Allgemeines
Depressionen sind psychische Erkrankungen, bei denen Erleben und Verhalten gestört sind. Gleichzeitig können auch körperliche Störungen vorliegen. Verschiedene Untersuchungen zeigen, dass Depressionen häufig gemeinsam mit z. B. Magengeschwüren, Migräne, Überempfindlichkeitsreaktionen und Herzerkrankungen auftreten.
Man unterteilt Depressionen in vier Schweregrade – leicht, mittelschwer, schwer oder sehr schwer ausgeprägt – und danach, ob sie dazu neigen, wiederholt aufzutreten, wobei es zwischen den einzelnen Depressionsphasen mehr oder minder lange krankheitsfreie Zeiten gibt. Zu den leichten Depressionen werden auch vorübergehende depressive Verstimmungszustände gezählt, die sich als Reaktion auf unbefriedigende, traurige oder sinnentleerte Lebensumstände einstellen können.
Bei der Einteilung der Erkrankungsformen wird darüber hinaus die Art der Symptome berücksichtigt. So unterscheidet man zwischen "agitiert-ängstlich-depressiven" und "gehemmt-depressiven" Erscheinungsformen. Eine "wahnhafte Depression" geht mit objektiv falschen Überzeugungen einher, beispielsweise der Überzeugung, verarmt, schuldig oder unheilbar krank zu sein, und bei denen der Kranke nicht in der Lage ist, seine Ansichten zu korrigieren.
Die saisonale Depression oder Winterdepression tritt vor allem in der dunklen Jahreszeit auf. Sie gilt als Störung des körpereigenen Biorhythmus.
Diese Formen von Depressionen werden als unipolare Depressionen zusammengefasst, um sie von den bipolaren Erkrankungen abzugrenzen. Bei Letzteren wechseln Phasen von Übererregtheit und krankhaften Stimmungshochs, die als Manie bezeichnet werden, mit Phasen von Depression oder Gesundheit.
Bei Kindern
Depressionen treten auch bei Kindern auf. Etwa 3 von 100 Kindern unter 13 Jahren sind davon betroffen. Es wird davon ausgegangen, dass bis zum 18. Lebensjahr fast ein Viertel der Jugendlichen einmal eine depressive Phase durchgemacht hat.
Anzeichen und Beschwerden
Menschen mit Depressionen interessieren sich für nichts mehr, können sich nicht mehr motivieren. Sie sind bedrückt, schwermütig, können sich kaum oder gar nicht mehr freuen. Sie sind jedoch nicht im üblichen Sinn traurig, sondern leiden im Gegenteil darunter, dass sie nur begrenzt in der Lage sind, Traurigkeit oder Trauer zu empfinden. Sie kapseln sich ab, quälen sich mit Selbstzweifeln und Selbstanklagen. Bewegungstempo und Denkgeschwindigkeit lassen nach. Oft essen die Betroffenen so wenig, dass sie erheblich an Gewicht verlieren. Der Schlaf ist fast immer schwer gestört. Meist wachen die Kranken sehr früh morgens auf oder ihr Schlaf ist zerhackt und nicht erholsam.
Häufig kommen weitere körperliche Beschwerden hinzu wie Schmerzen in verschiedenen Körperregionen, Muskelverspannungen, Verstopfung, Menstruationsstörungen, verringerte Libido oder eine gestörte Sexualität.
Obwohl das äußere Erscheinungsbild depressiv Kranker von Passivität bestimmt scheint, sind manche von ihnen innerlich sehr erregt (agitiert) und voller Ängste, die sich aber nicht auf etwas Konkretes richten. Sehr häufig haben sie das Gefühl, als Mensch nichts wert zu sein, und wünschen sich, alles hinter sich zu lassen. Solche Gedanken können sich bis zur Selbsttötungsabsicht steigern. Bei Menschen mit Depressionen ist es 30-mal wahrscheinlicher als bei anderen, dass sie Selbsttötungsgedanken in die Tat umsetzen. Deswegen und weil bei Menschen mit Depressionen darüber hinaus Herzerkrankungen häufiger vorkommen, haben sie ein etwa zwei- bis dreifach erhöhtes Sterberisiko im Vergleich zu Menschen ohne Depressionen.
Bei vielen Menschen mit Depressionen schwankt das Befinden im Tagesverlauf deutlich, wobei die Stimmung morgens üblicherweise ihren Tiefpunkt hat.
Ursachen
Bei vielen Depressionen ist die Ursache nur teilweise bekannt. Manche Konstellationen begünstigen das Entstehen und Wiederauftreten der Erkrankung. Diese stammen überwiegend aus fünf Bereichen:
- Familiär: Vor allem die bipolare (manisch-depressive) Krankheit tritt in manchen Familien gehäuft auf, was auf eine erbliche Komponente schließen lässt. Das Gleiche gilt für die Bereitschaft zur Selbsttötung.
- Körperlich: Viele hirnorganische und andere innere Krankheiten können Depressionen verursachen. Andererseits begleiten Depressionen häufig körperliche oder andere seelische Erkrankungen, z. B. Demenzerkrankungen, multiple Sklerose und Schizophrenien. Depressionen können auch unerwünschte Wirkungen von Medikamenten sein, beispielsweise von Interferon (bei multipler Sklerose), bestimmten Antibiotika (bei bakteriellen Infektionen) und Glucocorticoiden (bei Entzündungen, Immunkrankheiten). Ferner können Depressionen die Abhängigkeit von Alkohol und anderen Drogen begleiten.
- Seelisch: Menschen, die zu Depressionen neigen, glauben häufig, perfekt sein zu müssen. Sie sind unablässig bestrebt, ihren Wert durch Leistung zu beweisen – Verhaltensweisen, die die Psychologie als zwanghaft bezeichnet.
- Sozial: Der Verlust nahestehender Personen, berufliche Misserfolge und Vereinsamung verschärfen die Situation.
- Traumatisch: Nach einem schwerwiegenden, bedrohlichen, vielleicht sogar lebensbedrohlichen Ereignis wie einem schweren Unfall, Kriegs- und Gewalterfahrungen kann das Gefühl der Ohnmacht und Verzweiflung in eine chronische Depression münden. Auch die Nachricht einer schweren Erkrankung wie eine Krebsdiagnose führt bei jedem Fünften zu einer Depression.
Man nimmt an, dass sich als Folge solcher Störungen oder Erfahrungen die Konzentration einiger Botenstoffe im Gehirn verändert und diese biochemischen Veränderungen die psychische Störung widerspiegeln. Vermutlich spielt dabei eine chronische Überaktivierung der Stresshormone eine wichtige Rolle. Nach heutiger Auffassung ist chronischer Stress ebenfalls eine Ursache von Depressionen.
Auch eine Schwangerschaft und die Zeit unmittelbar nach der Entbindung ist bei Frauen mit einem erhöhten Risiko einer Depression belastet.
Bei Kindern
Die Ursachen für Depressionen bei Kindern sind die Gleichen wie bei Erwachsenen, nur erstrecken sie sich auf andere Bereiche, z. B. allgemeine Probleme in der Familie, Gewalterfahrungen und Schwierigkeiten in der Schule. Kinder aus Familien, in denen es bereits jemand mit Depressionen gibt, entwickeln diese Krankheit eher als Kinder aus unbelasteten Familien.
Allgemeine Maßnahmen
Menschen mit Depressionen brauchen Gesprächspartner, die ihnen zu verstehen geben, dass sie ihren Zustand nicht selbst verschuldet haben, sondern dass sie von einer Krankheit erfasst worden sind, die fachgerecht behandelt werden muss und kann. Gut gemeinte Ratschläge, wie mal wieder auszuspannen, sind ebenso sinnlos oder sogar gefährlich, wie die Aufforderung, sich "zusammenzureißen". Denn der depressive Mensch ist nicht zu faul oder unwillig etwas zu tun, sondern er kann es nicht. Die Betroffenen brauchen vielmehr Entlastung von ihren alltäglichen Verpflichtungen und das Gefühl, dass sie von jemandem, der keine Forderungen an sie stellt, verstanden und nicht allein gelassen werden. Manchmal hilft bereits eine solche Begleitung, die Auslöser zu erkennen, zu bewältigen und zu normalem Erleben und Verhalten zurückzufinden.
Die Wartezeit bis zum Beginn einer Psychotherapie kann lang sein. Manche Patienten können sie besser überbrücken, wenn sie sich einer sogenannten geführten Selbsthilfe anvertrauen. Näheres dazu erläutert die Untersuchung Psychotherapie online – geht das? Acht Programme im Test. Diese Art der Behandlung erfordert allerdings ein gewisses Maß an Eigeninitiative.
Psychotherapien sind bei Depressionen akzeptierte Behandlungsformen. Sie können bei leichten und mittelschweren Erkrankungen eine Alternative zur Behandlung mit Medikamenten sein. Werden bei einer schweren Depression beide Behandlungsarten kombiniert, unterstützen sie sich gegenseitig in ihrer Wirksamkeit.
Die gesetzlichen Krankenversicherungen Deutschlands haben festgelegt, für welche Psychotherapieformen sie im ambulanten Rahmen die Kosten übernehmen: die kognitive Verhaltenstherapie und psychodynamische Psychotherapien.
Eine sehr sorgfältig durchgeführte Studie konnte zeigen, dass mäßige bis schwere depressive Episoden mit einer kognitiven Therapie ebenso erfolgreich behandelt werden können wie mit einer kontinuierlichen medikamentösen Therapie. Der Behandlungserfolg zeigte sich bei den akuten Episoden für beide Therapieformen. Die Zahl der Rückfälle war allerdings nach zwei Jahren bei denen, die eine kognitive Therapie erhalten hatten, deutlich geringer als bei Patienten, die mit Medikamenten behandelt wurden. Die Untersuchung zeigte weiterhin, dass auch eine achtsamkeitsbasierte kognitive Therapie helfen kann, Rückfälle in die Depression zu vermeiden. Bei dieser Form der Psychotherapie lernen die Patienten zusätzlich, ihre Aufmerksamkeit gezielt auf die Wahrnehmung ihres Körpers zu richten.
Als Eigenmaßnahme können mäßige bis intensive sportliche Aktivität und Yoga die Symptome einer Depression verringern.
Des Weiteren können länger dauernde, sanfte Massagen des ganzen Körpers den Zustand depressiver Patienten erheblich verbessern.
Schlafentzug
Schlafentzug (Wachtherapie) bedeutet, entweder die ganze Nacht über wach zu bleiben oder nach drei Stunden Schlaf geweckt und dann wach gehalten zu werden. Diese Maßnahme beeinflusst den körpereigenen Tag-Nacht-Rhythmus und bessert bei manchen Menschen die Depression deutlich. Der Effekt hält zwar nur zwei bis drei Tage an, doch die Kranken erfahren dadurch, dass es Besserung geben kann und sie in ihrer Düsternis nicht gefangen bleiben müssen. Schlafentzug wird höchstens zweimal pro Woche durchgeführt.
Lichttherapie
Eine Lichttherapie kann nur Depressionen günstig beeinflussen, die in den lichtarmen Wintermonaten auftreten oder sich verschlimmern. Spricht der Behandelte darauf an, lässt die Depression innerhalb einer Woche nach. Dann sollte die Behandlung durchgängig während der ganzen lichtarmen Zeit fortgesetzt werden.
Zwei Arten von Lichttherapie müssen unterschieden werden: die Bestrahlung mit Sonnenlicht und die Anwendung von einzelnen Strahlungsanteilen des Sonnenlichts. Die Lichttherapie zur Behandlung von depressiven Störungen arbeitet mit Weißlicht. Bei einer solchen Lichttherapie sitzt man morgens zwischen sechs und acht Uhr ein bis zwei Stunden lang vor einer Lampe, die mit mindestens 2 500 Lux strahlt. Bei einer Lampe mit höherer Lichtintensität verkürzt sich die Behandlungszeit. Im Handel sind spezielle Lampen für diesen Zweck erhältlich; die Lichtintensität gewöhnlicher Leuchten oder Lampen reicht für eine antidepressive Wirkung nicht aus. Vor allem blaues Licht scheint wirksam zu sein. Scheint die Sonne jedoch vom wolkenlosen Himmel, genügt ihr Licht auch im Winter, wenn man sich ihm entsprechend lange aussetzt.
Elektrokrampftherapie
Bei der Elektrokrampftherapie (EKT) wird beim narkotisierten Patienten mit einem Gerät gezielt ein Krampfanfall hervorgerufen. Die Behandlung ist nicht schmerzhaft, ihre unerwünschten Wirkungen sind gering. Da aber sowohl Ärzte als auch Betroffene einer solchen Behandlung eher ablehnend gegenüberstehen und sie zudem erheblichen Aufwand erfordert, bleibt sie besonders schweren Krankheitsfällen vorbehalten. Die EKT gilt als Maßnahme der letzten Wahl bei schwersten Depressionen, die auf keine andere Therapie ansprechen, und wird auch bei Depressionen eingesetzt, die mit einer Psychose einhergehen. Für diese Menschen stellt sie häufig eine sehr wirksame Behandlungsmethode dar.
Wann zum Arzt?
Depressiv gefärbte Stimmungen, die nicht binnen Kurzem von selbst vergehen, sollten unbedingt ärztlich beurteilt werden. Nur in einem von Psychotherapeuten oder Arzt geleiteten Gespräch ist es möglich, die zugrunde liegenden Bedingungen zu erkennen und in den Lebenszusammenhang einzuordnen. Das wiederum ist unbedingt notwendig, um depressive Stimmungen von einer tiefer gehenden depressiven Störung abzugrenzen.
Bei mittelschweren bis sehr schweren Depressionen ist die therapeutische Wirksamkeit von Antidepressiva unbestritten. Ihr Einsatz liegt in der Hand des Arztes.
Menschen, die von einer unerträglich scheinenden Belastung niedergedrückt werden, erleichtern sich ihre Situation häufig, indem sie zu leicht verfügbaren Hilfsmitteln greifen: Sie rauchen viel und/oder trinken reichlich Alkohol und nehmen möglicherweise zu viel und zu lange Schlaf- und/oder Schmerzmittel ein. Diese "Selbsthilfemaßnahmen" können die Gesundheit jedoch erheblich schädigen. Wer zu solchen untauglichen "Bewältigungsstrategien" neigt, sollte sich lieber an einen Arzt wenden und mit ihm eine Therapie vereinbaren, die ihm hilft, die schwere Zeit zu überbrücken.
Behandlung mit Medikamenten
Unipolare Depressionen
Je nach Schweregrad klingen Depressionen auch ohne spezielles therapeutisches Eingreifen irgendwann ab. Allerdings kann das viele Monate oder gar Jahre dauern. Diesen langsamen Weg der Selbstheilung soll die Therapie beschleunigen.
Gerade bei leichten Depressionen hat die Auswertung zahlreicher Studien gezeigt, dass die Wirksamkeit einer Behandlung mit Antidepressiva und die einer Behandlung mit einem Scheinmedikament sich kaum voneinander unterscheiden. Wenn keine medikamentöse Behandlung erfolgt, sollte sich der Betroffene allerdings ärztlich oder psychologisch begleiten lassen. Depressionen können sich unversehens wandeln. Was als leichte Störung begann, kann sich innerhalb von Tagen zu einer schweren Erkrankung entwickeln.
Bei mittelschweren Depressionen kann die persönliche Neigung die Art der Therapie stärker bestimmen. Wer einer Arzneimitteltherapie ablehnend gegenübersteht, kann sich für eine psychotherapeutische Behandlung entscheiden. Am effektivsten wird es in vielen Fällen sein, Psychotherapie und medikamentöse Therapie gemeinsam einzusetzen.
Ist die Depression schwer ausgeprägt oder gibt es psychotische Anteile, sind Medikamente die Basis der Behandlung. Hier sollte die Therapie mindestens 6 bis 18 Monate dauern. Unter Umständen dauert sie auch lebenslang an. Wenn der bisherige Krankheitsverlauf eine wiederholte Selbsttötungsneigung erkennen lässt, kann der Arzt auch die Überleitung in eine Langzeitmedikation mit Lithium empfehlen.
Ziel einer Depressionsbehandlung ist, im akuten Zustand die depressive Stimmung, Angst, Selbstzweifel und das geminderte Selbstwertgefühl, Unruhe und Schlafstörungen zu lindern. Darüber hinaus sollen Selbstbeschädigung oder Selbsttötung verhindert werden. Im weiteren Verlauf der Behandlung sollen Stimmung und Antrieb nachhaltig verbessert werden. Hat sich der Betroffene stabilisiert, soll die Therapie einem Rückfall entgegenwirken.
Rezeptfreie Mittel
Nach Rücksprache mit einem Arzt können Sie eine vorübergehende depressive Störung zunächst mit dem Extrakt aus Johanniskraut behandeln. Dieser wird für die Selbstbehandlung von leichten depressiven Verstimmungszuständen unter der Voraussetzung als "geeignet" bewertet, dass er ausreichend hoch dosiert ist.
Viele Johanniskrautextrakte sind zur Behandlung der leichten Depression als rezeptfreie Produkte auf dem Markt. Darüber hinaus gibt es allerdings auch Johanniskrautpräparate, die für die Anwendung unter ärztlicher Betreuung bei mittelschweren depressiven Phasen gedacht sind. Diese Präparate sind verschreibungspflichtig.
Bei einer depressiven Stimmung, die klar als Reaktion auf äußere Ereignisse zu erkennen ist, kann es für begrenzte Zeit hilfreich sein, mit einem Schlafmittel die Nachtruhe sicherzustellen. Welche Mittel sich dafür eignen, lesen Sie unter Schlafstörungen. Diese medikamentöse Stütze sollten Sie aber nur einige Tage bis höchstens zwei Wochen lang in Anspruch nehmen.
Kombinationen von Johanniskraut mit anderen Pflanzenextrakten wie eine Mischung aus Baldrian + Johanniskraut oder die Mischung aus Baldrian + Johanniskraut + Passionsblume sollen bei leichten, vorübergehenden depressiven Verstimmungszuständen eingesetzt werden. Sie gelten als "wenig geeignet", denn diese Kombinationen sind nicht sinnvoll zusammengesetzt.
Traditionelle Arzneimittel
Außerdem gibt es freiverkäuflich auch sogenannte traditionelle Arzneimittel mit Johanniskraut, etwa in Drogerien. Dazu gehören zum einen Präparate, für die es lange Zeit ein erleichtertes Zulassungsverfahren in Deutschland gab. Voraussetzung für ihre Zulassung war, dass sie hierzulande schon vor 1978 freiverkäuflich auf dem Markt waren, gegen ihre Anwendung keine Bedenken vorlagen und ihre Sicherheit nicht angezweifelt wurde („traditionell angewendete Mittel“).
Zum anderen können Hersteller seit 2004 pflanzliche Mittel über das geltende EU-Recht vereinfacht in den Markt einführen. Voraussetzung hierfür ist, dass das Pflanzenmittel mindestens 30 Jahre – davon mindestens 15 Jahre in der EU – für die beanspruchte Indikation eingesetzt wurde, seine Wirkung plausibel erscheint und seine Sicherheit durch Daten ausreichend dargestellt werden kann. In diesem Fall kann das Produkt als Mittel zum „traditional use“ – also als traditionelles Pflanzenmittel – registriert werden. Bei „Medikamente im Test“ nehmen wir traditionell angewendete oder registrierte Pflanzenmittel grundsätzlich nicht auf (mehr: Besondere Therapierichtungen und traditionelle Arzneimittel).
Fünf traditionell angewendete Mittel hat die Stiftung Warentest in den Test von Johanniskrautpräparaten 11/2020 einbezogen, darunter Saft aus frischem Johanniskraut sowie Kapseln und Dragees mit Johanniskrautpulver, etwa von Tetesept, Kneipp und Zirkulin. Unsere Arzneimittelexperten bewerteten sie mit Blick auf den vorgesehenen Einsatz bei „vorübergehender geistiger Erschöpfung“. Ihr Fazit: Wenig geeignet. Denn die therapeutische Wirksamkeit der Mittel ist nicht ausreichend nachgewiesen. Im Labor untersuchten die Tester zudem, ob die Präparate mit giftigen Pyrrolizidinalkaloiden belastet waren (Details dazu unter Mittel mit Johanniskraut 11/2020).
Rezeptpflichtige Mittel
Antidepressiva können dazu beitragen, das Ziel einer Depressionsbehandlung zu erreichen. Allerdings wirken sie in den ersten Tagen der Behandlung anders als bei Anwendung über lange Zeit. Zu Beginn bessern sie rasch Symptome wie Angst und Unruhe. Im günstigsten Fall unterdrücken sie diese sogar vollständig. Der antidepressive Effekt setzt jedoch erst nach Tagen, mitunter auch erst nach ein bis drei Wochen ein. Wenn sich die Symptome gebessert haben, sollte das Mittel noch für mindestens sechs bis neun Monate weiter eingenommen werden.
Das generell bei depressiven Menschen erhöhte Risiko einer Selbsttötung, wird durch Antidepressiva allerdings nicht gesenkt. Dies ist lediglich für Lithiumsalze gesichert.
Welches Mittel gewählt wird, hängt zunächst davon ab, welche Symptome im Vordergrund stehen oder den Patienten am meisten belasten. Weitere Kriterien sind die Art der Depression, die es zu behandeln gilt:
- Wie stark ist die Depression ausgeprägt?
- Wie alt ist der Betroffene?
- Ist er schon mit Antidepressiva behandelt worden?
- War eine vorhergehende Behandlung erfolgreich?
- Liegen weitere Erkrankungen vor?
- Müssen regelmäßig andere Medikamente eingenommen werden?
- Welche Nebenwirkungen sollen soweit möglich vermieden werden?
Bei Depressionen mit großer Unruhe gelten die trizyklischen Antidepressiva Amitriptylin, Amitriptylinoxid, Doxepin und Trimipramin als "geeignet". Sie bieten auch dann Vorteile, wenn die depressive Störung von chronischen Schmerzen begleitet ist.
Stehen Angstzustände im Vordergrund, sind Clomipramin, Imipramin oder selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (z. B. Citalopram, Escitalopram, Fluvoxamin, Paroxetin, Sertralin) die bessere Wahl.
Die unerwünschten Wirkungen der trizyklischen Antidepressiva können viele Menschen belasten. Meist betreffen sie ältere Personen und solche mit Herz-Kreislauf-Problemen, aber auch Männer mit gutartiger Prostatavergrößerung. Vor allem für sie sind die selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer, SSRI, Citalopram, Escitalopram, Fluvoxamin, Paroxetin und Sertralin eine geeignete Alternative. Sie weisen allerdings nicht generell weniger Nebenwirkungen auf als trizyklische Antidepressiva, sondern andere. Besonders ausgeprägt und für viele Patienten problematisch sind die unter SSRI auftretenden Sexualstörungen.
Fluoxetin, das ebenfalls zu den SSRI gehört, wirkt viele Tage lang und weist zudem ausgeprägte Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln auf. Es wird deshalb als "mit Einschränkung geeignet" bewertet.
Die chemische Struktur von Tianeptin ähnelt zwar den trizyklischen Antidepressiva, doch seine Wirkung kommt auf andere Weise zustande. Daher sind auch die entsprechenden unerwünschten Wirkungen bei Tianeptin weniger stark ausgeprägt. Seine therapeutische Wirksamkeit sollte aber sowohl im Vergleich zu einer Scheinmedikation und auch zu den bisherigen Standardmedikamenten aus der Gruppe der trizyklischen Antidepressiva oder SSRI noch besser belegt werden. Es gibt Hinweise, dass das Mittel ein gewisses Risiko birgt, eine Abhängigkeit zu entwickeln. Aus diesen Gründen wird es als "mit Einschränkung geeignet" bewertet.
Fehlt dem Depressionskranken der Antrieb zu Aktivitäten, sind Wirkstoffe zu bevorzugen, die nicht oder kaum dämpfend wirken. Die selektiven Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer, SNRI, Duloxetin und Venlafaxin werden hierfür als "geeignet" beurteilt.
Milnacipran ist ebenfalls ein SNRI. Da es jedoch weniger gut in Studien untersucht ist, sind Wirksamkeit und Verträglichkeit des Mittels gegenüber anderen Antidepressiva nicht abschließend einzuschätzen. Es gilt als „mit Einschränkung geeignet“.
Monoaminoxidase-Hemmer, sogenannte MAO-Hemmer, werden bei Depressionen mit Antriebshemmung vor allem dann eingesetzt, wenn sie chronisch verlaufen und mit ungewöhnlichen Symptomen wie vermehrtem Schlafbedürfnis, gesteigertem Appetit, Stimmungsschwankungen und Empfindlichkeit einhergehen. Moclobemid gilt dabei als "auch geeignet", Tranylcypromin als "mit Einschränkung geeignet". Die schlechtere Bewertung von Tranylcypromin gegenüber Moclobemid beruht vor allem auf seinen ausgeprägten Wechselwirkungen mit vielen Lebensmitteln. Bei einer Behandlung mit Tranylcypromin müssen viele Nahrungsmittel gemieden werden, um schwere Herz-Kreislauf-Komplikationen zu vermeiden. Das erschwert seinen Einsatz im Alltag. MAO-Hemmer kommen infrage, wenn geeignete Mittel nicht wirksam sind oder aufgrund ihrer unerwünschten Wirkungen nicht eingesetzt werden können.
Die tetrazyklischen Antidepressiva Maprotilin, Mianserin und Mirtazapin sind Antidepressiva mit deutlich dämpfender Komponente. Mirtazapin zeigt eine gute antidepressive Wirksamkeit, die möglicherweise etwas schneller einsetzt als bei den SSRI und dem SNRI Venlafaxin. Es gilt als "geeignet". Bei einer Behandlung mit Mirtazapin muss aber im Vergleich zu den anderen Wirkstoffen häufiger mit Appetitsteigerung und Gewichtszunahme gerechnet werden. Mianserin wird als "mit Einschränkung geeignet" bewertet, da sich mit diesem Wirkstoff ein erhöhtes Risiko für schwere Blutbildungsstörungen verbindet. Auch Maprotilin ist mit Einschränkung geeignet. Es verursacht zwar relativ wenig unerwünschte Wirkungen, wirkt aber durchschnittlich 60 Stunden lang. Mit kürzer wirkenden Mitteln lässt sich die Behandlung besser steuern. Darüber hinaus gibt es Hinweise, dass das Risiko für Krampfanfälle bei der Einnahme von Maprotilin im Vergleich zu anderen Antidepressiva erhöht ist.
Die gleiche Bewertung gilt für Trazodon. Seine antidepressive Wirksamkeit sollte noch besser nachgewiesen werden. Außerdem hält seine müdemachende Wirkung den ganzen Tag über an und es kann bei Männern schwere Sexualstörungen auslösen.
Der selektive Dopamin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer Bupropion wird für Depressionen mit Antriebshemmung als "mit Einschränkung geeignet" beurteilt. Das Mittel ist bei Depressionen noch wenig erprobt, scheint aber schwächer zu wirken als andere Mittel. Seine therapeutische Wirksamkeit und seine Verträglichkeit sollten noch besser belegt werden.
Ein Medikament mit völlig anderem Wirkprinzip als die bisher genannten Antidepressiva ist Agomelatin. Es ist dem körpereigenen Hormon Melatonin verwandt, das den Tag-Nacht-Rhythmus des Menschen beeinflusst. Bei diesem Mittel sind weitere Studien erforderlich, um seinen therapeutischen Stellenwert bei der Behandlung von Depressionen besser einschätzen zu können. So zeigt die Mehrzahl der Studien zu Agomelatin, dass es besser wirkt als eine Scheinbehandlung. Aber es finden sich auch Studien, in denen dies nicht der Fall war. Das Mittel ist im Vergleich zu anderen Antidepressiva gut verträglich, kann aber die Leber schädigen. Daher wird es als "mit Einschränkung geeignet" bewertet.
Als pflanzliches Mittel ist Johanniskrautextrakt im Gebrauch. Verschreibungspflichtige Präparate mit Johanniskrautextrakt sind zur Behandlung mittelschwerer depressiver Phasen gedacht. Darüber hinaus gibt es rezeptfreie Produkte zur Anwendung bei leichten Depressionen. Aufgrund der vorliegenden Studien ist es vertretbar, bei einer mittelschweren depressiven Phase, die unter ärztlicher Betreuung medikamentös behandelt werden soll, Johanniskrautextrakt versuchsweise anzuwenden. Für eine längerfristige Behandlung ist der Extrakt "mit Einschränkung geeignet", weil noch nicht ausreichend geklärt ist, welchen Stellenwert er – auch im Vergleich zu anderen Antidepressiva – bei der üblicherweise notwendigen Langzeittherapie einer Depression hat. Zur Wirksamkeit von Johanniskrautextrakt bei länger andauernden mittelschweren Depressionen ist die Datenlage nicht einheitlich, bei schweren Depressionen reicht sie nicht aus, um eine Empfehlung auszusprechen. Soll Johanniskrautextrakt eingesetzt werden, muss er ausreichend hoch dosiert sein, was in den hier bewerteten Präparaten gewährleistet ist.
Sulpirid gehört im engeren Sinn nicht zu den Antidepressiva, sondern ist eher ein Neuroleptikum, das bei Psychosen eingesetzt wird. Die therapeutische Wirksamkeit bei Depressionen ist nicht ausreichend nachgewiesen. Sulpirid hat darüber hinaus beträchtliche unerwünschte Wirkungen auf das Hormonsystem. Bei Depressionen wird Sulpirid als „wenig geeignet“ bewertet.
Wenn das gewählte Antidepressivum nach zwei bis vier Wochen die Symptome nicht spürbar verbessert hat, kann es daran liegen, dass es nicht hoch genug dosiert wurde. Zum einen sollte deshalb bei einer Behandlung mit Antidepressiva angestrebt werden, die Standarddosis so schnell wie möglich zu erreichen. Ist aber unklar, ob das jeweilige Mittel in ausreichender Dosierung zum Einsatz kommt, kann eine Blutuntersuchung Klarheit schaffen. Je nach Ergebnis, kann bei trizyklischen Antidepressiva und dem SNRI Venlafaxin die Dosis dann erhöht werden. Ist damit keine Besserung zu erreichen, wird oft zu einem Wirkstoff aus einer anderen Wirkstoffklasse gewechselt. Gemäß den vorliegenden Studien ist diese Strategie jedoch wenig erfolgreich. Dagegen legen zumindest einige Studien nahe, dass sich die Krankheit besser mit einer Kombination aus trizyklischen Antidepressiva oder SSRI und Mirtazapin unter Kontrolle bringen lässt. Insgesamt ist die Studienlage hier aber widersprüchlich.
Eine andere wissenschaftlich gut untersuchte Möglichkeit ist, zusätzlich zu dem bisher angewendeten Antidepressivum noch Lithium einzunehmen. Eine solche zusätzliche Gabe wird als Augmentation bezeichnet und in der Regel vom Facharzt durchgeführt. Wenn sich aufgrund der zusätzlichen Behandlung mit Lithium die depressive Symptomatik verbessert, sollte die Kombinationsbehandlung für mindestens sechs Monate beibehalten bleiben. Lithium ist zudem das einzige Medikament, das bei einer Langzeitbehandlung nachweislich das Selbsttötungsrisiko wesentlich senkt.
Die verschiedenen Antidepressiva wirken in unterschiedlichem Maß beruhigend und schlafanregend. Bei den Mitteln, bei denen diese Wirkung nur gering oder gar nicht ausgeprägt ist, kann es beim Start der Behandlung notwendig sein, zusätzlich ein Benzodiazepin einzunehmen. Es gewährleistet einen erholsamen Schlaf und mildert tagsüber Angst und Unruhe. Diese Zusatzbehandlung darf aber höchstens vier Wochen lang dauern. Die geeigneten Substanzen finden Sie unter Angst- und Zwangsstörungen sowie unter Schlafstörungen. Eine derartige vorübergehende ergänzende Behandlung kann besonders bei den SSRI erforderlich werden.
Manisch-depressive Erkrankung
Bei manisch-depressiver Erkrankung (bipolare Störung), bei der die Krankheit entweder phasenweise auftritt oder sich mehrfach wiederholt, ist Lithium das Mittel der ersten Wahl. Der Wirkstoff wird als "geeignet" bewertet, um eine akute Manie zu behandeln und um bei bipolaren Störungen Rückfällen vorzubeugen. Lithium ist das einzige Medikament, von dem nachgewiesen ist, dass es bei längerer Einnahme das Selbsttötungsrisiko sehr deutlich senkt. Wenn Lithium aber nicht eingenommen werden darf oder wegen seiner Nebenwirkungen nicht infrage kommt, muss man auf andere Substanzen ausweichen.
Dann steht zur Akutbehandlung der Manie Valproinsäure zur Verfügung. Die Substanz kann die Symptome nachweislich lindern und wird als "geeignet" bewertet, wenn Lithium nicht infrage kommt. Die Auswirkungen einer solchen Behandlung – insbesondere, wenn sie über lange Zeit beibehalten wird – sind aber noch nicht so gut erforscht wie die von Lithium. Frauen, die Kinder bekommen können, dürfen allerdings nicht mit Valproinsäure behandelt werden, weil der Wirkstoff das Ungeborene schädigen kann.
Zur vorbeugenden Langzeitbehandlung von manisch-depressiven Erkrankungen werden Carbamazepin und Lamotrigin als "mit Einschränkung geeignet" bewertet, wenn Lithium nicht infrage kommt. Den Studien zufolge, in denen Carbamazepin mit Lithium verglichen wurde, scheint Lithium überlegen zu sein. Zudem sind bei Carbamazepin zahlreiche Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten zu beachten. Lamotrigin beeinflusst vor allem die depressiven Phasen einer bipolaren Erkrankung günstig. Seine therapeutische Wirksamkeit zur Vorbeugung gegen manische Phasen ist hingegen nicht ausreichend belegt.
Neue Medikamente
Esketamin ist ein Bestandteil von Ketamin, einem Wirkstoff der als Narkotikum und Schmerzmittel bekannt ist. Ketamin wird im Rahmen von Operationen eingesetzt. Der Stoff muss direkt in die Vene gegeben werden, da er sonst bei der Aufnahme in den Körper bereits seine Wirksamkeit verliert. Ketamin wird aufgrund seiner halluzinogenen Effekte in der Partyszene missbraucht („Special-K“).
Esketamin ist noch stärker schmerzlindernd als Ketamin. Für den europäischen Arzneimitttelmarkt wurde Esketamin Nasenspray (Spravato) bei Patienten mit einer schweren, therapieresistenten Depression zugelassen, die zusätzlich noch selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI, z. B. Citalopram, Paroxetin) oder Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI, z. B. Duloxetin, Venlafaxin) einnehmen.
Das Mittel ist nur für Patienten vorgesehen, die schon verschiedene vergebliche Behandlungsversuche hinter sich haben.
Das Mittel darf nicht direkt an die Patienten abgegeben werden, sondern nur unter ärztlicher Aufsicht angewendet werden. Zu groß wird das Missbrauchs- und Suchtpotenzial eingeschätzt. Es fehlen bisher noch Daten zur optimalen Dosierung und Therapiedauer des Mittels. Nach der Verabreichung muss der Patient über einen Zeitraum von etwa zwei Stunden ärztlich überwacht werden. Unmittelbar nach der Verabreichung kann der Blutdruck ansteigen und unter Umständen Beschwerden wie eine veränderte Wahrnehmung, „Weggetreten-sein“, Schwindelgefühl, seltsame Empfindungen und Benommenheit auftreten.
In drei Kurzzeitstudien über vier Wochen wurde im Vergleich zu Placebo (plus SSRI oder SNRI) anhand einer speziellen Werteskala eine Verbesserung der Beschwerden festgestellt (Montgomery-Åsberg Depression Rating Skala, verwendet zur Einschätzung des Schweregrads einer Depression). Diese Skala umfasst insgesamt 60 Punkte. Mit Esketamin ergibt sich gegenüber einer Scheinbehandlung eine Verbesserung um 3,5 Punkte auf dieser Skala. Dieser Unterschied ist eher gering. Außerdem weisen die Studien methodische Mängel, die dieses Ergebnis unsicher machen. Auch die Untersuchungen zur Verhinderung von depressiven Rückfällen durch Esketamin liefern noch kein verlässliches Bild. *
Neben diesem noch lückenhaften Wissen fehlen auch verlässliche Daten zum Suizidrisiko bei Langzeitanwendung. Experten sehen in erster Linie einen Vorteil des Mittels in der Schnelligkeit des Wirkeintritts. Esketamin wirkt innerhalb von Stunden. Der therapeutische Stellenwert des Mittels könnte damit noch am ehesten zur Akutbehandlung bei schweren depressiven Krisen liegen. Experten fordern, dass die Behandlungsdaten von Patienten in einem zentralen Register gesammelt und ausgewertet werden.
In seinen frühen Nutzenbewertungen führt auch das IQWiG Esketamin (Spravato) zur Behandlung einer Depression auf. Zu diesem Mittel wird die Stiftung Warentest – über die vorstehende Kurzeinschätzung hinaus – ausführlich Stellung nehmen, sobald es zu den häufig verordneten Mitteln gehört.
Frühe Nutzenbewertung des IQWiG
Esketamin (Spravato) bei Depression
Esketamin (Handelsname Spravato) ist seit Dezember 2019 für Erwachsene mit schwerer Depression zur Behandlung einer aktuellen mittelschweren bis schweren Episode zugelassen. Die Zulassung für den psychiatrischen Notfall erfolgte im Februar 2021. Es wird in Kombination mit einem oralen Antidepressivum wie folgt eingesetzt:
- wenn sich die Depression in der aktuellen Episode mit mindestens 2 Antidepressiva nicht verbessert hat
- oder als akute Behandlung zur schnellen Linderung depressiver Symptome bei psychiatrischem Notfall
Bei einer Depression dauern traurige Gefühle und negative Gedanken an und überschatten alles Handeln und Denken. Depressionen können ohne auslösendes Ereignis oder erkennbaren Grund auftreten. Betroffene fühlen sich oft, als ob sie in einem tiefen Loch festsitzen. Sie erleben sich als freudlos und antriebsarm, leiden unter starken Selbstzweifeln und empfinden sich als wertlos. Alltagsaktivitäten, Arbeit oder Lernen fallen schwer; Freunde, Familie und Hobbys werden vernachlässigt. Viele Betroffene haben Schlafstörungen. Manchmal hat eine Depression einen schweren Verlauf, die in Phasen verläuft, das heißt, zwischen den depressiven Episoden liegen längere beschwerdefreie Zeiträume. Schwere Episoden können bis hin zu Suizidgedanken oder -plänen führen.
Bei Depressionen stehen verschiedene Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Die wichtigsten sind eine Psychotherapie wie etwa die kognitive Verhaltenstherapie und eine Behandlung mit Medikamenten (Antidepressiva). Im Unterschied zu den klassischen Antidepressiva soll Esketamin innerhalb von Stunden wirken und die Symptome der Depression rasch lindern.
Anwendung
Esketamin ist als Nasenspray in einer Dosis von 28 mg pro Sprühstoß verfügbar.
Esketamin kann nur von einem Psychiater verordnet werden. Der Wirkstoff wird in der Arztpraxis angewendet. Das heißt, die Patientinnen oder Patienten sprühen unter Aufsicht das Spray in die Nase und bleiben solange in der Praxis, bis sie nach ärztlicher Einschätzung entlassen werden können. Da Esketamin nicht bei erhöhtem Blutdruck angewendet werden darf, wird vor der Anwendung der Blutdruck gemessen. Der Blutdruck sollte erneut 40 Minuten nach der Anwendung überprüft werden.
Andere Behandlungen
Bei depressiven Erwachsenen in mittelschwerer bis schwerer Episode, bei denen sich die Symptome mit mindestens 2 unterschiedlichen Antidepressiva nicht verbessert haben (therapieresistente Depression), kommt eine angepasste Therapie mit Lithium, Quetiapin retard oder die Kombination mit einem zweiten Antidepressivum wie Mianserin oder Mirtazapin infrage. Auch ein Wechsel auf einen anderen Wirkstoff ist eine Möglichkeit.
Bei depressiven Erwachsenen in mittelschwerer bis schwerer Episode, bei denen ein psychiatrischer Notfall vorliegt, kommen folgende Optionen infrage:
- Krisenintervention / Psychotherapie
- medikamentöse Akuttherapie zur Behandlung von Angst, Schlaflosigkeit, psychotischer Symptome, Unruhe
- antidepressive Therapie oder Optimierung der bestehenden Therapie
- elektrokonvulsive Therapie
Bewertung
Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat 2021 geprüft, ob Esketamin für depressive Erwachsene in mittelschwerer bis schwerer Episode im Vergleich zu den Standardtherapien Vor- oder Nachteile hat. Um diese Frage zu beantworten, legte der Hersteller jedoch keine geeigneten Daten vor.
Weitere Informationen
Dieser Text fasst die wichtigsten Ergebnisse eines Gutachtens zusammen, das das IQWiG im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) im Rahmen der Frühen Nutzenbewertung von Arzneimitteln erstellt hat. Der G-BA beschließt auf Basis der Gutachten und eingegangener Stellungnahmen über den Zusatznutzen von Esketamin (Spravato) als Behandlung und akuter Behandlung.pro Sprühstoß verfügbar.e. Auch ein Wechsel auf einen anderen Wirkstoff ist eine Möglichkeit. Esketamin (Spravato) als Behandlung und akuter Behandlung.
* aktualisiert am 10.10.2022