
Überträger des Zikavirus in Südamerika ist die Gelbfiebermücke.
In Deutschland wurden seit dem Herbst 2015 bereits mehrere Dutzend Zikavirus-Infektionen festgestellt. Seit Mai 2016 müssen Ärzte neue Fälle an die Gesundheitsbehörden melden, um die Erkrankung besser überwachsen zu können. Hier lesen Sie, wie Experten die hiesigen Gefahren einschätzen – und wie sie über die Olympischen Spiele im Zika-Risikoland Brasilien streiten. Aktueller Stand: Die Weltgesundheitsorganisation WHO meint, die Spiele können stattfinden.*
Vor allem Reiserückkehrer infiziert
Von Herbst 2015 bis Ende April diesen Jahres wurden im Hamburger Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin bereits einige Dutzend Zikavirus-Ansteckungen festgestellt. Die Betroffenen waren allesamt Reiserückkehrer. Einer von ihnen steckte durch ungeschützten Geschlechtsverkehr seine Partnerin an – der erste Fall von sexueller Übertragung in Deutschland. In erster Linie kommt es durch den Stich der in den Tropen und Subtropen heimischen Gelbfiebermücke zur Infektion. Sie nimmt in den meisten Fällen einen recht milden Verlauf: Nur ein Viertel der Angesteckten merkt überhaupt etwas davon. Daher gehen Experten hierzulande von einer hohen Dunkelziffer aus. Von einer drohenden Epidemie kann aber keine Rede sein.
Epidemie bei uns unwahrscheinlich
Der Erreger grassiert vor allem in Süd- und Mittelamerika. „Die Wahrscheinlichkeit, dass sich das Zikavirus bei uns ausbreitet und heimisch wird, ist sehr gering“, sagt Winfried Kern, Spezialist für Infektionskrankheiten. „Dazu müsste sich eine große Mückenpopulation mit dem Virus vermehren – ein unwahrscheinliches Szenario.“ In Süddeutschland kann im Hochsommer die Tigermücke vorkommen, eine Verwandte der Gelbfiebermücke. Theoretisch könnte sie das Zikavirus weitergeben. Das Berliner Robert Koch-Institut hält denn auch in besonders warmen Monaten einzelne Übertragungen für nicht ausgeschlossen. Trotzdem gehen Wissenschaftler bislang nur von einer geringen Gefahr für eine Ansteckung aus.
Mehr als 60 Länder und Regionen betroffen
Die Weltgesundheitsorganisation WHO listet derzeit 62 Länder und Regionen auf, in denen sich das Zikavirus verbreitet. Vor allem Süd- und Mittelamerika sind betroffen. In Brasilien bringen Frauen, die während der Schwangerschaft eine Infektion durchmachten, gehäuft Kinder mit Mikrozephalie zur Welt – einer Hirn- und Schädelfehlbildung. Im Februar hatte die WHO wegen der Epidemie den globalen Gesundheitsnotstand ausgerufen. Ziel der Maßnahme: länderübergreifend den betroffenen Regionen zu helfen und eine weitere Verbreitung des Zikavirus einzudämmen. In Deutschland trat aus denselben Gründen am 1. Mai 2016 eine Meldepflicht für Arboviren in Kraft, zu denen auch der Zika-Erreger gehört. In der Praxis heißt das: Wenn Heimkehrer aus einem Risikoland krank werden und der Arzt eine Zikaviren-Infektion diagnostiziert, muss der Mediziner die Gesundheitsbehörden davon unterrichten.
Das Virus, das aus dem Urwald kam
Im Zikawald in Uganda wurde das Virus 1947 erstmals identifiziert, und zwar bei einem Affen. Übertragen wird es durch die Gelbfiebermücke (Aedes aegypti), möglicherweise ebenfalls durch die asiatische Tigermücke. Bislang zirkulierte der Erreger außer in Afrika offenbar auch in Asien, größere Ausbrüche gab es 2007 in Mikronesien und ab 2013 in anderen Inselstaaten im pazifischen Raum. Nun erobert er den mittel- und südamerikanischen Kontinent. Weil die Überträger-Mücken in allen tropischen sowie einigen subtropischen Gebieten heimisch sind, geht das Robert-Koch-Institut davon aus, dass es zu weiteren Ausbrüchen kommt.
Wie kommt es zur Ansteckung?
In erster Linie führt der Stich infizierter Mücken zur Übertragung des Virus. In mehreren Fällen wurde mittlerweile eine Ansteckung von Mensch zu Mensch über Geschlechtsverkehr beobachtet – auch durch Analverkehr. Zur Übertragung kann es offenbar selbst dann noch kommen, wenn beim Mann die Symptome einer akuten Zikavirus-Infektion abgeklungen sind. Wie lange der Erreger im Sperma überdauern kann, ist bisher noch nicht geklärt. Genetisches Virenmaterial wurde ebenfalls im Urin und Speichel von Infizierten gefunden. Ob das Virus auch auf diesem Weg weitergetragen wird, ist noch nicht bekannt.
Gefahr für Ungeborene
Die Zikavirus-Infektion verläuft ähnlich wie das Denguefieber – wenn sie überhaupt bemerkt wird. Zu den Symptomen gehören zum Beispiel leichtes Fieber, Hautausschlag, Kopfschmerzen oder Bindehautentzündung, die in einem Zeitraum von ungefähr drei bis sieben Tagen auftreten und bis zu einer Woche anhalten können. Lebensbedrohliche Verläufe sind selten, Todesfälle als direkte Folge einer Infektion nicht bekannt. Gefährlich kann es für Ungeborene werden: Ein Zusammenhang zwischen Zikavirus-Infektion in der Schwangerschaft und einer Mikrozephalie bei Neugeborenen ist sehr wahrscheinlich, wie Forscher der US-Gesundheitsbehörde CDC auf Basis mehrerer Studien im April nachweisen konnten. Es seien aber noch viele Fragen offen, schreiben sie in der Veröffentlichung ihrer Forschungen im Fachjournal New England Journal of Medicine. Ein Impfstoff oder Medikamente gegen das Zikavirus existieren bislang nicht.
Vorsicht auf Reisen nach Brasilien
Die WHO, die brasilianische Regierung und auch das Auswärtige Amt (Merkblatt für Reisende) raten Schwangeren derzeit ab, etwa für die Olympischen Spiele nach Brasilien zu reisen. Das Risiko, sich mit dem Zikavirus anzustecken, ist unkalkulierbar. Wer dennoch fahren will, dem empfiehlt Professor Winfried Kern, sich entsprechend vor den Mücken zu schützen, die auch tagsüber stechen – etwa mit Moskitonetzen, Mückenmitteln und langer heller Kleidung zum Test von Mückenmitteln. Zudem empfiehlt die WHO, Rückkehrer aus einem Ausbruchsgebiet sollten noch mindestens acht Wochen lang nur geschützten Geschlechtsverkehr praktizieren. Detaillierte Ratschläge und allgemeine reisemedizinische Tipps gibt es in unserem Olympia-Special.
Streit um Olympische Spiele
Mehr als 150 Gesundheitsexperten haben kürzlich in einem offenen Brief empfohlen, die Olympischen Spiele in Rio zeitlich wie räumlich zu verlegen. Und sie fordern das WHO auf, eine Expertenrunde zu bilden, die das Internationale Olympische Komitee (IOC) in Sachen Zikavirus beraten solle. Nichts zu tun und die Spiele wie geplant im August stattfinden zu lassen, sei unverantwortlich. Die WHO hielt zunächst dagegen, eine Absage würde keinen entscheidenden Einfluss auf die Verbreitung des Virus haben, da Brasilien nur eines von vielen Zika-Risikoländern mit regem Tourismus sei. Zudem gebe es dort im August weniger Mücken – in Südamerika herrscht dann Winter. Diese Einschätzung wurde im Juni von Mitgliedern des Zika-Notfallkomitees der WHO bestätigt.
* Diese Meldung ist erstmals am 2. Februar 2016 auf test.de erschienen. Sie wurde seitdem mehrfach aktualisiert, zuletzt am 18. Juli 2016.