Kiefer­ortho­pädie für Kinder Zahn­spange – welche Extras sinn­voll sind

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Kiefer­ortho­pädie für Kinder - Zahn­spange – welche Extras sinn­voll sind

Kiefer­ortho­pädie. Teen­ager werden oft auch mit durch­sichtigen Alignern behandelt. Dafür zahlt die Krankenkasse aber nicht. © Getty Images / Lourdes Balduque

Bei Zahn­spangen für Kinder und Jugend­liche werden Eltern oft für Extras zur Kasse gebeten. Stiftung Warentest erklärt, was diese kosten können und welche sinn­voll sind.

Ob Lücken, verdrehte Zähne oder ein Unterkiefer in Rück­lage: Wenn Zähne oder Kiefer nicht richtig aufeinander passen, brauchen Kinder meistens eine Zahn­spange. Die Hälfte der Kinder in Deutsch­land wird kiefer­ortho­pädisch behandelt, um Hasenzähne und andere Anomalien zu beseitigen. Manchmal startet eine kiefer­ortho­pädische Behand­lung mit einer losen Spange. Danach kommt dann meistens noch die feste. Spätestens ab dann kann es richtig teuer werden – für die Eltern. Denn die Krankenkasse zahlt hier nur für die einfachste Variante.

Kassenmodell oder Extras mit Aufpreis?

Drei Gebiss­modelle mit Zahn­klammer hat die Mitarbeiterin einer Kiefer­ortho­pädiepraxis im Berliner Südwesten vor einer Mutter und ihrem 13-jährigen Sohn aufgebaut. Sie deutet auf ein Modell mit einer Zahn­spange aus Metall. Dieses über­nehme die gesetzliche Krankenkasse. Dann hebt sie die Vorzüge der anderen Modelle hervor: glattere Brackets, elastische Bögen, weniger auffällige Keramik. Dafür aber müssen die Eltern einen Anteil selbst bezahlen, mindestens 1 000 Euro. Die Mutter ist unsicher: Zahn­spange ja oder nein? Und wenn ja, welche? Sie will das Beste für ihr Kind, aber muss sie dafür so viel Geld ausgeben?

Unser Rat

Abrechnung. Fragen Sie nach Nutzen und Kosten der Extras. Der Arzt darf die Mehr­kosten dafür nicht vorab verlangen. Er kann pro Quartal oder monatlich abrechnen. Bei einem etwaigen Praxis­wechsel wären bis dahin erbrachte Leistungen und Zahlungen zu verrechnen.

Zweitmeinung Kiefer­ortho­pädie. Zweitmeinungs­beratungen der Kassen­ärzt­lichen Vereinigungen und Krankenkassen helfen weiter. Oder Sie fragen einen zweiten Arzt. Röntgen­bilder und Abdrücke vom ersten Behandler können Sie dafür mitnehmen.

Ambulanz. Hoch­schul­ambulanzen der Unikliniken behandeln auch. Es kann hier jedoch zu Warte­zeiten kommen.

Kiefer­ortho­pädie für Kinder ist häufig nötig

Vor der Entscheidung über eine kiefer­ortho­pädische Behand­lung stehen viele Familien. Dass viele Zahn­spangen unnötig seien, widerlegt die 6. Deutsche Mund­gesund­heits­studie von 2022. Bei 40 Prozent der Acht- und Neunjäh­rigen sah sie behand­lungs­bedürftige Zahn- und Kieferfehl­stel­lungen wie Über­biss, Engstand und Lücken. Welche Therapie-Geräte am besten in welchem Alter zum Einsatz kommen, hat Stiftung Warentest Professor Till Köhne, Leiter der Kiefer­ortho­pädie am Universitäts­klinikum Leipzig, gefragt. In einigen Fällen muss die Behand­lung sehr früh beginnen. Mehr zum richtigen Zeit­punkt lesen Sie in unserem Special Wann die Behandlung starten sollte.

Kasse zahlt nur für Stan­dard­techniken

Das Richten schiefer Zähne und Korrigieren einer falschen Biss­lage über­nimmt die Krankenkasse bei gesetzlich Versicherten bis zum Alter von 18 Jahren. Sie zahlt für Stan­dard­techniken, die das „Maß des Notwendigen“ nicht über­schreiten, zum Beispiel Brackets und Bögen aus Edelstahl. Gesetzlich Versicherte haben einen Anspruch auf die Therapie mit solch einem Kassenmodell ohne Zuzahlung. Laut einer Studie der Krankenkasse hkk von 2021 boten aber nur 26 Prozent der Ärzte eine Behand­lung ohne Aufpreis an.

Extra­leistungen häufig bei fester Zahn­spange

Die Mehr­zahl schlägt für Diagnose und Therapie andere oder neuere Verfahren als privat zu zahlende Leistung vor. Die sollen für mehr Komfort und eine bessere Ästhetik sorgen. Vor allem wenn es um das bleibende Gebiss geht – also bei Teen­agern – sind diese Extras ein Thema. Einige Zusatz­leistungen bei Zahn­spangen bewertet Prof. Köhne als sinn­voll. Ob sie die Behand­lung im Kern verbessern, ist unklar. Es fehlen Vergleichs­studien. Im Jahr 2021 gaben die Krankenkassen 1,3 Milliarden Euro für Kiefer­ortho­pädie aus, 2010 waren es noch 942 Millionen Euro. Was die Eltern im Lauf der Zeit an Zuzah­lungen für die Zahn­spange leisteten, ist nicht bekannt. Der Plan, die Rechnungen regel­mäßig von den Kassen­ärzt­lichen Vereinigungen auf ihre Plausibilität prüfen zu lassen, verlief im Sande.

Kasse zahlt erst ab Schweregrad 3

Wer leichte oder gering ausgeprägte Zahn- und/oder Kieferfehl­stel­lungen hat, fällt in die kiefer­ortho­pädischen Indikations­gruppen (KIG) 1 und 2 und bekommt ohnehin nichts von der Kasse. Bei KIG 3 bis 5 – ausgeprägt bis extrem stark ausgeprägt – zahlt sie die Therapie.

Tipp: Liegt die Abweichung knapp unter der Grenze für KIG 3, lassen Sie nach ein paar Monaten erneut messen. Oft prägt sich die Fehl­stellung weiter aus.

Zahn­spange: Kosten können Tausende Euro erreichen

Der 13-Jährige, bei dem die feste Behand­lung anstand, war in KIG 4 einge­stuft. Die Kasse zahlte, die Familie gab bei der Zahn­spange als Zuzahlung 1 426 Euro für selbst­ligierende Brackets, elastische Bögen, Zahn­reinigung und Versiegeln aus. Damit kam sie noch günstig weg. Das zeigen andere Beispiele aus Hamburg und Berlin.

  • Die Therapie eines Über­bisses mit Schmalkiefer durch Brackets kostete die Kasse 3 300 Euro, die Eltern knapp 2 600 Euro.
  • In einem ähnlichen Fall, bei dem gedrehte und gekippte Zähne dazu­kamen, zahlte der Privatpatient 7 100 Euro.
  • Eine Kassenpatientin wählte Aligner. Damit wurden ein Engstand sowie verdrehte und im Kopf­biss stehende Zähne behandelt. Die Privatleistung kostete 4 100 Euro.

Was welche Zusatz­leistungen bei einer Zahn­spange kosten können, hat die Stiftung Warentest in einer Tabelle zusammen­getragen.

Zweitmeinung: An Kiefer­ortho­pädie-Experten wenden

Damit Eltern eine gute Entscheidung treffen können, ist es wichtig, dass der Arzt oder die Ärztin den Behand­lungs­plan für die Kiefer­ortho­pädie mit den Kosten, sowie mögliche Neben­wirkungen gut erklären und Zusatz­leistungen plausibel erläutern. Erstellt der Behandler zu Beginn eine Rechnung über die geplante Endsumme, haben die Eltern die nötigen Ausgaben gut im Blick. Wer den Eindruck hat, es geht hier nur um Geld und nicht um Medizin, sucht weiter.

Tipp: Unter bdk-online.org können Sie nach Praxen in der Nähe schauen. Sie können auch zu einem anderen Kiefer­ortho­päden oder einer Kiefer­ortho­pädin gehen, um sich eine zweite Meinung zu der geplanten Therapie einzuholen.

In welchem Alter wird behandelt?

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Jüngere Kindern können mit losen Klammern wie einer aktiven Platte behandelt werden. © Stiftung Warentest

Die normale Behand­lung beginnt mit neun bis zehn Jahren, wenn einige bleibende Zähne durch­gebrochen sind. Zu Beginn macht der Arzt Röntgen­aufnahmen und Fotos, nimmt Gebiss­abdrücke oder -scans und schreibt den Behand­lungs­plan. Privatleistungen sollten auf einem für alle verbindlichen, seit 1. Juli 2023 gültigen Formular stehen. Bei KIG 3 bis 5 über­prüft ein Kassen­gut­achter – ein Fachzahn­arzt für Kiefer­ortho­pädie – den Therapieplan. Nach der Zusage der Kasse geht es los.

Meist kommen dann lose Klammern zum Einsatz: aktive Platten (Kunst­stoff­platten mit Dehn­schrauben) oder funk­tions­kiefer­ortho­pädische Geräte wie der Bionator. Dabei wird die Kraft der Kaumuskulatur genutzt, um Zähne und Kiefer in die gewünschte Position zu bringen. Manchmal sind schon Brackets etwa mit Teilbögen nötig.

Diagnose und Therapie mit und ohne Kassen­zuschuss

Für den Gebiss­abdruck wird bislang mit ein Löffel mit Sili­konmasse verwendet (Kassen­leistung). Bei der digitalen Diagnostik nimmt das Kind einen stabförmigen Scanner in den Mund, der ein 3-D-Modell des Gebisses erstellt. Der Gebiss-Scan ist Privatleistung. Professor Köhne plädiert dafür: „Behand­lungen lassen sich am Computer optimal planen.“ Vor dem Start der Therapie rät er zu einer Funk­tions­diagnostik der Kiefergelenke, um mögliche Probleme zu entdecken, die Einfluss auf die Behand­lung haben können.

Um die Zahnbögen zu erweitern oder den Unterkiefer im bleibenden Gebiss nach vorn zu bringen gibt es verschiedene Zusatz­geräte. Nicht alle werden von der Kasse gezahlt. Die Bewegung von Backenzähnen abstützen soll der Head­gear (Gesichts­bogen). Der ist Kassen­leistung. Mögliche Alternativen – Mini-Implantate im Kieferknochen oder die Pendulum-Apparatur – stehen auf der Privatrechnung.

Feste Zahn­spange erst im bleibenden Gebiss

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Brackets. Metall­bögen üben Druck aus. © Stiftung Warentest

Sind alle bleibenden Zähne mit etwa 13 oder 14 Jahren durch­gebrochen und der Kiefer wächst so gut wie nicht mehr, kommen feste Spangen wie Brackets infrage. Brackets werden auf die Zähne geklebt und halten Metall­bögen, die Druck ausüben. Sie werden in Abständen ausgetauscht. Klebrige und harte Nahrungs­mittel sind verboten, die Zahnhygiene muss sehr gut sein. Beläge können sich anlagern und zu Karies führen. Folgende Extras können zu Mehr­kosten führen:

  • Thermoelastische Bögen. Sie üben sanfte und konstante Kräfte auf die Zähne aus.
  • Keramik- und Minibra­ckets. Sie sind optisch unauffäl­liger. Keramikbrackets sind aber manchmal schwer zu entfernen.
  • Selbst­ligierende Brackets. Sie halten den Bogen mit einem Riegel statt einem Gummi oder einer Draht­schlaufe. Die Zahn­flächen um die Brackets sind einfacher sauber­zuhalten, das Bogen wechseln in der Praxis geht schneller.
  • Lingual­technik. Die Brackets kleben unsicht­bar auf die Zahninnenseite. Die teuerste und aufwändigste Versorgungs­form. Nachteil: Die Zunge muss sich daran gewöhnen. Das kann etwas dauern.
  • Indirektes Bonding. Eine Schablone dient zum Aufkleben der Brackets. Laut Köhne können sie so perfekt positioniert werden.
  • Versiegelung. Die Glatt­flächen- oder Bracket­umfeld­versiegelung soll die Zahn­flächen rund um die Brackets vor Karies schützen. Der Mediziner ist da skeptisch: „Der Lack löst sich nach und nach auf. Gründliches Zähneputzen kann das nicht ersetzen.“

Trans­parente Aligner für Privatzahler

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Aligner. Trans­parente Schienen. © Stiftung Warentest

Ebenfalls im bleibenden Gebiss werden Aligner einge­setzt. Das sind fast unsicht­bare Kunst­stoff­schienen. Nach einem digitalen Gebiss­abdruck wird eine Serie von 10 oder auch bis über 20 Stück gefertigt und in fester Abfolge getragen. Auf die Zähne geklebte Halteelemente (Attachements) aus Kunststoff verstärken die Wirk­kraft. Die Zähne sind einfach zu pflegen. Aligner müssen außer zum Essen und Zähneputzen aber ständig im Mund bleiben. Die Kasse zahlt nichts.

Haltephase am Ende der Behand­lung

Die Therapie endet mit einer Retentions­phase. Sie soll verhindern, dass sich die Zähne an ihren alten Platz zurück­bewegen. Nach dem Abnehmen der Brackets tragen die Patienten nachts eine lose Kunst­stoff­klammer. Bei Alignern dient die letzte Schiene dazu. Sinn­voll können Kleberetainer sein. Das sind feine Drähte, die hinter die Vorderzähne geklebt werden, um sie zu fixieren. Die Kasse zahlt sie allerdings nur im Unterkiefer bei Engstand.

Eigen­anteil wird zurück­gezahlt

Die Kasse über­nimmt bis zu vier Jahre Behand­lung. Eltern zahlen vierteljähr­lich 20 Prozent des Kassen­anteils, 10 Prozent ab zwei behandelten Kindern. Bescheinigt der Arzt einen erfolg­reichen Abschluss, erstattet die Kasse den Eigen­anteil. Bei Therapie­abbruch gibt es kein Geld zurück. Nicht erstattete Kosten lassen sich als außergewöhnliche Belastung bei der Steuer absetzen. Bei privaten Krankenversicherungen hängt es vom Tarif ab, wie viel sie beisteuern.

Zahn­zusatz­versicherungen helfen kaum

Wenig helfen Zahn­zusatz­versicherungen für Kinder bei der Kiefer­ortho­pädie. Sie bezu­schussen die Zahn­spange in der Regel nur, wenn der Vertrag schon vor der Diagnose einer Fehl­stellung bestand. Bei einigen Kindern gibt es einen solchen Befund aber schon im Kleinkindalter. Die Police müsste daher spätestens mit vier Jahren abge­schlossen werden. Der Ergo Sofort­schutz für Kinder bis 17 Jahre versichert diagnostizierte oder begonnene Behand­lungen und zahlt 50 Prozent des Rechnungs­betrags nach Abzug des Kassen­zuschusses. Wenn die Kasse nichts dazugibt (KIG 1 und KIG 2), zahlt die Ergo maximal 250 Euro im Jahr. Die Mindest­lauf­zeit des Tarifs beträgt zwei Jahre. Anhand der alters­abhängigen Beitrags­höhe lässt sich ausrechnen, ob sich das lohnt. Wie Eltern schon im Babyalter Zahnfehl­stel­lungen ihrer Kinder vorbeugen können, erklärt der Ratgeber Kieferorthopädie der Stiftung Warentest.

Tipp: Die besten Zahn­zusatz­tarife für die Kosten von Zahn­ersatz gibt es auf in unserem Test von Zahnzusatzversicherungen.

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Kommentarliste

Nutzer­kommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.

  • Profilbild Stiftung_Warentest am 19.10.2023 um 16:39 Uhr
    Lingualtechnik

    @renner-kfo: Vielen Danke für den Hinweis. Sie haben insofern recht, als dass die Lingualtechnik im Honorarkatalog für Zahnärzte (BEMA) als Mehrleistung aufgeführt wird, das heißt, die Krankenkasse zahlt (theoretisch) einen Grundbetrag.
    Andererseits schreibt die größte deutsche Krankenkasse, die TK, auf ihrer Seite: Lingualtechnik wird nicht übernommen.
    Auch auf den Homepages vieler Kieferorthopäden wird die Technik als reine Privatleistung ausgewiesen. Wir prüfen, ob die Krankenkassen hier unterschiedlich handeln.

  • renner-kfo am 19.10.2023 um 09:47 Uhr
    Lingualtechnik

    Leider wurde beim Punkt Lingualtechnik beschrieben, dass die Kasse NICHTS bezahlt. Das stimmt nicht, denn sie bezahlt den Anteil einer aussenliegenden Standart-Bracketbehandlung. Die Mehrkosten werden nur nicht übernommen.

  • Nancy48 am 09.01.2019 um 10:10 Uhr

    Kommentar vom Administrator gelöscht.