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Epilepsien

Allgemeines

Epilepsien sind Anfallkrankheiten. 7 bis 8 von 1 000 Personen in Deutschland sind davon betroffen. Pro Jahr erkranken zwischen 2 und 3 von 10 000 Menschen neu an einer epileptischen Erkrankung.

Bei einem Anfall entlädt sich ganz plötzlich die elektrische Spannung einer Gruppe von Nervenzellen im Gehirn über einen meist kurzen Zeitraum.

Epilepsien werden danach unterteilt, ob an den Krampfanfällen von Anfang an beide Gehirnhälften beteiligt sind (generalisierte Anfallformen) oder ob sie von einem Herd ausgehen (fokale Anfallformen). Im Erwachsenenalter sind etwa zwei Drittel der Anfälle fokale Anfallsformen, im Kindesalter kommen dagegen die generalisierten Anfallsformen häufig vor. Die Diagnosemethoden der Neurologie machen es möglich, die Art der Krampfanfälle noch weiter zu differenzieren. Das ist hilfreich, um die Ursache der Epilepsie zu bestimmen und das am besten geeignete Medikament auswählen zu können.

Bei jedem Menschen kann das Gehirn von einem Krampfanfall erfasst werden. Beispielsweise entwickeln kleine Kinder häufig einen Fieberkrampf. Beim Entzug von Alkohol und Drogen, bei zu niedrigem Blutzuckerspiegel (Hypoglykämie) und als unerwünschte Wirkung von Arzneimitteln können ebenfalls Krampfanfälle auftreten. Nur bei wiederholten, vom Gehirn ausgehenden Krampfanfällen, für die es keinen erkennbaren Auslöser gibt, wird von Epilepsie gesprochen.

Anzeichen und Beschwerden

Generalisierte Anfallformen

Am bekanntesten ist der "große Anfall" (Grand Mal; generalisierter tonisch-klonischer Anfall). Die Betroffenen werden plötzlich bewusstlos und stürzen zu Boden, ihre Muskulatur versteift sich. Nach etwa einer halben Minute beginnen sie krampfartig zu zucken. Während der ein bis zwei Minuten, die der Anfall dauert, setzt die Atmung aus. Während eines solchen Anfalls können Urin und Kot abgehen.

Bei einem "kleinen generalisierten Anfall" (Petit Mal) setzt das Bewusstsein wenige Sekunden lang aus (Absencen). Manche dieser "kleinen Anfälle" treten typischerweise in einem bestimmten Alter oder zu bestimmten Tageszeiten auf. Manchmal sind sie mit anderen Anfallformen kombiniert.

Fokale Anfallformen

Bei diesen Epilepsien werden einfach und komplex fokale Anfallformen unterschieden. Der Unterschied liegt darin, inwieweit das Bewusstsein während des Anfalls beeinträchtigt ist.

Einfach fokale Anfälle gehen mit Muskelzuckungen oder Gefühlsstörungen, oft auch mit ungewöhnlichen Sinneswahrnehmungen einher. Die Betroffenen erleben das Geschehen bewusst mit.

Bei einem komplex fokalen Anfall können ähnliche Symptome auftreten wie bei einem einfach fokalen Anfall. Die Betroffenen machen oft seltsame Bewegungen und Geräusche. Die darüber hinaus bestehenden Bewusstseinsstörungen können von leichter Benommenheit bis zur Bewusstlosigkeit reichen. An den stattgefundenen Anfall erinnert sich der Betroffene nicht.

Beide Formen fokaler Anfälle können in einen generalisierten Anfall übergehen (sekundär generalisierter Anfall).

Status epilepticus

Von einem "Status epilepticus" spricht man, wenn Krampfanfälle über Minuten bis Stunden wiederholt auftreten, ohne dass die Betroffenen dazwischen das Bewusstsein wiedererlangen. Ein solcher Status epilepticus kann zum Beispiel eintreten, wenn eine Therapie mit Antiepileptika abrupt abgebrochen wird. Dieser Zustand ist lebensbedrohlich und muss als Notfall behandelt werden.

Bei Kindern

Krampfanfälle können sich im Säuglings- und Kleinkindalter so zeigen, dass das Kind blitzartig zusammenzuckt, Arme und Beine nach vorne streckt, die Arme vor der Brust kreuzt und mit dem Kopf nickt. Nach diesen Bewegungen tragen die Anfälle den Namen BNS-Krämpfe (Blitz-Nick-Salaam). Die Erkrankung wird in der Medizin auch West-Syndrom genannt.

Ursachen

Wenn Nervenzellen untereinander Reize weiterleiten, fließt ein ganz geringer elektrischer Strom, weil in den Zellen – je nach ihrem Aktivitätszustand – die Konzentration von elektrisch geladenen Teilchen wechselt. Jeder Reiz löst eine Reaktion aus und viele solcher aufeinanderfolgenden Einzelaktionen führen dazu, dass man sich beispielsweise bewegt.

Bei Epilepsien ist eine Gruppe von Nervenzellen im Gehirn übersteigert erregbar. Unter bestimmten Bedingungen entladen sich alle Zellen dieser Gruppe gleichzeitig. Dann gibt es keine koordinierten Aktionen mehr, vielmehr finden sie sozusagen alle gleichzeitig in Form eines Krampfes statt.

Vieles kann solche übererregbaren Nervenzellen veranlassen, sich gleichzeitig zu entladen. Beispielsweise kann der Fluss der elektrisch geladenen Teilchen in den Zellen beeinträchtigt sein, wenn das Gehirn zu wenig Zucker oder zu wenig Sauerstoff bekommt. Oder es sind die Botenstoffe überreichlich vorhanden, die die Nervenzellen aktivieren, oder es mangelt an jenen Botenstoffen, die die Aktivitäten bremsen.

Für die Behandlung ist es wichtig zu wissen, an welcher Stelle im Gehirn die übererregbaren Nervenzellen sitzen oder in welche Hirnregionen sich die Erregung ausbreitet. Dieses lässt sich rückschließen, wenn man beobachtet, wie sich der Krampfanfall entwickelt und welche Körperteile er erfasst. Auch die aufgezeichnete Hirnstromkurve (Elektroenzephalogramm, EEG) ist dabei hilfreich.

Die Neigung zu Epilepsien kann bei der Geburt bereits angelegt sein. Daneben können beispielsweise ein Hirnschaden vor der Geburt und Sauerstoffmangel während der Geburt die Erkrankung auslösen. Oft sind Erkrankungen wie Schlaganfall, Tumor, Entzündungen infolge einer Infektion, Stoffwechselstörungen und Gehirnverletzungen für eine Epilepsie verantwortlich. Gelegentlich bleibt die Ursache aber unbekannt.

Eine Reihe von Epilepsiekranken reagiert auf konkrete Auslöser mit einem Krampfanfall. Diese Auslöser können z. B. immer wieder aufblitzendes grelles Licht, Fernseh- und Computerbilder, bestimmte Töne, zu wenig Schlaf und Alkoholkonsum sein.

Bei Kindern

Bei kleinen Kindern können Epilepsien auf einer Krankheit beruhen, die die Mutter während der Schwangerschaft durchgemacht hat, oder darauf, dass das Gehirn des Kindes während der Geburt einen Sauerstoffmangel erlitten hat.

Kinder im Alter zwischen sechs Monaten und sechs Jahren erleiden relativ rasch einen Fieberkrampf. Etwa 5 von 200 Kindern sind betroffen. Ein Fieberkrampf ist nicht mit epileptischen Krampfanfällen gleichzusetzen. Dem erneuten Auftreten von Fieberkrämpfen lässt sich vorbeugen, indem das Fieber frühzeitig effektiv gesenkt wird.

Allerdings kann ein Fieberkrampf das erste Anzeichen einer Epilepsie sein. Um das herauszufinden, wird ein EEG gemacht, spätestens wenn ein Kind bei ansteigendem Fieber wiederholt Krampfanfälle gehabt hat.

Allgemeine Maßnahmen

Wer die Auslöser der Krampfanfälle kennt, muss sie unbedingt beachten. Ein regelmäßiger Lebensrhythmus mit gleichbleibenden Schlaf-Wach-Zeiten und Alkoholabstinenz können helfen, die Zahl der Krampfanfälle zu reduzieren.

Manche Anfallkranke können in einem verhaltenstherapeutischen Training lernen, gewohnte Verhaltensmuster zu verlassen und auf bestimmte Auslöser zukünftig nicht mehr mit einem Anfall zu reagieren. Eine ähnliche "Umprogrammierung" lässt sich auch mit dem Biofeedback-Verfahren erzielen.

Insbesondere bei Schläfenlappenanfällen kann, wenn die Behandlung mit zwei Epilepsiemedikamenten erfolglos geblieben ist, ein operativer Eingriff am Gehirn erwogen werden. Er kann die Krankheit bessern oder sogar dauerhaft heilen.

Wann zum Arzt?

Krampfanfälle müssen auf jedem Fall in ärztlicher Betreuung beurteilt und behandelt werden.

Behandlung mit Medikamenten

Voraussetzung für jede Dauerbehandlung einer Epilepsie mit Medikamenten ist, dass die Erkrankung mit eingehender Diagnostik bestätigt wurde.

Bei einem Krampfanfall können Zellen im Gehirn durch Sauerstoffmangel Schaden nehmen. Vorrangiges Ziel einer Epilepsiebehandlung ist es daher, Krampfanfälle zu unterbinden. Die dafür eingesetzten Medikamente können die Krankheit nicht heilen. Sie erhöhen aber die Reizschwelle, ab der sich die Gehirnzellen plötzlich und unkoordiniert entladen. Mit einer solchen Behandlung werden etwa 80 von 100 Menschen mit generalisierten Anfällen und etwa 60 von 100 mit Herdanfällen anfallfrei. Lassen sich die Anfälle nicht vollständig verhindern, soll zumindest ihre Zahl verringert werden.

Wenn die Krampfanfälle nur durch bestimmte Auslöser auftreten (Schlafentzug, Alkoholkonsum), ist eine Behandlung mit Medikamenten nicht unbedingt notwendig. Es müssen die Auslöser vermieden werden. Auch wenn ein Anfall nur einmalig auftritt, etwa bei einer akuten Kopfverletzung, ist eine Arzneimitteltherapie in der Regel nicht erforderlich.

Bei Grand-Mal-Anfällen wird eine dauerhafte medikamentöse Therapie in der Regel erst empfohlen, wenn zwei Anfälle aufgetreten sind, für die sich kein äußerer Anlass ausmachen lässt. In dieser Situation ist bei etwa der Hälfte der Betroffenen anzunehmen, dass sich die Anfälle im darauffolgenden Jahr wiederholen werden. Kann bei bildgebenden Untersuchungen ein Krankheitsherd, beispielsweise eine Narbe nachgewiesen werden, sollte schon nach dem ersten Anfall mit der Behandlung begonnen werden. Auch wenn der Betroffene selbst den dringenden Wunsch nach einer Therapie hat, kann die Behandlung bereits nach dem ersten Ereignis begonnen werden.

Bei bestimmten anderen Anfallformen, z. B. bei Absencen, ist es sehr wahrscheinlich, dass sich die Anfälle wiederholen. Bei solchen Formen wird daher die Behandlung sofort eingeleitet.

Das Medikament wird gemäß der festgestellten Anfall- und Epilepsieform und der individuellen Situation des Betroffenen ausgewählt. Dabei wird auch auf die unerwünschten Wirkungen Rücksicht genommen, die unterschiedlich belastend sein können. Üblicherweise wird versucht, mit einem Medikament auszukommen. Gelingt das nicht, kann eine Kombinationstherapie durchgeführt werden. Was Sie ganz allgemein bei der Behandlung mit Epilepsiemitteln wissen müssen finden Sie unter Epilepsiemittel gemeinsam betrachtet und unsere Bewertungen der Einzelmittel unter – Testergebnisse im Überblick.

Rezeptpflichtige Mittel

Zur Behandlung von Epilepsien werden folgende Arzneimittel als "geeignet" bewertet: Carbamazepin, Lamotrigin, Levetiracetam, Oxcarbazepin und Valproinsäure. Bei Frauen im gebärfähigen Alter darf Valproinsäure nur mit konsequenter nichtmedikamentöser Empfängnisverhütung eingesetzt werden, da es beim Kind zu schweren Schädigungen führen kann.

Sultiam eignet sich zur Behandlung der Rolando-Epilepsie, einer speziellen Epilepsieform bei Kindern. Ebenfalls vor allem bei Kindern tritt eine Epilepsieform auf, bei der das Bewusstsein für kurze Augenblicke aussetzt (Absencen). Für ihre Behandlung ist Ethosuximid geeignet.

Topiramat wird nur als Zusatzmittel mit "geeignet" bewertet, wenn die Epilepsie mit einem Mittel allein nicht ausreichend behandelt werden kann. Als alleiniges Epilepsiemittel eingesetzt, gilt Topiramat als "mit Einschränkung geeignet", denn es wirkt nicht besser als die Standardmedikamente, ist aber weniger gut verträglich.

Lacosamid wird in der Epilepsiebehandlung sowohl als alleiniges Mittel als auch als Zusatzmittel zu anderen Antiepileptika eingesetzt. Seine Wirksamkeit ist nachgewiesen. Da Lacosamid kaum Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln aufweist, ist der Wirkstoff insbesondere dann von Vorteil, wenn bereits andere Arzneimittel eingenommen werden oder wenn zur Epilepsiebehandlung mehrere Antiepileptika erforderlich sind. Ansonsten sind keine nennenswerten Vorteile von Lacosamid gegenüber den Standardmitteln belegt. Da es im Vergleich zu diesen aber speziell für die alleinige Behandlung einer Epilepsie noch wenig erprobt ist, wird es mit "auch geeignet" bewertet.

Als ebenfalls "auch geeignet", wenn geeignete Mittel nicht eingesetzt werden können oder nicht ausreichend wirken, gelten Phenobarbital, Phenytoin und Primidon. Diese Substanzen waren lange Zeit Standardmedikamente der Epilepsiebehandlung, werden aber zunehmend durch verträglichere Mittel verdrängt.

Pregabalin wird ebenfalls als "auch geeignet" bewertet. Es darf in Deutschland nur als Zusatzmittel zu anderen Antiepileptika gegeben werden. Als alleiniges Mittel scheint es bei der Epilepsiebehandlung nicht so wirksam zu sein wie die Standardmittel, z. B. Lamotrigin. Für die Zusatzbehandlung hat Pregabalin den Vorteil, dass nur wenige Wechselwirkungen mit anderen Mitteln zu erwarten sind. Allerdings sollte seine Langzeitverträglichkeit noch weiter untersucht werden.

Auch Brivaracetam darf nur als Zusatzmittel zu anderen Antiepileptika bei fokalen Anfällen angewendet werden. Brivaracetam ist dem Wirkstoff Levetiracetam chemisch verwandt. Die therapeutische Wirksamkeit von Brivaracetam ist nachgewiesen. Ob das Mittel allerdings besser wirkt als Levetiracetam oder ein anderes Mittel, das als zusätzliches Medikament gegeben werden kann, ist nicht untersucht. Wie bei Levetiracetam ist es vorteilhaft, dass das Mittel mit anderen Medikamenten kaum Wechselwirkungen hat. Da es noch wenig erprobt ist, wird es zur Zusatztherapie als „auch geeignet“ bewertet.

Perampanel darf ebenfalls nur als Zusatzmittel zu anderen Antiepileptika gegeben werden. Seine Wirksamkeit ist in Studien überwiegend bei Patienten untersucht worden, die mit mehreren anderen Mitteln keine ausreichende Kontrolle der Anfallshäufigkeit erreicht haben. Ob Perampanel allerdings in dieser Situation besser wirkt als andere Mittel, die ebenfalls als zusätzliche Medikamente gegeben werden können, ist nicht untersucht. Das Mittel wird vom Körper nur langsam abgebaut. Dies kann beim Auftreten von unerwünschten Wirkungen ein Nachteil sein. Es wird daher für die Zusatztherapie als „mit Einschränkung geeignet“ bewertet und sollte nur zum Einsatz kommen, wenn mit mindestens zwei anderen antiepileptischen Wirkstoffen keine ausreichende Anfallskontrolle erreicht werden kann.

Clonazepam zum Einnehmen wird als "mit Einschränkung geeignet" bewertet. Das Benzodiazepin ist seit langem im Handel, es finden sich aber nur wenige Studien, die seine Wirksamkeit und vor allem seine Verträglichkeit bei einer länger andauernden Anwendung nachweisen. Zudem ist bekannt, dass Benzodiazepine schon bald nach Beginn der Behandlung zu einer Gewöhnung führen können. Daher ist das Mittel nur noch bei bestimmten Epilepsieformen zu empfehlen, wenn besser bewertete Alternativen nicht eingesetzt werden können oder alleine nicht ausreichend wirksam waren.

Zonisamid kann bei Epilepsien sowohl als alleiniges Mittel als auch zusätzlich zu anderen Antiepileptika eingesetzt werden. Vorteile dieses Wirkstoffs gegenüber anderen Zusatzmitteln sind bislang nicht zu erkennen. Vielmehr verbindet sich mit der Substanz ein erhöhtes Risiko für allergische Reaktionen. Erfahrungen über eine Anwendung über lange Zeit liegen noch nicht vor. Zonisamid wird als "mit Einschränkung geeignet" bewertet. Es wird empfohlen, den Wirkstoff nur bei Menschen anzuwenden, die auf besser zu beurteilende Mittel nicht ausreichend angesprochen haben.

Gabapentin wird nur bei fokalen Epilepsien angewendet. Da es aber wahrscheinlich weniger wirksam ist als die Standardmedikamente, wird es als "mit Einschränkung geeignet" bewertet.

Status epilepticus

Der Notarzt, der zu einem Menschen mit einem Status epilepticus gerufen wird, wird ein antiepileptisches Medikament infundieren. Hierfür sind die Benzodiazepine Clonazepam und Lorazepam geeignet. Auch Diazepam aus dieser Wirkstoffgruppe kann in Form von Injektionen eingesetzt werden oder als Lösung zur Einführung in den After und ist hierfür geeignet. Midazolam gibt es für die Behandlung lang anhaltender akuter Krampfanfälle bei Säuglingen, Kindern und Jugendlichen in Form einer Lösung, die ab einem Alter von sechs Monaten verabreicht werden kann. Das Mittel kann auch durch die Eltern gegeben werden. Hierfür ist die Midazolam-Lösung geeignet.

Phenytoin zum Spritzen wird für das Eingreifen bei einem Status epilepticus als "auch geeignet" bewertet, wenn geeignete Mittel nicht eingesetzt werden können oder nicht ausreichend wirksam sind.

Nach der Erstversorgung eines Status epilepticus müssen die Betroffenen für die weitere Behandlung in die Klinik.

Neue Medikamente

Bei Epilepsien verbindet sich mit neuen Arzneimitteln die Hoffnung, jenes Drittel von Kranken anfallfrei halten zu können, bei denen das mit den bisher gebräuchlichen Mitteln nicht gelungen ist. Die hier kurz vorgestellten Wirkstoffe sind als Zusatzmedikamente gedacht. Zum Teil sollen sie nur bei speziellen Epilepsieformen eingesetzt werden.

Rufinamid (Inovelon) ist als Zusatz zur Behandlung des Lennox-Gastaut-Syndroms zugelassen – einer schweren Form von generalisierter Epilepsie, die in erster Linie Kinder betrifft, sich aber bis ins Erwachsenenalter fortsetzen kann. Durch die Zusatzbehandlung mit Rufinamid lässt sich die Zahl der epileptischen Anfälle um etwa ein Drittel verringern.

Stiripentol (Diacomit) ist als Zusatztherapie bei bestimmten schweren und selten auftretenden Epilepsieformen im Kindesalter mit generalisierten Anfällen zugelassen, die mit Clobazam und Valproinsäure allein nicht ausreichend behandelt werden können. Das Mittel sorgt dafür, dass von den anderen Epilepsiemitteln mehr zur Wirkung gelangt. Derzeit ist unklar, ob man diesen Effekt nicht auch erreichen kann, indem man die bisherigen Medikamente höher dosiert.

Eslicarbazepin (Zebinix) ist als Zusatztherapie für Erwachsene und Kinder ab 6 Jahren mit fokalen Epilepsien zugelassen. Darüber hinaus kann es auch als alleiniges Antiepileptikum bei Erwachsenen mit fokaler Epilepsie eingesetzt werden. Es ähnelt den bewährten Wirkstoffen Carbamazepin und Oxcarbazepin. Ob Eslicarbazepin für die Behandelten gegenüber den beiden Standardtherapeutika relevante Vorteile bietet, ist noch nicht ausreichend untersucht.

Mit Epidyolex wurde Ende 2019 ein Antiepileptikum mit dem Wirkstoff Cannabidiol zugelassen. Das Mittel soll bei speziellen, schwer zu therapierenden Epilepsieformen (Dravet-Syndrom, Lennox-Gastaut-Syndrom), die vor allem bei Kindern auftreten, zusätzlich zu einem Benzodiazepin (Clobazam) eingesetzt werden. Die beiden Epilepsieformen gehören zu den "seltenen Erkrankungen". Epidyolex kann bei Kindern ab 2 Jahren zum Einsatz kommen. Mit der Zusatztherapie sinkt die Anzahl epileptischer Anfälle. In den Studien zur Beurteilung der therapeutischen Wirksamkeit wurden knapp 500 Patienten über 14 Wochen behandelt. Ärztliche Experten kritisieren die mangelnden Informationen aus den Studien. Weder ein längerfristiger Nutzen noch die Risiken können mit den vorliegenden Daten hinreichend bewertet werden. Bei den Risiken ist zu berücksichtigen, dass Cannabidiol neben Durchfall, Müdigkeit und Erschöpfung auch mit Leberfunktionsstörungen in Zusammenhang gebracht wird. Daher wird empfohlen die Notwendigkeit der Behandlung alle sechs Monate zu überprüfen. Wenn sich die Anfälle in dieser Zeit nicht um ein Drittel reduzieren, sollte die Behandlung beendet werden.

In seinen frühen Nutzenbewertungen führt das IQWiG Cenobamat (Ontozry) auf.

Zu diesem Mittel wird die Stiftung Warentest Stellung nehmen, sobald es zu den häufig verordneten Mitteln gehört.

Frühe Nutzenbewertung des IQWiG

Cenobamat (Ontozry) bei Epilepsie

Cenobamat (Handelsname Ontozry) ist seit April 2021 als Zusatztherapie für Erwachsene mit epileptischen Krampfanfällen zugelassen, bei denen eine vorherige Behandlung mit mindestens zwei antiepileptischen Arzneimitteln nicht ausreichte.

Epileptische Anfälle werden durch eine gestörte Aktivität von Nervenzellen im Gehirn ausgelöst. Die Anfälle äußern sich unter anderem durch Bewusstseins- und Wahrnehmungsstörungen, Muskelzuckungen bis hin zu starken Krämpfen und Unwohlsein. Meist geht ein Krampfanfall innerhalb einiger Sekunden bis Minuten vorüber.

Je nach Ausbreitung werden fokale und generalisierte epileptische Anfälle unterschieden: Fokale Anfälle bleiben auf einen kleinen Teil des Gehirns begrenzt: Muskelzuckungen oder -krämpfe betreffen nur einzelne Körperstellen.

Fokale Anfälle können sich aber auch auf das gesamte Gehirn ausbreiten – man spricht dann von einer „sekundären Generalisierung“. Generalisierte Krampfanfälle sind nicht unbedingt schwerer als fokale Anfälle, führen aber häufiger zu Bewusstlosigkeit und Krämpfen im ganzen Körper. Cenobamat beeinflusst im Gehirn die Aktivität von Nervenzellen und soll so Krampfanfälle verhindern.

Anwendung

Cenobamat wird einmal täglich als Tablette eingenommen. Die Dosis wird langsam gesteigert und individuell bestimmt. Die empfohlene Höchstdosis beträgt 400 Milligramm pro Tag.

Andere Behandlungen

Die Behandlung einer Epilepsie wird durch die Ärztin oder den Arzt individuell angepasst. Sie hängt unter anderem von der bestehenden Therapie sowie den vorher bereits verabreichten Wirkstoffen ab.

Bewertung

Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat 2021 geprüft, ob Cenobamat als Zusatztherapie für Erwachsene mit Epilepsie im Vergleich zu den üblichen Zusatztherapien Vor- oder Nachteile hat.

Um diese Frage zu beantworten, legte der Hersteller jedoch keine geeigneten Daten vor.

Weitere Informationen

Dieser Text fasst die wichtigsten Ergebnisse des Gutachtens zusammen, das das IQWiG im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) im Rahmen der Frühen Nutzenbewertung von Arzneimitteln erstellt hat. Der G-BA beschließt auf Basis des Gutachtens und eingegangener Stellungnahmen über den Zusatznutzen von Cenobamat (Ontozry).