Zyklus-Apps Frucht­bare Tage bestimmen – nur drei Apps sind gut

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Zyklus-Apps - Frucht­bare Tage bestimmen – nur drei Apps sind gut

© fotolia / D. Dean

Die Auswahl ist groß, aber nur wenige Apps sind gut. Das Problem: Die meisten bestimmen frucht­bare Tage und Regel­blutung nicht zuver­lässig.

Zyklus-Apps Testergebnisse für 23 Zyklus-Apps 12/2017

Fünf, sechs Kreuzchen im Kalender – Monat für Monat markieren sich viele Frauen die Tage, an denen sie ihre Regel­blutung haben. Statt zu Stift und Papier greifen immer mehr zu Smartphone und Zyklus-App. Sie setzen ihre Häkchen in digitale Kalenderblätter.

Während Papier geduldig ist, fangen die Apps an zu rechnen – sie bestimmen für ihre Anwende­rinnen, wann der nächste Eisprung statt­finden oder die nächste Periode einsetzen soll. Ist darauf Verlass? Können Paare, die zuver­lässig verhüten oder aber ein Kind zeugen möchten, die Programme für ihre Zwecke nutzen?

Die Masse ist mangelhaft

Die Stiftung Warentest hat 23 Zyklus-Apps untersucht – 12 für das Betriebs­system Android und 11 für iOS. Nur zwei Android-Apps sowie eine iOS-App erhalten die Gesamt­note gut. Der Groß­teil ist mangelhaft.

Das Problem: Beliebte Apps wie Clue oder Flo, die laut Google Play Store jeweils bereits auf rund 10 bis 50 Millionen Android-Geräte herunter­geladen wurden, ermitteln den Eisprung und das Einsetzen der Periode rein mathematisch, zum Teil Monate im Voraus. Die Android-App Mens­truations-Kalender Pro wirbt: „Sie können Tag für Tag ihre Schwanger­schaft­schance über­prüfen.“ Flo für iOS verspricht: „Alle Frauen, auch solche mit unregelmäßigen Zyklen, können sich auf Flo verlassen.“

„Wer sich darauf verlässt, könnte eine lebens­ver­ändernde Über­raschung erleben“, sagt Dr. Gunnar Schwan, Projektleiter des Tests. Die meisten mangelhaften Apps greifen nur auf bereits vorhandene Kalender­daten aus früheren Zyklen der Frau zurück oder ziehen statistische Daten anderer Anwende­rinnen heran. Im Ergebnis liefern sie reine Durch­schnitts­werte, zeigen frucht­bare Tage und Regel­blutung so im Zweifel in einem falschen Zeitraum an. Planungs­sicherheit bringt das nicht.

Unser Rat

Den Zyklus der Frau aufzeichnen, verhüten oder einen Kinder­wunsch verfolgen – nur drei Apps helfen dabei zuver­lässig: MyNFP ist sowohl für das Betriebs­system Android als auch für iOS verfügbar, Lady Cycle nur für Android-Geräte. Die Installation ist zunächst in allen drei Fällen kostenlos, der Anbieter MyNFP berechnet für die Dienst­nutzung 9,99 Euro für drei Monate oder 29,99 Euro pro Jahr.

Kein Verlass auf Durch­schnitts­werte

„Bei einer gesunden Frau kann die Zykluslänge ohne weiteres zwischen 25 und 35 Tagen schwanken. Auf reine Durch­schnitts­werte ist keinerlei Verlass“, sagt Dr. Petra Frank-Herr­mann, Ober­ärztin an der Abteilung Gynäkologische Endokrinologie und Fertilitäts­störungen der Universitäts­frauenklinik Heidel­berg. „Um den Zyklus weiter ins Wanken zu bringen, reicht schon Prüfungs­stress oder intensiver Sport.“ Die kalenderbasierten Apps nehmen darauf keine Rück­sicht. „Sie wissen eigentlich nichts über die Frau, machen aber eine Vorher­sage – das halte ich für gefähr­lich“, sagt Frank-Herr­mann.

Gute Apps sind keine Selbst­läufer

Die guten Apps im Test funk­tionieren anders: Lady Cycle und die beiden MyNFP-Versionen nutzen die sympto-thermale Methode der Arbeits­gruppe NFP, kurz für natürliche Familien­planung, die sich wissenschaftlich mit dem Thema beschäftigt. Die Methode geht so: Die Frau misst morgens ihre Körpertemperatur vor dem Aufstehen, Basal­temperatur genannt. Kurz vor oder nach dem Eisprung steigt die Temperatur leicht an. Zusätzlich beob­achtet sie ihren Zervix­schleim, der im Gebärmutterhals gebildet wird. Menge und Beschaffenheit des Schleims verändern sich im Zyklus­verlauf – um den Eisprung ist er flüssig und klar, nun könnte ein Kind gezeugt werden. Später wird er wieder weniger, zäh und versperrt den Spermien den Zugang zur Gebärmutter. Temperatur- und Schleim­ver­änderungen zeigen das Ende der frucht­baren Phase an.

So funk­tionieren die wichtigsten Verhütungs­methoden

Pille, Spirale, Kondom – wie zuver­lässig eine Methode davor schützt, schwanger zu werden, zeigt der Pearl-Index: Je kleiner die Zahl, desto sicherer. Doch nicht jedes Mittel eignet sich für jede Frau. Einen Über­blick über einzelne Verhütungs­methoden und ihre Wirk­samkeit bietet unser Special Verhütung.

Erlernen lässt sich das alles mithilfe von Literatur und NFP-Beratern, die bundes­weit Schu­lungen anbieten. Die Methode erfordert Zuver­lässig­keit. „Die Frauen müssen lernen, ihren Körper zu beob­achten“, sagt Petra Frank-Herr­mann. „Wissen sie die Symptome richtig zu deuten, können sie die frucht­baren Tage sehr genau bestimmen.“ Die Apps helfen dabei – weil sie die Daten aufzeichnen und interpretieren und einen praktischen Über­blick bieten, sagt die Gynäkologin.

Die Methode der natürlichen Familien­planung, die den Apps zugrunde liegt, ist erprobt. Eine sehr gute Gesamt­note vergeben wir für die Apps dennoch nicht. Der Grund: Aussagekräftige Studien mit App-Nutze­rinnen liegen bisher nicht vor.

Qual der Wahl bei Lily und OvuView

Auch Lily und OvuView bieten die Möglich­keit, mit der NFP-Methode zu arbeiten. Anwende­rinnen müssen sie aber unter verschiedenen Methoden auswählen – das ist unpraktisch und unsicher. Bei Lily stehen 3 Methoden zur Auswahl, bei OvuView gar 17. Zudem setzt OvuView die NFP-Methode nicht den Regeln entsprechend um, wie unsere Tests mithilfe von Beispiel­zyklen zeigen. Die Frucht­barkeits­anzeige traf nicht immer voll zu – gerade bei der Verhütung ist das problematisch.

Zwei wollen mit Extras punkten

Einen Mittelweg gehen Ovy und Natural Cycles: Wie die Mehr­zahl der Apps im Test berechnen sie die frucht­baren Tage im Voraus und legen dabei die Kalender­daten zugrunde. Zusätzlich muss die Anwenderin ihre Basal­temperatur kontrollieren. Die steigende Temperatur deutet zwar auf den Eisprung hin – die Frau war aber schon einige Tage davor frucht­bar. Zudem bestimmen beide Apps die frucht­bare Phase zu ungenau. Ovy und Natural Cycles bieten zu ihren Apps auch Thermo­meter für rund 15 und 25 Euro an. Über­prüft haben wir die Geräte nicht. Herkömm­liche Thermo­meter tun es aber auch und sind güns­tiger.

Der Anbieter von Natural Cycles gibt an, die App sei so wirk­sam wie die Pille. Er bewirbt sie außerdem als Medizin­produkt, Ovy seine App ebenfalls. Das klingt viel­versprechend, heißt aber nur: Sie dürfen ihre Apps selbst als Medizin­produkte einstufen, wenn sie ihrer Ansicht nach die dafür geltenden gesetzlichen Vorgaben erfüllen. Dass sie eine Schwangerschaft verhindern oder begüns­tigen, spielt dafür keine Rolle.

Intim­sphäre nicht gewahrt

Viele Apps fragen unnötige private Informationen ab – wie den echten Namen, das Geburts­datum oder über­flüssige Angaben zur Gesundheit. Neun Apps über­tragen Daten, mit denen sich die Anwenderin verfolgen lässt, etwa die Smartphone-Geräteidentifikations­nummer. So kann etwa Werbung gezielt geschaltet werden, die bei der Nutzerin fruchten soll.

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17 Kommentare Diskutieren Sie mit

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Nutzer­kommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.

Profilbild Stiftung_Warentest am 15.03.2022 um 09:18 Uhr
Neuer Test nach fünf Jahren

@Wertoga: Gerne nehmen wir Ihren Testwunsch auf und leiten ihn an die zuständige Fachabteilung weiter. Allerdings ist unser Test- und Terminplan bereits jetzt bis an die Grenze der Kapazitäten gefüllt, so dass die Chancen für eine Realisierung zusätzlicher Projekte zumindest kurzfristig eher schlecht stehen. Eine grundsätzliche Problematik der Testarbeit ist, dass einer großen Vielzahl von Testwünschen und Themenanregungen zu vielen verschiedenen Produkten und Dienstleistungen leider nur begrenzte Ressourcen unsererseits gegenüberstehen. Natürlich würden wir gerne jeden interessanten Vorschlag umsetzen, leider ist uns dies aber nicht in allen Fällen möglich. Wir können hierfür nur um Ihr Verständnis bitten. Momentan lässt sich leider nicht übersehen, ob und wann eine entsprechende Untersuchung durchgeführt wird. Ihren Wunsch haben wir aber in jedem Fall registriert.

Wertoga am 15.03.2022 um 08:23 Uhr
Neuer Test nach fünf Jahren?

Es wäre wunderbar, wenn wieder ein neuer Test erscheinen würde. Frauen stehen in unserer Gesellschaft einfach immer hinten an.

Profilbild Stiftung_Warentest am 10.03.2022 um 15:49 Uhr
Bestimmung der fruchtbaren Tage

@Leon83: Gerne leiten wir Ihre Anregung an die zuständige Fachabteilung zur Kenntnisnahme weiter. Momentan lässt sich aber leider nicht übersehen, ob und wann eine entsprechende Untersuchung durchgeführt wird. Ihren Hinweis haben wir aber in jedem Fall registriert.

Leon83 am 05.03.2022 um 15:48 Uhr
Es hat sich einiges getan in der Welt.

Es wäre spannend zu sehen, wie ein aktueller Test verfügbarer Produkte für die Bestimmung der fruchtbaren Tage aussehen würde. Gerade die Produkte, die den Zyklus vollständig und kontinuierlich vermessen, müssten doch besser abschneiden, als nur die Basaltemperatur zu interpretieren. Vielleicht rückt das ja bei Stiftung Warentest mal wieder in den Fokus.
Viele Grüße.

LottaMotta am 21.08.2021 um 07:48 Uhr

Kommentar vom Administrator gelöscht. Grund: Schleichwerbung