Wer analog fernsieht, jubelt beim Elfmeterschießen zuerst. Digitales Programm kommt später an, aber in besserer, schärferer Qualität.
Champions-League-Finale. Nach neunzig Minuten und Verlängerung steht es null zu null. Elfmeterschießen. Stille im Stadion, Stille auf dem Spielfeld, Stille im Wohnzimmer. Der Schütze tritt zum entscheidenden Elfer an, nimmt drei Schritte Anlauf. Plötzlich, noch bevor er den Ball berührt, schallt es aus der Nachbarwohnung: „Tooooor“. Die Spannung ist dahin.
Nicht nur Fußballfans erleben den Zeitversatz beim Fernsehen. Für Verwunderung sorgt er auch beim Countdown in der Silvesternacht: Auf dem eigenen Fernsehschirm sind die Sekunden noch nicht gezählt, da böllert schon der Nachbar.
Live ist nicht gleich live. Dafür gibt es verschiedene Gründe. Eine Rolle spielt der Übertragungsweg, also wie das Fernsehsignal zuhause ankommt, per Satellit oder Kabel zum Beispiel. Aber auch der Wohnort kann entscheidend sein. Unter welchen Bedingungen kommt das Programm fast ohne Verzögerung auf dem Fernseher an, und wann hinkt es hinterher? Um das herauszufinden, haben wir die eingeblendete Uhr zu Beginn der Tagesschau und bei RTL Aktuell mit einer Funkuhr im Prüfraum verglichen.
Analoges Kabel am schnellsten

Volltreffer. Beim Nachbarn zappelt der Ball schon im Netz. Zuhause liegt er noch auf dem Elfmeterpunkt.
Das Fernsehsignal kann auf vier verschiedenen Wegen in die eigenen Wände gelangen: per Satellit, über den Kabelanschluss, per Antenne und übers Internet. Auf allen Wegen übertragen die Anbieter das Programm digital, im Kabel zusätzlich noch analog. Dieses Signal ist das schnellste. Beim analogen Kabel beträgt die Verzögerung in unserem Test weniger als 3 Sekunden. Gleichzeitig liefert es die schlechteste Qualität. Digitale Bilder sind schärfer. Doch die Sender müssen sie kodieren, bevor sie sie ins Wohnzimmer schicken. Das kostet Zeit. Am schnellsten kommt das digitale Programm in Standardauflösung via Satellit an, fast eine Sekunde danach via Kabel.
Am lahmsten gehts übers Internet. Wer den Livestream der Tagesschau am Computer empfängt, erfährt etwa 8 Sekunden später, was in der Welt passiert ist. Telekom-Kunden erleben mit Entertain eine Verspätung von rund 13 Sekunden. Dies könnte an der Anzahl der Server liegen, über die das Programm geleitet wird. Sie beeinflusst die Geschwindigkeit.
Auf den Wohnort kommt es an
Bis das Bild vom Stadion ins Wohnzimmer gelangt, durchläuft es eine lange Kette: vom Übertragungswagen zum Sender, weiter zum Satelliten- oder Kabelanbieter. Das Signal wird weiterverarbeitet, teilweise sogar komplett umgewandelt oder verschlüsselt. Das dauert. Außerdem speisen die Sender das Programm je nach Standort auf unterschiedlichen Wegen ein. Deswegen ist der Zeitversatz stark ortsabhängig. Beim Empfang über Satellit trifft das am wenigsten zu. Das Signal kommt immer vom gleichen Satelliten. Die Entfernung spielt keine Rolle. In den Kabelnetzen leiten die Anbieter das Programm über ganz verschiedene Knotenpunkte weiter. Die Unterschiede sind hier stärker vom Wohnort abhängig. Das gilt auch für die Übertragung über das Internet und über Antenne.
Sender unterschiedlich schnell
Eine kleine Rolle kann auch die Bildqualität spielen. Läuft das Match in hoher Auflösung, erscheinen Rasen und Ball gestochen scharf. Diese Bilder müssen die Anbieter stärker komprimieren. Im Kabelnetz zeigen sich kaum Unterschiede. Bei Entertain kommt das HD-Bild sogar eher an. Bei der Satellitenübertragung hat die scharfe Qualität aber 2 Sekunden Verspätung.
Wir konnten außerdem feststellen, dass es große Unterschiede zwischen einzelnen Sendern gibt. So liegt das ZDF im digitalen Kabel an unserem Testort rund 10 Sekunden hinter dem Ersten. Über Satellit sind es nur rund 3 Sekunden.
Ganz gleich wie das Fernsehen ins Haus kommt: Wen der verfrühte Jubel des Nachbarn nervt, lädt ihn am besten zu sich ein.