Krankheiten verändern sich – auch zum Guten. Depressionen und Angsterkrankungen schwächen sich ab. Wenn Sie mit Medikamenten behandelt werden, kann der Punkt kommen, an dem Sie gemeinsam mit dem Arzt entscheiden, das Antidepressivum abzusetzen. Wie Sie hier am besten vorgehen können, sollten Sie mit dem Arzt beraten, denn Entzugssymptome können das Ende der Therapie schwierig gestalten.
Was passiert, wenn ich mein Medikament abrupt absetze?
Wenn Sie ein Antidepressivum plötzlich absetzen, können verschiedene Beschwerden auftreten:
- Schwindel
- Übelkeit
- Schlafstörungen
- Kopfschmerzen
- Zittern
- Reizbarkeit
- Ängstlichkeit
- Stromschlagartige Missempfindungen
Welcher Art diese Beschwerden sind und wie häufig sie auftreten, hängt von den Wirkstoffen ab. Insgesamt sind SSRI (zum Beispiel Paroxetin) und die SNRI (zum Beispiel Venlafaxin) Wirkstoffgruppen, bei denen sich das Absetzen häufig schwierig gestaltet. Die Absetzbeschwerden klingen meist innerhalb von zwei Wochen ab, selten halten sie mehrere Monate an.
Depressionsmittel: Viele verschiedene Gruppen
Gegen Depressionen werden diverse Wirkstoffe eingesetzt. Viele werden aufgrund ihrer Eigenschaften in größere Gruppen zusammengefasst, beispielsweise
- SSRI: Selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer
(engl.: selective serotonin re-uptake inhibitor), - SNRI: Selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer
(engl.: serotonin noradrenalin re-uptake inhibitor), - MAO-Hemmer: Monoaminooxidase-Hemmer.
Andere werden dagegen aufgrund ihrer chemischen Struktur zu einer Wirkstoffgruppe zusammengefasst, beispielsweise
- Trizyklische Antidepressiva, auch Trizyklika
- Tetrazyklische Antidepressiva
Wie kann ich den Entzugserscheinungen vorbeugen?
Damit das Ende der Depressionstherapie nicht von Entzugsproblemen überschattet wird, empfehlen Fachleute, die Präparate „auszuschleichen“, sie also über einen längeren Zeitraum – etwa über vier Wochen – immer geringer zu dosieren. Besonders einfach ist dieses Vorgehen dann, wenn Sie den Wirkstoff in Form von flüssigen Zubereitungen einnehmen können.
Flüssige Zubereitungen fehlen oft. Das ist aber in vielen Fällen nicht möglich, weil der jeweilige Hersteller keine derartigen Zubereitungen für seinen Wirkstoff anbietet. Das ist in der Praxis häufig ein Problem. Gegebenenfalls ist aber eine Herstellung der flüssigen Darreichungsform durch Apotheken möglich. Eine allmähliche Dosisminderung ist auch mit teilbaren Tabletten möglich.
Geändertes Einnahmeschema als Alternative. Ist die Tablette nicht teilbar, können Sie sich mit einem geänderten Einnahmeschema behelfen und das Mittel zum Beispiel nur noch jeden zweiten Tag einnehmen, nach einiger Zeit nur noch jeden dritten Tag, und so weiter.
Wie oft kommt es zu Entzugserscheinungen?
Wie oft schwere Probleme beim Absetzen auftreten, ist wissenschaftlich noch nicht ausreichend erforscht. Die ermittelte Häufigkeit schwankt zwischen 3 und 34 von 100 Patienten. Verschiedene Faktoren scheinen das Problem zu verstärken.
Wirkdauer hat einen Einfluss. So ist zum einen die Wirkdauer des eingenommenen Mittels wichtig. Das SSRI Fluoxetin beispielsweise wirkt sehr lange, bei diesem Stoff zeigen sich selten Absetzprobleme. Kürzer wirkende SSRI sind Paroxetin oder auch Sertralin, bei denen das Absetzen öfter problematisch ist.
Auch die Beendigung einer Therapie mit dem SNRI Duloxetin ist nicht immer einfach, am kompliziertesten gestaltet sie sich aber mit Venlafaxin. Wer ein SSRI oder ein SNRI über mehr als acht Wochen eingenommen hat, muss das Risiko beim Absetzen berücksichtigen.
Woher weiß ich, ob es sich um einen Rückfall oder um Entzugssymptome handelt?
Wird eine Behandlung mit Antidepressiva beendet und treten in der Folgezeit Beschwerden auf, ist es nicht immer eindeutig, ob Probleme durch das Absetzten des Medikamentes auftreten oder ob die Depression zurückgekehrt ist. Mit einer Eselsbrücke (FINISH, englisch: beenden) wird versucht, typische Entzugssymptome zusammenzufassen:
F |
flu-like symptoms, grippeähnliche Symptome |
I |
insomnia, Schlafstörungen |
N |
nausea, Erbrechen, Übelkeit |
I |
imbalance, Schwindel und Gleichgewichtsstörungen |
S |
sensory disturbances, stromschlagartige Missempfindungen |
H |
hyperarousal, Ängstlichkeit, Reizbarkeit. |
Die typischen Anzeichen einer Depression sind davon nicht immer leicht abzugrenzen. Schwermut, Antriebslosigkeit und eine Verlangsamung von Bewegung und Denken können eine Depression ebenso auszeichnen wie Appetit- und Schlaflosigkeit, Schmerzen und Verspannungen. Absetzbeschwerden treten häufig sehr schnell auf – ein bis drei Tage nach dem Ende der Behandlung. Diese Beschwerden klingen meist innerhalb von zwei Wochen ab, selten halten sie mehrere Monate an. Einen Rückfall beobachtet man meist erst deutlich später.