
Auf welche systolischen Werte (das ist der erste Wert bei der Messung) soll der Blutdruck abgesenkt werden: unter 140, 130 oder 120 Millimeter Quecksilbersäule (mmHg)?
Studienteilnehmer: Patienten mit hohem Risiko
In Fachkreisen wird diskutiert, auf welchen Wert der Blutdruck abgesenkt werden soll. Die Sprint-Studie (kurz für: Systolic blood pressure intervention trial) hat die Debatte vor einigen Jahren neu entfacht. An ihr nahmen über 9 000 Probanden im Alter von über 50 Jahren teil, die bereits an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung oder an einer Nierenerkrankung litten. Mehr als ein Viertel der Studienteilnehmer war über 75 Jahre alt, mehr als jeder achte war aktiver Raucher. Diese Personen hatten also alle ein hohes kardiovaskuläres Risiko. Allerdings waren Personen mit Diabetes oder mit einem Schlaganfall in der Vorgeschichte oder mit einer in den letzten sechs Monaten zu Beschwerden führenden Herzschwäche von der Studie ausgeschlossen.
Blutdruck mit Medikamenten senken
Intensiv oder weniger intensiv behandeln. Die ausgewählten Patienten wurden per Zufall einer von zwei Behandlungsgruppen zugeteilt – entweder mit dem Ziel, den Blutdruck durch Medikamente (Medikamente gegen Bluthochdruck) auf Werte unter 120 oder unter 140 mmHg zu senken. Dieser systolische Wert ist der erste Wert bei der Blutdruckmessung und wird in Millimeter Quecksilbersäule (mmHg) angegeben. Bei den intensiver behandelten Patienten betrug der Blutdruck nach einem Jahr durchschnittlich 121/69, bei den weniger intensiv behandelten 136/76.
Besondere Studienbedingungen. Von Experten wird aber angenommen, dass die in der Studie gefundenen Werte etwas unter denen liegen, die üblicherweise beim Arzt oder Zuhause gemessen werden. Denn in der Studie wurde der Blutdruck nach bestimmten Vorgaben gemessen, die in der Realität kaum eingehalten werden. Demnach ist davon auszugehen, dass die in der Studie gefundenen Werte bei üblicher Messung Blutdruckwerten von 130 bis 140 mmHg (bei intensiv behandelten Personen) und 140 bis 150 mmHg (bei weniger intensiv behandelten Patienten) entsprechen.
Unerwünschte Nebenwirkungen
Während der dreijährigen Studie starb von 90 intensiver Behandelten eine Person weniger als in der Vergleichsgruppe. Bei einem von 62 wurde eine schwere Herz-Kreislauf-Komplikation mehr vermieden als in der weniger intensiv behandelten Gruppe. Am meisten profitierten ältere Menschen und unter diesen Männer mehr als Frauen. Allerdings waren durch die intensive Blutdrucksenkung unerwünschte Wirkungen wie zu starkes Absinken des Blutdrucks, Elektrolytstörungen, akute Nierenschädigungen und kurze Ohnmachten häufiger. Bei einem von 45 intensiv Behandelten kam es zu einem schweren unerwünschten Ereignis, das in der anderen Gruppe nicht beobachtet wurde. Für die intensive Senkung müssen im Schnitt mehr als zwei blutdrucksenkende Wirkstoffe eingenommen werden.
Starke Blutdrucksenkung hilft Diabetikern nicht
Für die von der Sprint-Studie ausgeschlossenen Patienten mit Diabetes mellitus wurden in einer anderen Studie keine Vorteile einer so intensiven Blutdrucksenkung gefunden.
Nicht zu weit senken. Bei durchschnittlich 65-Jährigen mit mittlerem Risiko für eine kardiovaskuläre Komplikation hatte eine Blutdrucksenkung auf Werte um 128 mmHg keinen Vorteil gegenüber einer Senkung auf Werte um 134 mmHg. Es liegen zudem Studiendaten vor, nach denen ältere und gebrechliche Patienten bei allzu starker Blutdrucksenkung Gedächtnisprobleme bekommen und früher versterben können.
Individuelle Ziele festlegen
Auch wenn einiges für eine straffe Blutdrucksenkung spricht, muss das Therapieziel letztendlich individuell ermittelt werden. Wenn nach ausführlicher Diskussion der Vor- und Nachteile ein starkes Absenken des Blutdrucks vereinbart wird, muss gewährleistet sein, dass die Dosis gegebenenfalls auf Basis einer 24-Stunden-Blutdruckmessung angepasst wird, um eine Überbehandlung zu vermeiden. Außerdem müssen Nierenfunktion und Salzhaushalt regelmäßig durch den Arzt kontrolliert werden, um schwere Nebenwirkungen zu vermeiden. Bei älteren Patienten sollten auch die Angehörigen nach möglichen Nebenwirkungen der Therapie – Schwindel, Vergesslichkeit, gesteigertes Schlafbedürfnis – befragt werden.