Zins­anlagen Inflation: Wie hoch der Realzins wirk­lich ist

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Zins­anlagen - Inflation: Wie hoch der Realzins wirk­lich ist

Rechen­aufgabe. Wir zeigen, was nach Abzug der Inflation von den Zins­erträgen übrig bleibt. © Getty Images / stockfour

Realzinsen sind das, was nach Abzug der Inflation übrig bleibt – einfach gesprochen. Wir zeigen, worauf man bei der Berechnung achten sollte.

Wie man reale Zinsen berechnet, wissen Sie schon? Einfach den nominalen Zins nehmen und davon die aktuelle Inflations­rate abziehen, fertig? In Wirk­lich­keit ist es nicht ganz so einfach.

Die aktuelle Leitzins­erhöhung der EZB von null auf 0,5 Prozent ließ Sie als Zins­sparer hoffen? Und dann mussten Sie sich den Einwand anhören: Zieht man von den 0,5 Prozent die aktuelle Inflations­rate von 7,5 Prozent ab, bliebe real immer noch ein Verlust von minus 7 Prozent.

Formel für die Realzins­berechnung

Schon oberflächlich betrachtet gibt es dabei zwei Unschärfen: Erstens ist der Leitzins der Leitzins und entspricht nicht dem eigenen Tages­geld- oder Fest­geldzins­satz. Zweitens entspricht der reale Zins mathematisch nur ungefähr der Differenz aus nominalem Zins und Inflations­rate (die korrekte Formel lautet Realzins = (1+Nominalzins)/(1+Inflations­rate) - 1).

Die reale Rendite kennt man meist erst im Nach­hinein

Gravierender aber ist ein weiteres Problem: Der nominale Zins­satz wird üblicher­weise zukunfts­gerichtet angegeben, gilt also für einen bestimmten Zeitraum in die Zukunft, während die aktuelle jähr­liche Inflations­rate für die vergangenen zwölf Monate galt.

Die Rechnung oben passt also nur, falls man annimmt, dass die künftige Inflations­rate der vergangenen Inflations­rate entsprechen wird − aber wenn man das annimmt, muss das nicht so eintreten. Tatsäch­lich kennt man die reale Rendite seiner Geld­anlage (fast) immer erst im Nach­hinein. Fast, weil es inflations­indexierte Anleihen gibt, mit denen man sich beim Kauf eine bestimmte Realrendite einloggt. Bei allen anderen Geld­anlagepro­dukten gilt: Man kennt die reale Rendite nicht im Voraus, selbst wenn die nominale Rendite einigermaßen sicher ist.

Jetzt mögen Sie einwenden, dass das zu kleinlich ist und „ungefähr“ ja wohl ausreicht. Daher haben wir uns angeschaut, wie genau „ungefähr“ denn in der Vergangenheit war.

Reale Zinsen von zehnjäh­rigen Bundes­anleihen

Ein viel beachteter nominaler Zins­satz ist die Rendite von zehnjäh­rigen Bundes­anleihen. Achtung, gemeint ist damit die zukunfts­gerichtete Endfäl­ligkeits­rendite. Das ist die Rendite, die man nominal erhält, wenn man eine zehnjäh­rige Bundes­anleihe kauft und bis Endfäl­ligkeit hält.

Als Schätzer für die realen Zinsen wird dann gern die nominale Rendite der Bundes­anleihen um die jüngste Inflation bereinigt. Wir selbst haben es hin und wieder so dargestellt. Wenn man das auch für historische Werte macht, kommt eine Kurve heraus, die erschre­ckender­weise schon 2011 unter die Null­linie gefallen ist, siehe hier in der Analyse des Realzinses.

Nun ahnen Sie vielleicht schon, wo der Haken ist: Die nominale Rendite zehnjäh­riger Bundes­anleihen gilt für die nächsten zehn Jahre. Die verwendete Inflations­rate bezog sich auf das vergangene Jahr. Man unterstellt also bei dieser Rechnung, dass die durch­schnitt­liche jähr­liche Inflations­rate über die nächsten zehn Jahre genauso hoch sein wird wie die vergangene Inflations­rate.

Vergleich der verschiedenen Realzinsen

Um zu über­prüfen, wie valide die oben beschriebene Schät­zung ist, berechnen wir zwei verschiedene reale Zinsen für zehnjäh­rige Bundes­anleihen:

  • Geschätzter Realzins: Wie im Beispiel oben berechnen wir die Realzinsen aus den nominalen Endfäl­ligkeits­renditen mit der vergangenen jähr­lichen Inflations­rate.
  • Tatsäch­licher Realzins: Wir berechnen den Realzins aus den nominalen Endfäl­ligkeits­renditen mit der tatsäch­lichen durch­schnitt­lichen Inflations­rate der kommenden zehn Jahre. Das können wir mit Stand 30. Juni 2022 nur für den Zeitraum ab dem 30. Juni 2012 machen. Nur für diesen Zeitraum kennen wir die tatsäch­liche Inflations­rate für zehn Jahre.

Wir stellen die beiden Zins­verläufe im folgenden Diagramm dar, den geschätzten Realzins verschieben wir dabei um jeweils zehn Jahre. Zu jedem Zeit­punkt sieht man nun, welcher Realzins für die vergangenen zehn Jahre geschätzt wurde und welcher tatsäch­lich anfiel. Die Bundes­anleihe wurde jeweils über zehn Jahre gehalten.

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Reale Zinsen und reale Rendite

Die Kurve mit den geschätzten Realzinsen lag für viele Jahre gar nicht so weit entfernt von der Kurve mit den tatsäch­lichen Realzinsen. Es gab aber auch immer wieder Perioden mit Über- und Untertreibungen. Die jüngste im Chart dargestellte Schät­zung stammt vom 30. Juni 2012, von vor zehn Jahren, damals waren die Inflations­raten nicht so hoch wie heute.

Um unsere Analyse abzu­runden, erweitern wir den Chart um zwei weitere Verläufe.

  • Tatsäch­liche Realrendite: Hält man ein Portfolio aus zehnjäh­rigen Bundes­anleihen und wechselt die auslaufenden Anleihen immer so in neue Anleihen, dass die durch­schnitt­liche Lauf­zeit bei ungefähr zehn Jahren bleibt (so, wie es ein ETF oder Fonds macht, der ein bestimmtes Lauf­zeitsegment abdeckt), dann würde der Portfolio­verlauf auch von Preis­änderungen aufgrund von Zins­änderungen beein­flusst werden. Wir berechnen daher rück­wirkend die reale Rendite für ein Portfolio aus zehnjäh­rigen Anleihen.
  • Realzins inflations­indexierter Bundes­anleihen: Dieser zukunfts­gerichtete Zins entspricht der realen Endfäl­ligkeits­rendite von indexierten Anleihen. Wir ignorieren die Unschärfe, dass die Duration des zugrunde liegenden Indexes, also die durch­schnitt­liche Bindungs­dauer des einge­setzten Kapitals, nicht konstant bei zehn Jahren lag.

Den Realzins indexierter Anleihen verschieben wir im folgenden Diagramm ebenfalls um zehn Jahre. Diese Kurve startet zudem später, weil die Zeitreihe indexierter Bundes­anleihen erst seit 31. Mai 2006 verfügbar ist.

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Reale Rendite noch nicht so lange negativ

Wir sehen, dass die reale Vergangen­heits­rendite zehnjäh­riger Bundes­anleihen erst im April dieses Jahres unter Null gefallen ist. Bis ins Jahr 2021 lag sie relativ konstant bei 4 Prozent. Die steigenden Nominalzinsen mit der stärker ansteigenden Inflation ließen die Anleihen-ETF-Anleger dann real ins Minus rutschen. Die Kurve mit den realen Endfäl­ligkeits­renditen indexierter Bundes­anleihen scheint näher an der tatsäch­lichen realen Endfäl­ligkeits­rendite nominaler Bundes­anleihen zu liegen als die Schät­zung unter Verwendung der vergangenen Einjahres­inflations­rate

Fazit

Die aktuell hohe Inflations­rate für die nächsten zehn Jahre fort­zuschreiben und daraus einen stark negativen Realzins abzu­leiten, scheint zu pessi­mistisch. Anleger können sich entweder am Inflations­ziel der Europäischen Zentral­bank (EZB) von 2 Prozent orientieren und eventuell noch einen individuellen Aufschlag oben drauf setzen. Oder sie können die realen Endfäl­ligkeits­renditen indexierter Bundes­anleihen oder indexierter Euro-Anleihen als Indikator für den aktuellen Realzins nehmen. Der folgende Chart zeigt die geschätzten realen Zinsen zehnjäh­riger Bundes­anleihen und die realen Endfäl­ligkeits­renditen indexierter Bundes­anleihen, diesmal nicht zeit­versetzt. Wie Sie sehen können, bringen indexierte Bundes­anleihen aktuell minus 1,04 Prozent pro Jahr (Stand 30. Juni 2022). Die Schät­zung auf Basis der vergangenen Inflations­rate liegt dagegen bei minus 6,31 Prozent pro Jahr.

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