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Vorzeitiger Samen­erguss – Ejakulations­störungen medikamentös behandeln?

Ob und wie ein vorzeitiger Samen­erguss behandelt werden soll, ist unter Experten umstritten. Zum einen gibt es keine klare Definition für das Krank­heits­bild der Ejaculatio praecox und zum anderen spielt auch das subjektive Erleben eine große Rolle.

Depressions­mittel Priligy soll helfen

Dapoxetin (Handels­name Priligy) ist ein Wirk­stoff, der bei vorzeitigem Samen­erguss (Ejaculatio praecox) helfen soll. Entwickelt wurde das Mittel ursprüng­lich zur Behand­lung von Depressionen. Das Anwendungs­gebiet Ejakulations­störungen wurde erst später und unter großem Werbeaufwand besetzt.

Viele offene Fragen

Die medikamentöse Behand­lung von vorzeitigem Samen­erguss ist von vielen offenen Fragen begleitet.

Wann ist ein Samen­erguss vorzeitig? Die Medizin definiert einen Samen­erguss als vorzeitig, wenn er immer wieder in weniger als zwei Minuten, nachdem der Penis in die Scheide einge­führt wurde, eintritt. Doch da die wenigsten Menschen mit Stopp­uhr Sex haben, ist eine zuver­lässige ärzt­liche Diagnose schwierig.

Ist Lebens­qualität wirk­lich beein­trächtigt? Neben dem Zeit­faktor ist ein weiteres Kriterium für die Einstufung als Krankheit, dass einer der beiden Partner unter dem vorzeitigen Samen­erguss deutlich leidet oder das sexuelle Leben des Paares deswegen erheblich beein­trächtigt ist. Gerade diese zwischen­menschlichen Aspekte sind aber individuell äußerst unterschiedlich und schwer zu fassen. Weitere Varia­blen sind das Alter und die Paar­konstellation. Es ist also schwer zu sagen, wann es sich tatsäch­lich um eine behand­lungs­bedürftige Störung handelt und ob Medikamente wirk­lich die geeignete Behand­lungs­form sind.

Wie groß ist die therapeutische Wirk­samkeit von Dapoxetin? Dapoxetin greift auf der Ebene der Nerven­steuerung in den Mecha­nismus ein, der den Samen­erguss steuert. Hierzu wurden Studien mit betroffenen Paaren durch­geführt.

Zwei Minuten länger bis zum Samen­erguss

In der Tat verlängerte sich die Zeit zwischen Eindringen in die Scheide und Samen­erguss – allerdings nur um eine, höchs­tens zwei Minuten. Ob das allein schon eine Verbesserung des sexuellen Erlebens bedeutet, ist fraglich.

Nutzen von Dapoxetin nicht ausreichend belegt

Da die Verbesserung der Lebens­qualität bisher jedoch nicht im Fokus einschlägiger Studien stand, kann auch der Nutzen einer Einnahme von Dapoxetin noch nicht als ausreichend belegt gelten.

Dapoxetin wirkt schnell

Als weitere Unwäg­barkeit stehen die Anwendung des Mittels und ihre Folgen im Raum. Dapoxetin wirkt relativ schnell. Es würde genügen, das Medikament bei Bedarf ein bis drei Stunden vor dem Sex einzunehmen. Es gibt aber Hinweise darauf, dass Männer eine kontinuierliche Anwendung bevor­zugen, um spontan Sex haben zu können.

Unerwünschter Neben­effekt: Keine Lust auf Sex

Bei täglicher Einnahme steigt aber das Risiko für unerwünschte Wirkungen deutlich an. Typische Neben­wirkungen für diese Arznei­mittel­gruppe sind unter anderem Erektions­störungen und eine verminderte Lust auf Sex. Zudem müssen bei einer Dauer­anwendung Gegen­anzeigen und Wechsel­wirkungen beachtet werden. Für Dapoxetin liegen kontrollierte Studien­daten zur Wirk­samkeit und Verträglich­keit nur für die Dauer von 24 Wochen vor. Bei über 65-jährigen Männern sind Nutzen und Schaden über­haupt nicht untersucht.

Priligy nur "mit Einschränkung geeignet"

Die Arznei­mittel­experten der Stiftung Warentest halten Priligy für "mit Einschränkung geeignet", um einen vorzeitigen Samen­erguss zu behandeln – voraus­gesetzt, dieser hat zu einem erheblichen Leidens­druck des Betroffenen oder seiner Part­nerin geführt.

Alternative: örtlich betäubende Mittel

Eine Alternative sind Cremes, Gels oder Sprays, die örtlich betäubende Wirk­stoffe enthalten. Sie werden auf die Eichel aufgetragen und machen den Penis unempfindlicher. Dadurch lässt sich die Zeit bis zum Samen­erguss um etwa drei bis sechs Minuten verlängern. Der Penis kann aber auch so taub werden, dass eine Erektion vorüber­gehend unmöglich ist.

Part­nerin informieren. Ein weiterer Nachteil der Mittel ist, dass sie beim Sex auch in die Scheide der Frau gelangen und dort ebenfalls zu Taub­heits­gefühlen und Brennen führen können. Wichtig ist deshalb, möglichst Kondome zu benutzen und mit der Part­nerin über die Anwendung zu reden.