Wenn Bürger Steuern später nachzahlen, darf die Finanzverwaltung jährlich sechs Prozent Zinsen auf die geschuldete Summe draufschlagen. Das hat kürzlich der Dritte Senat des Bundesfinanzhofes bekräftigt – zumindest für das Steuerjahr 2013 und vorhergehende Jahre. Jetzt hat aber auch der Neunte Senat des Bundesfinanzhofes über die Nachzahlungszinsen geurteilt – und er hat Zweifel daran, dass die Zinsen in dieser Höhe rechtens sind.
Senat bringt das bewährte Modell ins Wanken
Auf nachzuzahlende oder zu erstattende Steuern fallen pro Monat 0,5 Prozent an, also sechs Prozent pro Jahr. Das gilt etwa für die Einkommensteuer oder Umsatzsteuer. Der Zinssatz wurde im Jahr 1961 festgelegt und seitdem nicht mehr angepasst. Nun bringt der Neunte Senat des Bundesfinanzhofs das altbewährte Modell ins Wanken (BFH, Az. IX B 21/18). Er meint: Angesichts des anhaltend niedrigen Zinsniveaus am Markt war der Zinssatz zumindest ab 2015 zu hoch.
Ehepaar muss vorerst nicht zahlen
Geklagt hatte ein Ehepaar aus Nordrhein-Westfalen. Nach einer Außenprüfung sollten sie für das Jahr 2009 mehr als zwei Millionen Euro Einkommensteuer nachzahlen und zusätzlich 240 831 Euro Zinsen dafür entrichten. Für die Zeit ab 2015 sei die Zinshöhe aber nicht mehr angemessen gewesen, so die Richter des neunten Senats. Angesichts des dauerhaft niedrigen Zinsniveaus am Markt halten sie den sechs prozentigen Zinssatz pro Jahr für realitätsfern und stellen seine Verfassungsmäßigkeit ab 2015 in Frage. Sie gaben deshalb dem Antrag des Ehepaares statt. Es muss vorerst keine Zinsen zahlen.
Zinshöhe nicht realistisch
Nachzahlungszinsen haben den Zweck, den Nutzungsvorteil abzuschöpfen, den Steuerzahler genießen, wenn sie bei Nichtzahlung ihrer Steuern länger über den Geldbetrag verfügen und diesen anlegen könnten. Bei anhaltend niedrigen Zinsen bestehe für Steuerzahler aber gar nicht die Möglichkeit, eine hohe Rendite zu erzielen. Der Zinssatz der Finanzverwaltung sei daher übermäßig und wirke wie ein „rechtsgrundloser Zuschlag auf die Steuerfestsetzung“, begründete der Neunte Senat des Bundesfinanzhofes sein Urteil.
Unterschiedliche Ansichten zwischen den Senaten
Noch vor wenigen Monaten beschäftigte sich bereits der Dritte Senat des Gerichts mit dem Zinssatz (BFH, Az. III R 10/16) – und sah die Sache noch ganz anders. Er erachtete sechs Prozent Nachzahlungszinsen für unproblematisch – zumindest für das Jahr 2013 und vorhergehende Jahre. Der Gesetzgeber habe das Problem der realitätsfernen Zinshöhe zwar bereits erkannt, aber bisher nichts getan, rügte der Neunte Senat in seinem aktuellen Urteil. Durch die unterschiedlichen Auffassungen der Senate des Bundesfinanzhofs hat nun voraussichtlich das Bundesverfassungsgericht das letzte Wort.
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