Wird ein Wirkstoff näher untersucht, sind ganz verschiedene Untersuchungsmethoden möglich. Soll eine Aussage zu seiner therapeutischen Wirksamkeit gemacht werden, sind Doppelblindstudien erforderlich – um den berühmten Placeboeffekt zu erkennen.
Doppelblindstudie und Placeboeffekt
Eine besonders sichere Basis zur Bewertung der Wirksamkeit von Arzneimitteln und Medizinprodukten bieten Doppelblindstudien. In diesen werden die Testpersonen nach dem Zufallsprinzip auf zwei Gruppen verteilt (randomisiert).
Wirkstoff oder Scheinmittel. Der zu prüfenden Arzneistoff beziehungsweise das zu prüfende Medizinprodukt wird nur einer der Gruppen gegeben. Die anderen bekommen ein Scheinmittel (Placebo), das sich äußerlich, in Geruch und Geschmack, von dem Medikament beziehungsweise Medizinprodukt nicht unterscheidet, aber keinen Wirkstoff beziehungsweise keinen wirksamen Bestandteil enthält. Es ist aber auch möglich, dass das Mittel der zweiten Gruppe einen Standardwirkstoff enthält, der in der klinischen Praxis bereits zum Einsatz kommt.
Geheimhaltung. Weder Patienten noch Ärzte wissen, wer das richtige und wer das Scheinmittel oder die Kontrollbehandlung erhält, daher der Begriff „doppelblind“. Alles andere jedoch, was zur Behandlung dazugehört, ist bei beiden Gruppen gleich: zum Beispiel die Art der Betreuung durch die Ärzte und die Zeit, die sie für die Behandlung aufwenden. Erst wenn die Effekte der Therapie ermittelt und dokumentiert sind, wird aufgedeckt, wer das Arzneimittel oder Medizinprodukt und wer das Scheinmittel beziehungsweise den Standardwirkstoff bekam.
Was wirkt wirklich?
Mit dieser Vorgehensweise soll geklärt werden, welcher Anteil der beschriebenen Effekte wirklich dem Arzneimittel oder Medizinprodukt zuzuschreiben ist und welcher auf dem gesamten Prozess des Behandelns beruht. Schließlich kann bereits das Gefühl, behandelt zu werden, Beschwerden lindern, und die Hoffnung, dass nun alles besser wird, kann die Heilung vorantreiben. All dies gehört zum Placeboeffekt dazu. Das Ausmaß des Placeboeffekts schwankt je nach Art der Krankheit und Anordnung der Studie zwischen 20 und 70 Prozent. Das bedeutet, dass die Behandlung die Krankheit bei 20 bis 70 von 100 Patienten bessert, ohne dass das auf die spezifische Wirkung des Medikaments oder Medizinprodukts zurückgeht.
Wirkung und Wirksamkeit
Die Stiftung Warentest prüft, wie es um die therapeutische Wirksamkeit eines Mittels bestellt ist. Das heißt, ob das Mittel für Patientinnen und Patienten tatsächlich von Nutzen ist. Dabei legen wir das Anwendungsgebiet zugrunde, das der Hersteller festgelegt hat.
So wirkt das Mittel. Die pharmakologische Wirkung eines Medikaments beziehungsweise die physikalischen Wirkungen eines Medizinprodukts und deren therapeutische Wirksamkeit sind nicht das Gleiche. Die pharmakologische Wirkung beschreibt, wie das Mittel Körperfunktionen beeinflusst: Es hemmt zum Beispiel ein Enzym, blockiert bestimmte Bindungsstellen oder behindert die Blutgerinnung. Dieses lässt sich biochemisch messen und nachweisen. Die physikalische Wirkung eines Medizinprodukts beschreibt, welche Effekte das Mittel in einer Versuchsanordnung gehabt hat, beispielsweise im Labor. So wird zum Beispiel ermittelt, ob bestimmte in Zusammenhang mit der zu behandelten Erkrankung stehenden Moleküle an der Oberfläche des Medizinprodukts haften bleiben oder ob das Medizinprodukt in kleinste Öffnungen eindringen kann. Allein mit diesen nachgewiesenen Effekten ist aber nicht belegt, dass das Mittel bei einer Erkrankung dem Betroffenen tatsächlich auch nützt.
So wirksam ist das Mittel. Die klinische oder therapeutische Wirksamkeit gibt an, was sich bei den Anwendern konkret verbessert, wie groß also der Nutzen für die Patientinnen und Patienten ist. Medikamente können beispielsweise die Krankheitsdauer verkürzen, Krankheitsbeschwerden spürbar lindern, schwerwiegende Folgen der Erkrankung, wie etwa einen Herzinfarkt oder einen Knochenbruch verhindern oder dafür sorgen, dass eine Krankheit erst gar nicht auftritt. Das gilt auch für Medizinprodukte, die wie Arzneimittel eingesetzt werden.
Wirksamkeitsnachweis
Die therapeutische Wirksamkeit gilt für die Gutachterinnen und Gutachter der Stiftung Warentest nur dann als erbracht, wenn mehrere Institutionen unabhängig voneinander unter wissenschaftlich anerkannten und reproduzierbaren Bedingungen in kontrollierten Studien zu vergleichbar positiven Ergebnissen gelangt sind. Bei der Bewertung der Mittel werden auch die Gutachten des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) und ähnlicher Institutionen berücksichtigt. Klinische Studien, die von den Gutachterinnen und Gutachtern für die Bewertung herangezogen werden, müssen
- prospektiv
- randomisiert
- kontrolliert
- mit vorab definierten und der Fragestellung angemessenen Endpunkten sowie
- mit einer angemessenen statistischen Auswertung versehen sein.
Arzt und Studienteilnehmer sind nicht eingeweiht
Dabei bedeutet prospektiv, dass die Studien als Verlaufsstudien „in die Zukunft“ ausgerichtet und geplant sind. In diesen Studien werden die Auswirkungen eines Arzneimittels auf die Behandelten direkt beobachtet und begleitend dokumentiert. Randomisiert bedeutet, dass die Studienteilnehmer den Behandlungsgruppen nach dem Zufallsprinzip zugeteilt wurden. Weder Arzt noch Teilnehmer bestimmen also darüber, wer während der Studie welche Behandlung bekommt.
Immer mit Kontrollgruppe. Als kontrolliert gelten Studien, in denen eine Patientengruppe das neu zu prüfende Arzneimittel beziehungsweise Medizinprodukt (Verum) erhält und weitere Patientengruppen ein bereits lange in seinem Nutzen bestätigtes, gleichartig wirksames (Standard) oder ein wirkstofffreies Mittel (Placebo). Aus den Unterschieden in den therapeutischen Effekten – sowohl bezüglich der erwünschten als auch der unerwünschten Wirkungen – können dann die therapeutische Wirksamkeit und gegebenenfalls auch der Stellenwert des geprüften Mittels bei der Therapie der jeweiligen Krankheit insgesamt bestimmt werden.
Was wird untersucht?
Die untersuchte Fragestellung muss klinisch und therapeutisch relevant und vorab definiert sein. Effekte, die sich nachträglich zeigen, können nicht als nachgewiesen gelten, wenn nicht von Beginn an geplant war, dieser Frage in dieser Studie nachzugehen. Außerdem müssen die untersuchten Endpunkte der Fragestellung angemessen und für die Behandelten wirklich wichtig sein. Bei einer Studie zu einem blutdrucksenkenden Mittel sind sinnvolle Endpunkte beispielsweise die Fragen, ob das Mittel Folgeerkrankungen des hohen Blutdrucks wie Herzinfarkt und Schlaganfall verhindern kann und ob die Behandlung das Sterberisiko verringert.
Wie wird ausgewertet?
Für die statistische Auswertung gibt es internationale Übereinkünfte. Danach kann ein Wirksamkeitsnachweis nur als erbracht gelten, wenn aufgrund der Statistik die Irrtumswahrscheinlichkeit für das Ergebnis unter fünf Prozent liegt. Dabei ist die klinische Relevanz höher zu bewerten als die alleinige statistische Signifikanz. Deshalb reichen auch statistisch gesicherte Ergebnisse von gemessenen Effekten zum Nachweis einer therapeutischen Wirksamkeit nicht aus. So ist zum Beispiel die statistisch signifikante Senkung des Bluthochdrucks nicht grundsätzlich ein Nachweis für den Nutzen eines Blutdrucksenkers.
Jetzt freischalten
- Unabhängige test-Urteile für mehr als 9 000 Medikamente
- Bewertung der Wirksamkeit und Risiken
Wie möchten Sie bezahlen?
Preise inkl. MwSt.- kauft alle Testprodukte anonym im Handel ein,
- nimmt Dienstleistungen verdeckt in Anspruch,
- lässt mit wissenschaftlichen Methoden in unabhängigen Instituten testen,
- ist vollständig anzeigenfrei,
- erhält nur rund 3 Prozent ihrer Erträge als öffentlichen Zuschuss.