
Seit Ende letzten Jahres müssen Energieversorger zeitvariable Stromtarife anbieten. Passiert ist bisher wenig. Die meisten Stromanbieter reaktivieren eingestaubte Tag-Nachttarife oder bieten erst gar keine an – mit wenigen Ausnahmen. Dabei sind die neuen Tarife nur ein erster Schritt zur intelligenten Stromversorgung.
Pflicht für Stromanbieter
Stichtag 30. Dezember 2010. Von da an sollten Energieversorger Verbraucher mit lastvariablen oder tageszeitabhängigen Tarifen beglücken. So steht es im Energiewirtschaftsgesetz. Die Idee: Zeitvariable Tarife, die Anreize zum Energiesparen und zur besseren Steuerung des Energieverbrauchs setzen. Notwendig ist ein sogenannter intelligenter Stromzähler (smart meter), der den Stromverbrauch in Abhängigkeit von der Zeit messen kann. Der Einbau ist für Neu- und Umbauten ohnehin bereits Pflicht. So weit so sinnvoll. Doch wie haben die Versorger in der Praxis reagiert?
Wenig innovativ
Knapp zwei Monate nach dem Stichtag bieten die Energieversorger so ziemlich alles an: Von „wir warten noch weiter ab“ bis zu Modellen mit sechs verschiedenen Zeitzonen. Die meisten Energieversorger begnügen sich mit den gesetzlichen Minimalanforderungen. Das sind in der Regel nur ein teurer Hoch- (HT) und ein billigerer Niedertarif (NT). Anders ausgedrückt: Die Versorger wärmen die aus Zeiten der Nachtspeicheröfen bekannten Tag- und Nachttarife wieder auf. Das ist alles andere als innovativ.
Teuer für den Verbraucher
Und zum Sparen laden die Tarife bisher noch nicht ein. Ein Beispiel von vielen: EnBW in Stuttgart. Da gibt es den Tarif „EnBW intelligenter Stromzähler“ mit 2 Tarifzeiten. Montag bis Freitag von 8 bis 20 Uhr zahlen die Kunden 24,73 Cent pro Kilowattstunde, am Wochenende und über Nacht gerade einmal 3 Cent weniger. Doch der Doppeltarif geht ins Geld. Zum einen steigt die monatliche Grundgebühr auf 14,95 Euro (zum Vergleich: Der Tarif ENBW Duo Plus mit 1 201 bis 4 800 Kilowattstunden Jahresverbrauch kostet 6,49 Euro Grundgebühr), zum anderen wird für den smart meter zusätzlich eine einmalige Einbaugebühr von 99 Euro fällig. Dafür gibt es dann immerhin exakte monatliche Online-Rechnungen und Infos zum Stromverbrauch am PC. Doch um allein das Geld für den Zählereinbau wieder herein zu holen, müssten die Stromkunden 3 300 Kilowattstunden vom teuren Tagtarif in die Nacht oder ins Wochenende verlagern. Die höhere Grundgebühr ist da noch gar nicht mit eingerechnet.
Waschtag am Wochenende

Bleibt die Frage: Welche Energieverbraucher im Haushalt lassen sich in preiswertere Tarifzeiten verlagern? Der Herd wird wohl eher nicht dazu gehören. Schließlich richtet sich die Mittagszeit nicht nach ein paar eingesparten Kilowattstunden. Interessanter sind da eher Waschmaschine, Wäschetrockner und Geschirrspüler. In einem Haushalt mit 3 bis 4 Personen verbrauchen die Geräte im Schnitt zusammen etwa 920 Kilowattstunden im Jahr. Heißt: Selbst wenn Kunden diese drei Haushaltsgeräte künftig ausschließlich nur noch am Wochenende oder in der Nacht betreiben, würde es knapp 3,5 Jahre dauern, bis sich der Einbau des smart meters von EnBW rechnet.
Im Zeichen der Zeit
Wohin die Reise aber in Zukunft gehen könnte, zeigen schon heute die Stadtwerke Bielefeld mit dem Tarif EnerBest Strom Smart. Wie bei den meisten Versorgern gibt es einen teureren Tag- und einen billigeren Nachttarif. Zusätzlich ist der Tagestarif in weitere Tarife unterteilt – abhängig von der Tageszeit. Am teuersten ist es zwischen 11:30 Uhr und 12:30 Uhr mit 26,99 Cent je Kilowattstunde. Wohingegen der Strom zwischen 12:30 Uhr und 17:00 Uhr mit 20,44 Cent deutlich weniger kostet. Noch billiger ist es täglich zwischen 22:15 Uhr und 6:15 Uhr mit 16,09 Cent je Kilowattstunde. Bei fast 11 Cent Einsparung pro Kilowattstunde kann intelligentes Timing recht schnell Klimaschutz und Portemonnaie in Einklang bringen. Problem: Den Tarif gibt es nur für Kunden im Versorgungsgebiet der Stadtwerke Bielefeld.
Erneuerbare Energien

Fakt ist: Der Anteil der Erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung nimmt stetig zu. Neben der Windkraft steigt vor allem die Anzahl der Photovoltaikanlagen. Das Resultat: In windigen Nächten oder an sonnenreichen Sommertagen steigt das Angebot an Ökostrom – und kann die Nachfrage regional sogar übertreffen. Das Problem der Speicherung von Energie in großem Stil ist noch nicht gelöst.
Waschen wenn die Sonne scheint
Um künftig mehr klimaneutralen Strom nutzen zu können, gibt es eine elegante Möglichkeit: Verbraucher nutzen den Strom möglichst dann, wenn die Natur ihn liefert. Ohne Komfortverlust startet die Gefriertruhe den Kompressor genau in den heißen Mittagsstunden, in denen die Außentemperatur besonders hoch ist. Die Spülmaschine säubert das Geschirr „im Schlaf“, das Geschirr steht morgens sauber bereit. Geht es um die Umsetzung der Klimaschutzanforderungen, wird sich in Zukunft die Nachfrage stärker dem schwankenden Angebot bei der Stromerzeugung anpassen müssen.