Allgemeines
In der Zeit, in der sich beim Embryo die Organe entwickeln, werden bei einem Jungen auch die Hoden angelegt. Sie liegen zunächst im Bauchraum und wandern durch einen Verbindungsgang in den Hodensack. Bei etwa 3 von 100 neugeborenen Knaben – aber bei 30 von 100 Frühgeborenen – ist dieser Prozess bis zur Geburt noch nicht abgeschlossen (Kryptorchismus). Bei etwa 7 von 100 betroffenen Jungen geschieht das dann im Laufe des ersten Lebensjahrs, meist innerhalb der ersten sechs Monate.
Hat einer der Hoden oder haben beide in dieser Zeit den Bestimmungsort nicht von selbst erreicht, muss ärztlich eingegriffen werden; andernfalls drohen schwerwiegende Schäden.
So kann die Fruchtbarkeit beeinträchtigt sein; im schlimmsten Fall droht Sterilität. Das beruht darauf, dass bei der Temperatur, die im Bauchraum herrscht, in den Hoden keine befruchtungsfähigen Spermien reifen. Je früher behandelt wird, desto größer ist die Chance, dass der Mann später eine normale Zahl gereifter Spermien produziert.
Bei Hoden, die im Bauchraum verbleiben, steigt darüber hinaus das Krebsrisiko. Üblicherweise erkrankt 1 von 50 000 Männern an Hodenkrebs. Wenn nicht dafür gesorgt wird, dass die Hoden außerhalb des Körpers liegen, steigt dieses Risiko um mehr als das Sechsfache.
Um auf derartige Veränderungen frühzeitig aufmerksam zu werden, sollten alle Jungen ab dem 15. Lebensjahr und Männer, deren Hodenhochstand behandelt wurde, ihre Hoden regelmäßig selbst untersuchen. Dabei sollten sie insbesondere auf schmerzlose Vergrößerungen achten.
Anzeichen und Beschwerden
Im Hodensack ist kein oder nur ein Hoden zu fühlen. Manchmal ist er zwar etwas höher, im Leistenkanal, zu tasten (Leistenhoden), lässt sich aber von dort nicht nach unten an seinen eigentlichen Platz schieben.
Bei anderen Jungen lässt sich der Hoden zwar in den oberen Teil des Hodensacks schieben, er gleitet aber sofort wieder in den Leistenkanal zurück (Gleithoden), wenn man ihn loslässt.
Leisten- und Gleithoden bedürfen ärztlicher Behandlung. Das ist anders bei einem Pendelhoden, bei dem die Hoden zwar z. B. bei Kälte hochgezogen werden, in entspanntem Zustand jedoch an ihrem vorgesehenen Platz im Hodensack bleiben. Pendelhoden bedürfen keiner Behandlung.
Ursachen
Noch während der Entwicklung im Mutterleib beginnen die Hormondrüsen des Kindes zu arbeiten. Im Gehirn bildet der Hypothalamus Hormone, die die Hirnanhangdrüse stimulieren. Dadurch produziert sie vermehrt eine Gruppe Hormone, die Gonadotropinen. Eines dieser Gonadotropine, das luteinisierende Hormon (LH), veranlasst die Hoden des Fetus, Testosteron auszuschütten. Das Signal dieses Sexualhormons brauchen die Hoden, um ihren Weg in den Hodensack anzutreten. Mangelt es an Testosteron, weil eine der Gehirndrüsen nicht genügend von ihren jeweiligen Hormonen produziert, erreichen die Hoden ihren vorgesehenen Ort nicht.
Allgemeine Maßnahmen
Derzeit wird empfohlen, die Hodenstellung möglichst in den ersten zwölf Lebensmonaten zu korrigieren. Die Hoden werden – mit Ausnahme von Gleithoden – operativ an ihren vorgesehenen Platz gebracht. Eine Operation ist immer dann nötig, wenn die Hoden so liegen, dass sie auf natürlichem Weg den Hodensack nicht erreichen können, oder wenn zusätzlich ein Leistenbruch vorliegt. Die Operation ist bei 92 von 100 Jungen erfolgreich, deren Hoden außerhalb des äußeren Leistenrings liegen, und bei 74 von 100 Jungen, deren Hoden sich in der Bauchhöhle befinden.
Wann zum Arzt?
Ein Hodenhochstand muss auf jeden Fall ärztlich behandelt werden. Hat einer der Hoden oder haben beide den Bestimmungsort nach der Geburt nicht von selbst erreicht, wird unter ärztlicher Betreuung das erste halbe Lebensjahr abgewartet, ob sich die Hoden spontan in den Hodensack absenken. Passiert dies nicht, muss behandelt werden, da sonst schwerwiegende Schäden drohen.
Behandlung mit Medikamenten
Liegen die Hoden günstig, können sie bei Hodenhochstand auch mit einer Hormontherapie angeregt werden, sich abzusenken.
Die alleinige Anwendung einer Hormontherapie wird aber nur noch bei Gleithoden empfohlen, also bei Jungen, bei denen die Hoden ohne mechanisches Hindernis in den Hodensack abgleiten können. Bei ihnen erscheint ein Therapieerfolg durch Hormone am wahrscheinlichsten.
Untersuchungen haben gezeigt, dass es nicht sinnvoll ist, mit der Behandlung bis zum vollendeten ersten Lebensjahr zu warten. Nach dem sechsten Lebensmonat ist ein spontanes Absinken der Hoden kaum noch zu erwarten. Ab dem 6. Lebensmonat kann bei Gleithoden eine Hormonbehandlung begonnen werden. Falls diese erfolgslos sein sollte, reicht dann die Zeit noch aus, um vor Vollendung des ersten Lebensjahres die Hoden operativ zu verlegen.
Rezeptpflichtige Mittel
Zur Hormontherapie wird ein Nasenspray mit dem Hormon Gonadorelin eingesetzt. Dieser Wirkstoff löst über eine Kette von Stoffwechselreaktionen die Bildung von Testosteron in den Hoden aus. Bei etwa einem Fünftel der Jungen wandern die Hoden durch diesen Hormonschub aus dem Bauchraum in den Hodensack hinab. Das Mittel ist für diese Behandlung mit Einschränkung geeignet. Gonadorelin soll nur dann eingesetzt werden, wenn der Hoden tastbar ist und sich in den Hodensack schieben lässt. Wenn diese Behandlung misslingt, muss zudem gewährleistet sein, dass eine Operation noch vor Vollendung des ersten Lebensjahres möglich ist.
Choriongonadotropin wird eingesetzt, um festzustellen, ob die Hoden überhaupt im Bauchraum liegen oder womöglich gar nicht angelegt sind. Das ist notwendig, wenn sich die Hoden bei der ärztlichen Untersuchung nicht tasten lassen. Dazu wird das Hormon einmal in hoher Dosierung gespritzt. Befindet sich im Körper des Jungen Hodengewebe, das auf diese Hormongabe reagieren kann, steigt der Testosteronspiegel im Blut an. Bestätigen die Blutuntersuchungen diesen Hormonanstieg, ist gesichert, dass der Junge mit funktionsfähigen Hoden geboren wurde. Für diesen Test wird das Mittel als "geeignet" bewertet.
Choriongonadotropin wird - in niedriger Dosierung - auch zur Behandlung des Hodenhochstand ab einem Alter von sechs Monaten eingesetzt. Das Mittel wird über mehrere Wochen verabreicht. Es führt bei einigen Jungen dazu, dass die Hoden ohne operativen Eingriff in den Hodensack wandern. Hierfür ist das Mittel "mit Einschränkung geeignet". Eingesetzt werden sollte es nämlich nur, wenn es sich um Gleithoden handelt und bei einem Misserfolg der medikamentösen Behandlung noch ausreichend Zeit verbleibt, um den Hoden noch vor dem ersten Geburtstag operativ zu verlegen.
Nach einer erfolgreichen Hormonbehandlung sollten die Hoden ein Jahr lang alle drei Monate, später halbjährlich ärztlich kontrolliert werden, da sich bei bis zu 25 von 100 medikamentös behandelten Jungen die Hoden wieder in den Bauchraum zurückziehen. Ist ein zunächst an seinem Platz angekommener Hoden nicht mehr zu tasten, muss er operativ in die richtige Position gebracht werden.