Nach Reaktorunfällen wie in Fukushima (2011) oder Tschernobyl (1986) fällt in der Diskussion um Gesundheitsgefahren durch radioaktive Strahlung oft das Stichwort "Jodtabletten". Deren Einnahme soll mögliche Schäden begrenzen.
Strahlung durch radioaktives Jod
Bei der Havarie eines Atomkraftwerks kann radioaktive Strahlung in die Umwelt gelangen. Sie stammt aus Spaltprodukten des angereicherten Urans, das im Reaktor als Kernbrennstoff verwendet wird. Einige davon senden jahrtausendelang radioaktive Strahlung aus. Ein radioaktives Element mit relativ kurzer Strahlungsdauer ist Jod 131. Schon nach etwa acht Tagen hat sich die Hälfte davon in ungefährliches Jod verwandelt.
Schilddrüse belastet
Die Schilddrüse braucht kontinuierlich eine gewisse Menge Jod, um es in Hormone einzubauen. Für gewöhnlich stammt dieses Jod aus der Nahrung und dem Trinkwasser. Wenn nach einem Reaktorunfall aber radioaktives Jod in die Umwelt gelangt, wird dieses ebenso wie nichtradioaktives Jod aus der Atemluft sowie über Lebensmittel und Wasser vom Körper aufgenommen. Dort reichert es sich in der Schilddrüse an und setzt Strahlung frei. Diese schädigt die Zellen und kann Schilddrüsenkrebs verursachen.
Jodsalz zur Vorbeugung
Ist ihr Speicher komplett mit Jod gefüllt, nimmt die Schilddrüse kein weiteres Jod mehr auf. Daher die Empfehlung, vor einer zu erwartenden hohen radioaktiven Belastung Jodtabletten einzunehmen: Die Speicher der Schilddrüse sollen mit nichtradioaktivem Jod gesättigt werden, bevor sie radioaktives Jod einlagern können. Dazu muss ein Jodsalz in sehr hoher Dosierung eingenommen werden. Die empfohlene Dosis beträgt:
- Für Erwachsene und Kinder über zwölf Jahre 130 Milligramm Kaliumjodid.
- Für Kinder zwischen drei und zwölf Jahren 65 Milligramm Kaliumjodid.
- Für Kinder ab dem zweiten Lebensmonat bis drei Jahre 32,5 Milligramm Kaliumjodid.
- Für Kinder im ersten Lebensmonat 16,25 Milligramm Kaliumjodid.
Diese Menge wird in der Regel nur ein einziges Mal eingenommen.
Ab 45 Jahren nicht mehr
Besonders bei Menschen über 45 Jahre besteht die Gefahr einer Überfunktion der Schilddrüse, wenn sie eine größere Menge Jod aufnehmen. Bei ihnen wird das Risiko der Tabletteneinnahme höher eingeschätzt als der eventuelle Nutzen. Daher wird ihnen von der Einnahme hoch dosierter Jodtabletten abgeraten. Wer bereits eine Schilddrüsenüberfunktion hat, kann hoch dosiertes Jod einnehmen, muss danach aber zur ärztlichen Kontrolle. Wer auf Jod überempfindlich reagiert, sollte keine hoch dosierten Jodtabletten einnehmen.
Tabletten gegen Jodmangel reichen bei Reaktorunfällen nicht
In einer akuten Notsituation bekommen Haushalte Jodtabletten aus Vorräten, die für diesen Zweck angelegt worden sind. Wer die allgemeine Versorgung der Bevölkerung nicht abwarten will und sich stattdessen einen eigenen Notfallvorrat anlegen möchte, kann sich ein entsprechendes Präparat in der Apotheke besorgen. Die bei Jodmangel gebräuchlichen Medikamente eignen sich dafür allerdings nicht, weil sie mit 100 bis 200 Mikrogramm pro Tablette viel zu wenig Jod enthalten. Von einem Produkt mit 100 Mikrogramm Jod müsste man im Ernstfall 1300 Tabletten schlucken, um sich zu schützen. Für die Jodblockade der Schilddrüse bei Reaktorunfällen gibt es Präparate, die 65 Milligramm Kaliumjodid pro Tablette enthalten.
Jodtabletten nur nach Aufforderung einnehmen
Egal, ob die Jodtabletten aktuell aus öffentlichen Vorräten verteilt wurden oder ob Sie sie zu Hause gelagert haben – Sie sollten sie ausschließlich dann einnehmen, wenn die Behörden dazu auffordern. Die zuständigen Behörden teilen der Bevölkerung eine solche Entscheidung via Rundfunk, Fernsehen und Lautsprecherdurchsagen mit.
Richtiger Zeitpunkt entscheidend. Jodtabletten können die Schilddrüse nämlich nur dann vor der Aufnahme von Jod 131 bewahren, wenn sie zum exakt richtigen Zeitpunkt eingenommen werden. Geschieht es zu früh, weist der Jodspeicher in der Schilddrüse schon wieder Lücken auf, wenn das radioaktive Jod die Menschen erreicht. Bei einer zu späten Einnahme kann die Schilddrüse schon radioaktives Jod aufgenommen haben.
Kinder und Schwangere zuerst. Ist die Aufforderung zur Tabletteneinnahme ergangen, sollten Kinder unter vier Jahren und schwangere Frauen als Erste mit Jodtabletten versorgt werden. Diese Personengruppen sind durch radioaktives Jod ganz besonders gefährdet.