumpf und drückend an, nicht pulsierend. In der Regel verschlimmern sich Spannungskopfschmerzen auch nicht bei körperlicher Aktivität, z. B. beim Treppensteigen.
Bei Kindern
Für eine Diagnosestellung sollte immer eine Kinderärztin oder ein Kinderarzt herangezogen werden, denn oft wird die Erkrankung mit anderen Kopfschmerzen verwechselt. Anders als bei Erwachsenen ist ein Halbseitenkopfschmerz bei Kindern vor der Pubertät kein typisches Erkennungszeichen für einen Migräneanfall. Migränekopfschmerzen bei Jüngeren betreffen den gesamten Kopfbereich. Die Kopfschmerzen sind moderat bis stark ausgeprägt und schon ab einer Dauer von zwei Stunden spricht man von einer Migräne.
Migräne muss bei Kindern nicht immer mit Kopfschmerzen einhergehen. Stattdessen kann sie sich auch durch Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen oder Schwindel bemerkbar machen. Kribbeln in Armen und Beinen, Sprachstörungen und halbseitige Lähmungen können einem kindlichen Migräneanfall vorausgehen. Auch Herzrasen, Hautrötungen und Harndrang kommen als frühe Anzeichen vor.
Typischerweise schlafen Kinder im Verlauf einer Migräneattacke ein und wachen kurz darauf weitgehend beschwerdefrei wieder auf.
Ursachen
Die Neigung, eine Migräne zu entwickeln, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Die eigentliche Ursache ist nicht bekannt. Im Unterschied zu anderen Kopfschmerzformen ist aber für die Migräne ohne Aura eine gentische Komponente für die Entwicklung dieser Erkrankung gesichert. Menschen, die dafür anfällig sind, können plötzliche Veränderungen im Lebensrhythmus nicht so gut wie andere Menschen abfangen. Sie können schon überfordert sein, wenn sie einmal später als gewohnt ins Bett gehen und dann länger schlafen oder wenn sie nicht zur gewohnten Zeit essen.
Der typische Migräneanfall am Wochenende beruht auf dem veränderten Schlaf- und Essverhalten und auf dem Abfall der Anspannung. All dies stellt bei Menschen mit Migräne gegenüber dem Stress der Woche eine nicht zu bewältigende Veränderung dar. Ein Wetterumschwung kann ebenfalls eine Migräne auslösen. Frauen kann der schwankende Hormonspiegel während ihres Zyklus belasten. Auch die Hormone in Verhütungsmitteln können einen Migräneanfall auslösen oder verstärken. Nach den Wechseljahren werden solche Anfälle üblicherweise seltener und schwächer. Werden Wechseljahresbeschwerden allerdings mit Hormonpräparaten behandelt, können weiterhin Migräneanfälle auftreten.Als weitere Auslöser werden Nahrungsmittel diskutiert darunter Alkohol, besonders Rotwein, bestimmte Käsesorten, Gewürze wie Muskat und Südfrüchte.
Als ein zusätzlicher Auslöser wird zudem – nicht nur bei Kindern – eine Reizüberflutung dikutiert, etwa durch ausdauernden Medienkonsum.
Auch Licht - und Geruchsreize können einen Anfall auslösen.
Allgemeine Maßnahmen
Beim akuten Migräneanfall tut es gut, im abgedunkelten Raum zu liegen. Vor allem bei Kindern ist Schlaf sinnvoll. Auch kalte Kompressen lindern den Druck im Kopf.
Regelmäßige Entspannungsübungen wie progressive Muskelentspannung nach Jacobson, autogenes Training oder ein gezieltes Bewegungstraining tragen dazu bei, Stress im Alltag abzubauen, sodass Migräneanfälle seltener auftreten. Auch verhaltenstherapeutische Maßnahmen haben sich bewährt. Geeignet sind Therapien, in denen schmerzreduzierende Bewältigungstechniken erlernt werden und der Abbau ungünstiger Überzeugungen und Ängste erreicht wird (z. B. Tendenz zur Katastrophisierung, Tendenz zur Überforderung). Auch Stressimmunisierungstraining und Hypnose können sinnvoll sein.
Eine Akupunkturbehandlung können z. B. Personen erwägen, die einer Vorbeugung mit Medikamenten skeptisch gegenüberstehen. Mittlerweile wurde wissenschaftlich gezeigt, dass eine nach den Regeln der traditionellen chinesischen Medizin durchgeführte Akupunktur die Häufigkeit von Migräneattacken verringern kann. Ihr Effekt ist allerdings nur unwesentlich größer als der einer Scheinakupunktur. Scheinakupunktur bedeutete, dass andere Punkte gestochen wurden als solche, die die traditionelle chinesische Medizin für Migräne vorsieht, dass weniger tief eingestochen wurde und dass die Nadeln nicht stimuliert wurden. Bei beiden Akupunkturversionen war die Linderung noch nach einem halben Jahr nachweisbar. Studien, die die Behandlung über ein Jahr hinaus beobachteten, fehlen bislang.
Wenn Sie ernsthaft unter Migräne leiden und eine ärztliche Behandlung anstreben, sollten Sie ein Migräne-Tagebuch führen. Darin halten Sie Art, Dauer und mögliche Auslöser der Anfälle sowie deren Behandlung fest. Der Arzt kann anhand der Aufzeichnungen feststellen, welche Medikamente und wie viel davon Sie eingenommen haben, und kann dementsprechend die Behandlung anpassen.
Vorbeugung
Ob Stress, bestimmte Lebensmittel oder Lebensumstände Auslöser eines Migräneanfalls sind, lässt sich durch das Führen eines Migräne-Tagebuchs ergründen. Eventuell ergeben sich Zusammenhänge, auf die Sie dann im Alltag reagieren können: Ein bestimmtes Nahrungsmittel kann weggelassen werden oder belastende Situationen vermieden werden. Entspannungstechniken und körperliche Aktivität, wie sie unter "Allgemeine Maßnahmen" beschrieben sind, können ebenfalls vorbeugend wirken.
Einen Vordruck für ein Migräne-Tagebuch bietet beispielsweise das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG).
Wann zum Arzt?
Wer aufgrund der Beschwerden annimmt, dass er zum ersten Mal einen Migräneanfall erlebt, sollte vom Arzt beurteilen lassen, ob die Vermutung richtig ist oder nicht. Besonders wichtig ist das bei Kindern und Menschen über 50 Jahre.
Manche Menschen kommen bei einem leichten Migräneanfall ohne Übelkeit und Erbrechen mit einem ausreichend hoch dosierten Schmerzmittel aus, das ohne ärztliche Verordnung in der Apotheke erhältlich ist. Andere behandeln die Migräne, mit deren Symptomen sie im Laufe der Zeit vertraut sind, mit einem Triptan, das sie ebenfalls rezeptfrei erhalten. Wer jedoch an mehr als zehn Tagen im Monat Schmerzmittel - vor allem Triptane oder Schmerzmittelkombinationen mit Coffein – einnimmt, sollte sich unbedingt an einen Arzt wenden. Dann besteht nämlich die Gefahr, dass die Kopfschmerzen durch die eingenommenen Mittel zum Dauerzustand werden.
Denjenigen, die öfter als dreimal im Monat gegen Migräne vorgehen müssen, wird zu einer vorbeugenden Behandlung geraten. Dazu dienen in aller Regel Medikamente, die verschreibungspflichtig sind. Sie müssen mehrere Monate lang regelmäßig eingenommen werden. Zudem werden Kopfschmerzen vermieden, die als Reaktion auf die häufige Einnahme von Schmerzmitteln entstehen können. Näheres über Medikamente zur Migränevorbeugung lesen Sie unter Rezeptpflichtige Mittel.
Es gibt noch eine Reihe weiterer Umstände, bei denen die Selbstbehandlung von Migräne beendet und ein Arzt oder eine Ärztin hinzugezogen werden sollte. Wenn die Anfälle zunehmen, länger anhalten oder die Symptome zwischen den Anfällen nicht mehr vollständig vergehen, muss über eine andere Behandlung entschieden werden. Auch ein eventuell vorausgegangener Schlaganfall sollte ausgeschlossen werden. Ein solcher kann sich durch Lähmungen auf einer Körperseite während der Kopfschmerzattacke bemerkbar machen, durch Doppelbilder, Sprachstörungen oder Bewusstseinsstörungen. Ob ein Schlaganfall, der als Folge einer Gefäßerkrankung im Gehirn auftritt, bei Menschen mit Migräne möglicherweise häufiger vorkommt als bei anderen, ist nicht endgültig bewiesen.
Bei Kindern
Kopfschmerzen gehören bei Kindern zu den häufigsten Störungen. Bei Kindern unter fünf Jahren sollten sie immer zum Anlass genommen werden, sie ärztlich abklären zu lassen, um ernste Ursachen auszuschließen. Beschreiben die Kinder migräneartige Kopfschmerzen, muss dies ebenfalls von einem Arzt abgeklärt werden.
Seh-, Sprech- oder Bewegungsstörungen sowie unstillbares Erbrechen oder Wesensveränderungen des Kindes müssen immer ärztlich abgeklärt werden.
Behandlung mit Medikamenten
Bei der Therapie wird unterschieden, ob ein akuter Anfall gestoppt oder weiteren Migräneanfällen vorgebeugt werden soll. Rezeptfreie Mittel stehen nur zur Behandlung von akuten Migräneattacken zur Verfügung. Die am häufigsten angewendeten Medikamente zur Vorbeugung einer Migräne sind rezeptpflichtig – Überblick zu den Testergebnissen der Migränemittel.
Die Behandlung richtet sich danach, ob ein Anfall leicht oder schwer ist und wie lange dieser erfahrungsgemäß anhält. Die Einstufung nimmt der Migränebetroffene entsprechend seiner Erfahrung selbst vor.
Bei lang andauernden Migräneattacken sind gegen Ende der Wirkdauer der Migränemittel erneut auftretende Migränekopfschmerzen möglich („Wiederkehrkopfschmerzen“). In solchen Situationen können wiederholte Einnahmen von Migränemitteln zu einer zu häufigen Anwendung und zu Überdosierungen führen. Das ist vor allem in der Selbstbehandlung von Migränekopfschmerzen zu beachten. Wenn trotz korrekter Anwendung der Mittel sich Migränekopfschmerzen nicht ausreichend bessern oder gar häufiger auftreten, sollten Sie dies mit Ihrem Arzt besprechen.
Rezeptfreie Mittel
Eine leichte Migräneattacke lässt sich mit rezeptfreien Schmerzmitteln bekämpfen. Neben der Schmerzlinderung werden mit dieser Behandlung auch eventuelle Begleitbeschwerden wie Übelkeit, Licht- und Lärmempfindlichkeit gelindert. Als hierfür "geeignet" werden Acetylsalicylsäure und Ibuprofen bewertet.
Auch das freiverkäufliche Schmerzmittel Naproxen – wie Ibuprofen ein Vertreter der NSAR – ist gut wirksam gegen Migräne. Von den Vertretern dieser Wirkstoffgruppe ist mit Naproxen das geringste Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen verbunden. Menschen mit Nierenerkrankungen sollten aber keine NSAR einnehmen. Auch Paracetamol kann bei einer leichten Migräneattacke die Schmerzen lindern. Der schmerzlindernde Effekt dieser Mittel hält vier bis sechs Stunden an.
Hat der Arzt ein Mittel gegen Übelkeit verordnet, weil auch diese bekämpft werden muss, sollte dieses Mittel 15 bis 30 Minuten vor dem Schmerzmittel eingenommen werden, damit das Schmerzmittel nicht wieder erbrochen wird. Mittel gegen Übelkeit sind aber nur sinnvoll, wenn die Beschwerden häufiger auftreten. Viele Patienten mit leichten Attacken brauchen diese Mittel nicht. Wenn Übelkeit bereits vorliegt, hat sich auch die Anwendung von Paracetamol-Zäpfchen als hilfreich erwiesen.
Am schnellsten wirken Schmerzmittel in flüssiger Form, beispielsweise aufgelöst aus Brausetabletten. Nach 30 bis 45 Minuten sollten die Schmerzen deutlich gelindert oder vergangen sein. Kehren die Kopfschmerzen wieder, nachdem sie sich schon gebessert hatten, kann die Schmerzmittelgabe wiederholt werden. Die Dosis über die jeweils empfohlene maximale Menge hinaus zu steigern, ist aber nicht sinnvoll. Die Mittel wirken dadurch weder besser noch länger, können aber mehr und im Einzelfall auch gefährliche Nebenwirkungen auslösen.
Erweist sich eine solche Behandlung von Migräneanfällen als unzureichend, können zur Eigenbehandlung Almotriptan, Naratriptan und Sumatriptan aus der Reihe der Triptane eingesetzt werden. Diese speziellen Migränemedikamente werden bei einem mittelschweren bis schweren Migräneanfall als "geeignet" bewertet, wenn die Behandlung mit herkömmlichen Schmerzmitteln nicht ausreicht. Bei der Selbstbehandlung mit Triptanen sind deren Anwendungshinweise, Gegenanzeigen und Wechselwirkungen besonders sorgfältig zu beachten. Wichtig zu wissen: Triptane sind nicht zur Vorbeugung von Migräneattacken geeignet, sondern entfalten ihre schmerzstillende Wirkung akut bei einem schwereren Migräneanfall. Weitere Triptane mit etwas anderen Wirkmustern sind rezeptpflichtig. Wenn die rezeptfreien Wirkstoffe für Ihre Art der Migräneattacken nicht gut passen, sprechen Sie mit Ihrem Arzt über einen alternativen Wirkstoff aus dieser Wirkstoffklasse.
Die therapeutische Wirksamkeit von Phenazon bei Migräne ist nur durch eine einzige Studie belegt. Um das Risiko einschätzen zu können, das sich mit dieser Substanz möglicherweise verbindet, gibt es keine hinreichenden Unterlagen. Die Substanz wird als "mit Einschränkung geeignet" bewertet, zumal es geeignete, besser zu beurteilende Schmerzmittel gibt.
Die Kombination aus zwei Schmerzmitteln und Coffein hat keinen größeren Nutzen als Mittel mit nur einem Schmerzwirkstoff. Die Kombinationspartner verbessern die Wirksamkeit nicht nennenswert, können aber das Risiko für unerwünschte Wirkungen steigern. Die Kombination mit Coffein kann zudem den Missbrauch fördern. Diese Kombination wird daher als "wenig geeignet" bei Migräne beurteilt.
Gleichgültig, ob rezeptfreie oder rezeptpflichtige Substanzen bei Migränekopfschmerzen angewendet werden: Ein zu häufiger Gebrauch birgt das Risiko, dass sich ein durch die Mittel erzeugter Dauerkopfschmerz entwickelt.
Bei Kindern
Kinder sprechen auf eine Behandlung mit Ibuprofen oder Paracetamol meist gut an.
Rezeptpflichtige Mittel
Zur Behandlung der Schmerzen einer leichten Migräneattacke können Sie statt der rezeptfrei verfügbaren Schmerzmittel auch das NSAR Diclofenac verordnet bekommen. Es wird hierfür als "geeignet" bewertet. Wie andere NSAR kann auch Diclofenac eventuelle Begleitbeschwerden wie Übelkeit, Erbrechen, Licht- und Lärmempfindlichkeit lindern.
Kehren die Kopfschmerzen wieder, nachdem sie sich schon gebessert hatten, kann die Schmerzmittelgabe wiederholt werden. Die Dosis bei der Behandlung einer akuten Attacke über die jeweils empfohlene Menge hinaus zu steigern, ist aber nicht sinnvoll. Das Mittel wirkt dadurch weder besser noch länger.
Um eine sehr ausgeprägte Übelkeit bei Migräne zu dämpfen, wird Metoclopramid als "geeignet" bewertet. Wird es 15 bis 30 Minuten vor dem Schmerzmittel eingenommen, kann es zudem die Aufnahme des Schmerzmittels in den Körper verbessern.
Erweist sich eine Migränebehandlung mit NSAR als unzureichend, kann ein Vertreter der Triptane ausprobiert werden. Neben den bereits rezeptfrei erhältlichen Almotriptan, Naratriptan und Sumatriptan stehen noch andere Wirkstoffe aus der Gruppe der Triptane zur Verfügung. Die verschiedenen Triptane wirken auf ähnliche Art und Weise, auch ihre Wirkeffekte sind vergleichbar. Lediglich bei Verwendung der jeweiligen Maximaldosis scheinen einzelne Triptane wie Rizatriptan oder Eletriptan besser wirksam als Sumatriptan – allerdings sind dann auch vermehrt Nebenwirkungen zu befürchten.
Die Triptane unterscheiden sich aber in ihrer Wirkdauer oder darin, wie häufig ein Migräneanfall wiederkehrt. Sie wirken besser, wenn sie genommen werden, solange der Kopfschmerz noch leicht ist. Triptane wirken nicht vorbeugend. Sie sollten daher nicht eingenommen werden, wenn noch kein Kopfschmerz besteht.
Wenn ein Triptan nicht ausreichend gewirkt hat, kann es sinnvoll sein, ein anderes zu versuchen. Triptane wirken bei Migräne, bei Spannungskopfschmerz hingegen in der Regel nicht. Sie werden bei einem mittelschweren oder schweren Migräneanfall als "geeignet" bewertet.
Die Kombination von einem Triptan und dem Schmerzmittel Naproxen kann die schmerzstillende Wirkung des Triptans zwar geringfügig erhöhen, geht aber mit mehr Nebenwirkungen einher. Die kombinierte Anwendung der beiden Wirkstoffe kann daher nicht empfohlen werden. Ein Triptan und Naproxen gleichzeitig einzunehmen ist allenfalls vertretbar, wenn die Anwendung eines Triptans alleine im individuellen Fall immer wieder keine ausreichende Schmerzlinderung ergibt.
Die festgelegte Kombination aus Paracetamol und Metoclopramid enthält ein Schmerz- und ein Magenmittel. Dafür, dass eine solche Kombination Übelkeit und Erbrechen deutlicher bessert als ein Schmerzmittel allein, gibt es lediglich Hinweise. Unklar ist ferner, ob die Wirksamkeit des Kombinationsmittels der empfohlenen zeitversetzten Einnahme von Schmerz- und Magenmittel ebenbürtig ist. Daher wird diese Kombination als "wenig geeignet" bewertet.
Bei Kindern
Von den Triptanen können Sumatriptan und Zolmitriptan als Nasenspray bei Kindern und Jugendlichen ab zwölf Jahre eingesetzt werden.
Metoclopramid sollte bei unter 16-Jährigen vermieden werden, da es bei Kindern schwere unerwünschte Wirkungen haben kann.
Zur Anfallvorbeugung
Migräneanfällen lässt sich mit der regelmäßigen Einnahme eines Medikaments vorbeugen. Eine solche vorbeugende Behandlung sollte nur unter bestimmten Voraussetzungen begonnen werden:
- der Leidensdruck ist besonders hoch und deswegen die Lebensqualität eingeschränkt
- aufgrund der häufigen Migräneanfälle kommt es zu einem übermäßigen Gebrauch von Medikamenten. "Übermäßig" bedeutet, es werden an mehr als zehn Tagen im Monat Triptane oder Kombinationsschmerzmittel eingenommen. Enthält das Schmerzmittel nur einen Wirkstoff, gelten 15 Einnahmetage pro Monat als Grenze.
Ist eine dieser Vorbedingung erfüllt, wird eine Migränevorbeugung empfohlen, wenn:
- es mehr als drei mittelschwere bis schwere Migräneattacken im Monat gibt.
- die Migräneanfälle regelmäßig länger als 72 Stunden dauern.
- Mittel zur Akutbehandlung nicht ausreichend wirken oder nicht vertragen werden.
- die Anzahl der Migräneanfälle zunimmt, sodass an mehr als zehn Tagen im Monat Migränemittel eingenommen werden müssen.
Eine medikamentöse Vorbeugung verringert die Zahl der Attacken und ihre Intensität. Darüber hinaus werden Kopfschmerzen vermieden, die infolge der häufigen Einnahme von Schmerzmitteln entstehen können.
Etwa sechs von zehn Migränebetroffenen sprechen auf die medikamentöse Vorbeugung an. Völlig anfallfrei werden sie in der Regel jedoch nicht. Durchschnittlich halbiert sich die Zahl ihrer Attacken gegenüber vorher. Ob und wie sich die Migräne durch die vorbeugende Arzneimittelanwendung beeinflussen lässt, ist erst nach einer sechs- bis zwölfwöchigen Einnahme zu erkennen. Um die Wirkung gut beurteilen zu können, sollte bereits einen Monat vor Beginn und während der gesamten Behandlung ein Migräne-Tagebuch geführt werden. Spricht der Betroffene auf das Arzneimittel an, kann nach sechs bis zwölf Monaten versucht werden, das Mittel wegzulassen.
Als Vorbeugemittel wird der Betablocker Metoprolol zum Einnehmen als "geeignet" bewertet. Propranolol, ebenfalls ein Betablocker, dagegen gilt als „auch geeignet“. Es wirkt nur kurz und muss mehrmals täglich eingenommen werden, was die regelmäßige Anwendung am Tag erschweren kann.
Der monoklonale Antikörper Erenumab (Aimovig) muss zur Migräneprophylaxe alle vier Wochen unter die Haut gespritzt werden. Er kann bei schwerer Migräne eingesetzt werden, wenn geeignete Vorbeugemittel nicht ausreichend helfen konnten. Da jedoch die Verträglichkeit dieses neuartigen Wirkstoffs bei einer Langzeittherapie noch nicht ausreichend bekannt ist, ist er „mit Einschränkung geeignet". Auch fehlen Studien, die Erenumab mit seinem neuen Wirkprinzip direkt mit Betablockern vergleichen.
Als weiterer Wirkstoff wird Topiramat zur vorbeugenden Behandlung von Migräneattacken eingesetzt. Als Arzneimittel bei Epilepsien ist Topiramat schon länger im Gebrauch, hingegen sind die Erfahrungen bei Migräne, verglichen mit anderen Vorbeugemitteln gegen Migräne, geringer und es fehlen Studien, in denen Topiramat direkt mit bewährten Vorbeugemitteln verglichen wird. Aus diesem Grund und wegen teilweise ausgeprägter Nebenwirkungen wird Topiramat als "mit Einschränkung geeignet" bewertet. Es sollte erst verwendet werden, wenn die geeigneten Betablocker nicht ausreichend wirken, nicht vertragen werden oder gar nicht eingesetzt werden können.
Die gleiche Bewertung erhält Botulinumtoxin zur Vorbeugung chronischer Migräneanfälle. Es sollte nur angewendet werden, wenn andere vorbeugend wirkende Medikamente nicht ausreichend wirksam waren. Das Mittel wird in verschiedene Muskelpartien im Kopf- und Nackenbereich gespritzt und kann die Anfallrate geringfügig senken. Bei fehlerhafter Anwendung drohen allerdings schwere Nebenwirkungen. Derzeit ist die Nutzen-Risiko-Bilanz noch schlecht einzuschätzen.
Bei Kindern
Derzeit ist in Deutschland kein Mittel zur Vorbeugung von Migräneanfällen bei Kindern zugelassen. Bisher gibt es zu keinem Medikament genügend Studien, die eine Einschätzung erlauben, ob der Nutzen für Kinder und Jugendliche die möglichen unerwünschten Wirkungen aufwiegt.
Neue Medikamente
In den letzten Jahren wurden zur Vorbeugung von Migräne mehrere neue Arzneimittel in den Handel eingeführt. Es handelt sich in allen Fällen um monoklonale Antikörper. Diese Art von Wirkstoffen wird derzeit intensiv beforscht.
Monoklonale Antikörper können bei ganz unterschiedlichen Erkrankungen eingesetzt werden, da sie die Eigenschaft haben, im Körper sehr spezifische Moleküle zu binden und damit zu blockieren. Anders als etwa bekannte Schmerzmittel besitzen solche Wirkstoffe keine einfache chemische Struktur. Vielmehr handelt es sich bei Antikörpern um komplexe Eiweißverbindungen, die gentechnisch hergestellt werden müssen. Das Herstellungsverfahren ist entsprechend aufwändig, die Mittel meist recht teuer.
Bei Migräne dürfen neben Erenumab auch die monoklonalen Antikörper Fremanezumab und Galcanezumab zur Vorbeugung eingesetzt werden, wenn mindestens vier Migränetage im Monat auftreten. Monoklonale Antikörper blockieren einen bestimmten Eiweißkörper (CGRP, Calcitonin gene-related peptide), der an der Migräneentstehung beteiligt ist.
Die Mittel werden monatlich in das Unterhautfettgewebe gespritzt. Galcanezumab kann auch, dann in einer höheren Dosis, vierteljährlich gegeben werden. Die therapeutische Wirksamkeit der beiden Antikörper ist nachgewiesen: Im Vergleich zu einer Scheinbehandlung treten Migräneattacken seltener auf. Dass die Mittel Migräneattacken besser vorbeugen als die bereits bekannten Mittel, z. B. die Betablocker Metoprolol und Propranolol, ist dagegen nicht nachgewiesen. Man erwartet allerdings, dass diese Mittel wirksam sind, wenn die üblichen Vorbeugemittel versagen oder nicht vertragen werden.
Es sollte aber berücksichtigt werden, dass die Langzeitverträglichkeit von monoklonalen Antikörpern bisher noch nicht gut einzuschätzen ist. In klinischen Studien traten als unerwünschte Wirkungen Reaktionen an der Injektionsstelle, Juckreiz, Verstopfung und Muskelkrämpfe häufig auf.
Ob die Substanzen das bei Migränepatienten und -patientinnen ohnehin schon erhöhte Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankung weiter verschlechtern können, ist noch nicht hinreichend geklärt. Deshalb unterliegen diese Mittel einer zusätzlichen Überwachung durch die Arzneimittelbehörden.
Für Kinder und Jugendliche ist die therapeutische Wirksamkeit der Mittel nicht nachgewiesen. Für die Anwendung bei Menschen über 65 Jahren liegen nur wenige Daten vor. Das gilt auch für Personen, bei denen bereits schwere Herz-Kreislauferkrankungen wie Angina Pectoris und Herzinfarkt oder Schlaganfall in der Vorgeschichte aufgetreten sind.
Wegen der unzureichenden Erfahrungen sollten auch schwangere Frauen sicherheitshalber auf diese Mittel verzichten.
In seinen frühen Nutzenbewertungen führt das IQWiG Fremanezumab (Ajovy) und Galcanezumab (Emgality) auf. Zu diesen – auch vorstehend kurz vorgestellten – Mitteln wird die Stiftung Warentest ausführlich Stellung nehmen, sobald sie zu den häufig verordneten Mitteln gehören.
Frühe Nutzenbewertung des IQWiG
Fremanezumab (Ajovy) bei Migräne
Fremanezumab (Handelsname Ajovy) ist seit März 2019 in Deutschland zur Vorbeugung von Migräne zugelassen. Es kommt für Erwachsene infrage, die mindestens vier Tage im Monat Migräne haben.
Bei einem Migräneanfall setzen plötzlich heftige Schmerzen ein, oft auf einer Kopfseite. Sie sind deutlich stärker als gewöhnliche Kopfschmerzen und werden als pulsierend, pochend oder hämmernd empfunden. Meist tritt eine Migräne mit zusätzlichen Beschwerden auf: Übelkeit, Erbrechen oder auch Empfindlichkeit gegen Licht und Geräusche. Unbehandelt halten die Beschwerden zwischen vier Stunden und drei Tagen an. Eine Migräne kann den Alltag erheblich einschränken.
Fremazenumab ist ein Antikörper. Er hemmt die Wirkung eines bestimmten Proteins (Calcitonin Gene-Related Peptide, abgekürzt CGRP), das bei der Entstehung von Migräneanfällen eine Rolle spielt. Dadurch soll Migräneanfallen vorgebeugt werden.
Anwendung
Fremanezumab wird entweder einmal im Monat in einer Dosierung von 225 mg oder alle drei Monate in einer Dosierung von 675 mg unter die Haut gespritzt. Innerhalb von drei Monaten nach Behandlungsbeginn sollte der Behandlungserfolg bewertet und über eine Fortsetzung der Therapie entschieden werden.
Andere Behandlungen
Für bis dahin unbehandelte Personen oder Patientinnen und Patienten, bei denen mindestens eine vorbeugende Therapie nicht ausreichte oder nicht vertragen wurde, kommen in der Regel Metoprolol, Propranolol, Flunarizin, Topiramat oder Amitriptylin infrage. Helfen auch diese Wirkstoffe nicht, können Valproinsäure oder bei bestimmten Patientinnen und Patienten Clostridium botulinum Toxin Typ A zum Einsatz kommen. Sind alle genannten Therapien zur Vorbeugung ungeeignet, kommt eine bestmögliche unterstützende Behandlung (BSC) infrage. Die unterstützende Behandlung soll sich an den individuellen Bedürfnissen orientieren, Beschwerden lindern und die Lebensqualität verbessern.
Bewertung
Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat 2019 geprüft, ob Fremanezumab zur Vorbeugung von Migräneanfällen Vor- oder Nachteile im Vergleich zu den Standardtherapien hat.
Der Hersteller legte für Personen, für die eine bestmögliche unterstützende Behandlung (BSC) infrage kommt, eine Studie mit 583 Patientinnen und Patienten vor. Davon wurden 388 Personen mit Fremanezumab behandelt, während die anderen 195 Personen ein Placebo erhielten. Alle Teilnehmenden erhielten zusätzlich eine BSC-Therapie. Es wurden überwiegend Frauen untersucht, die durchschnittlich 14 Migränetage pro Monat hatten. Es zeigten sich folgende Ergebnisse:
Welche Vorteile hat Fremanezumab?
- Migränetage pro Monat: Die Studie deutet hier auf einen Vorteil von Fremanezumab hin: Nach Beginn der Behandlung verringerte sich die Zahl der Migränetage bei etwa 37 von 100 Personen mindestens um die Hälfte. Bei den mit Placebo behandelten Personen war das nur bei etwa 10 von 100 Personen der Fall.
- Allgemeine Beeinträchtigung durch Kopfschmerz: Hier weist die Studie auf einen Vorteil von Fremanezumab hin. Die Personen mit Fremanezumab fühlten sich beispielsweise bei der Arbeit oder alltäglichen Aktivitäten weniger beeinträchtigt durch die Migräne als die Personen mit Placebo.
- Gesundheitsbezogene Lebensqualität: Auch hier weist die Studie auf einen Vorteil hin: Die mit Fremanezumab behandelten Personen fühlten sich bei alltäglichen Aktivitäten durch die Migräne weniger eingeschränkt als die mit Placebo behandelten Personen. Einen Vorteil gab es auch bei den Auswirkungen der Migräne auf die emotionale Verfassung.
Welche Nachteile hat Fremanezumab?
Es zeigten sich keine Nachteile von Fremanezumab im Vergleich zu Placebo.
Wo zeigte sich kein Unterschied?
- Schwere Nebenwirkungen: Traten nur bei 1 von 100 Personen in jeder Gruppe auf.
- Therapieabbrüche wegen Nebenwirkungen: Auch hier gab es keinen Unterschied.
- Gesundheitszustand: Es gab hier ebenfalls keinen Unterschied zwischen den Therapien
Weitere Informationen
Dieser Text fasst die wichtigsten Ergebnisse eines Gutachtens zusammen, das das IQWiG im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) im Rahmen der Frühen Nutzenbewertung von Arzneimitteln erstellt hat. Der G-BA beschließt auf Basis des Gutachtens und eingegangener Stellungnahmen über den Zusatznutzen von Fremanezumab (Ajovy).
Frühe Nutzenbewertung des IQWiG
Galcanezumab (Emgality) bei Migräne
Galcanezumab (Handelsname Emgality) ist seit November 2018 in Deutschland zur Vorbeugung von Migräne zugelassen. Es kommt für Erwachsene infrage, die mindestens vier Tage im Monat Migräne haben. Bei einem Migräneanfall setzen plötzlich heftige Schmerzen auf einer Kopfseite ein. Sie sind deutlich stärker als gewöhnliche Kopfschmerzen und werden als pulsierend, pochend oder hämmernd empfunden. Meist tritt eine Migräne mit zusätzlichen Beschwerden auf: Übelkeit, Erbrechen oder auch Empfindlichkeit gegen Licht und Geräusche. Unbehandelt halten die Beschwerden zwischen 4 Stunden und 3 Tagen an. Eine Migräne kann den Alltag erheblich einschränken. Häufig werden dann Medikamente gegen die Beschwerden eingesetzt. Galcanezumab ist ein Antikörper. Er hemmt die Wirkung eines bestimmten Proteins (Calcitonin Gene-Related Peptide, abgekürzt CGRP), das bei der Entstehung von Migräneanfällen eine Rolle spielt. Dadurch soll Migräneanfallen vorgebeugt werden.
Anwendung
Galcanezumab wird mit einem Fertigpen angewendet, mit dem der Wirkstoff unter die Haut (subkutan) gespritzt wird. Der Fertigpen enthält 120 mg Galcanezumab. Wer mit der Behandlung beginnt, spritzt sich 240 mg des Wirkstoffs – das entspricht zwei Fertigpens. Dann wird die Behandlung mit monatlich einer Spritze (120 mg) fortgesetzt. Bessern sich die Beschwerden nach drei Monaten nicht, sollte ein Absetzen der Therapie abgewogen werden.
Andere Behandlungen
Für nicht vorbehandelte Personen sowie Patientinnen und Patienten, bei denen mindestens eine vorbeugende Therapie nicht ausreichte oder nicht vertragen wurde, kommt abhängig vom bereits ausprobierten Wirkstoff Metoprolol, Propranolol, Flunarizin, Topiramat oder Amitriptylin infrage. Bleiben diese Wirkstoffe ohne Erfolg oder sind sie nicht geeignet, können Valproinsäure oder Clostridium botulinum Toxin Typ A zum Einsatz kommen. Sind alle Therapien zur Vorbeugung ungeeignet, kommt eine bestmögliche unterstützende Behandlung (Best Supportive Care – BSC) infrage. Die unterstützende Behandlung soll sich an den individuellen Bedürfnissen orientieren, Beschwerden lindern und die Lebensqualität verbessern.
Bewertung
Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat 2019 geprüft, ob Galcanezumab für Erwachsene mit Migräne im Vergleich zu den Standardtherapien Vor- oder Nachteile hat.
Der Hersteller legte Studien mit Personen vor, die bereits mindestens zwei Therapien erfolglos ausprobiert hatten. Für die Bewertung konnten aus drei Studien die Daten von insgesamt 218 Personen ausgewertet werden. Insgesamt wurden 70 Personen mit Galcanezumab behandelt, die anderen 148 Teilnehmenden bekamen ein Placebo. Beide Gruppen erhielten zusätzlich eine bestmögliche unterstützende Behandlung und wurden je nach Studie 3 bis 6 Monate behandelt. In zwei der Studien hatten die Personen durchschnittlich etwa 9 und in der dritten Studie etwa 20 Tage im Monat Migräne. Es zeigten sich für diese Personen folgende Ergebnisse:
Welche Vorteile hat Galcanezumab?
Migränetage pro Monat: Die Studien weisen hier auf einen Vorteil von Galcanezumab hin. Nach Beginn der Behandlung mit Galcanezumab hatten etwa 51 von 100 Personen maximal halb so viele Migränetage wie vorher. Bei den mit Placebo behandelten Personen war das nur bei etwa 12 von 100 der Fall.
Auch bei der Veränderung der Migräne weisen die Studien auf einen Vorteil von Galcanezumab im Vergleich zu Placebo hin.
Welche Nachteile hat Galcanezumab?
Es zeigten sich keine Nachteile von Galcanezumab im Vergleich zu Placebo.
Wo zeigte sich kein Unterschied?
Für folgende Aspekte ließ sich kein Unterschied zwischen den Behandlungen nachweisen:
- Schwere der Migräne
- Schwere Nebenwirkungen
- Therapieabbrüche aufgrund von Nebenwirkungen
Gesundheitsbezogene Lebensqualität: Bei alltäglichen und sozialen Aktivitäten, Arbeit, Konzentration, sowie emotionaler Beeinträchtigung durch die Migräne ließ sich kein relevanter Unterschied zwischen Galcanezumab und Placebo nachweisen.
Weitere Informationen
Dieser Text fasst die wichtigsten Ergebnisse der Gutachten zusammen, die das IQWiG im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) im Rahmen der Frühen Nutzenbewertung von Arzneimitteln erstellt hat. Der G-BA beschließt auf Basis der Gutachten und eingegangener Stellungnahmen über den Zusatznutzen von Galcanezumab (Emgality).
https://www.g-ba.de/bewertungsverfahren/nutzenbewertung/450/