Das YotaPhone hat zwei Bildschirme: Vorn den üblichen, hintergrundbeleuchteten LCD, hinten ein E-Paper-Display ohne Beleuchtung.
Ein Smartphone mit zwei Displays: Der übliche LCD-Bildschirm vorn, ein E-Paper-Display hinten. Diesen originellen Ansatz verfolgt das russische YotaPhone. Wegweisende Innovation oder abwegiger Profilierungsversuch? Ein Schnelltest soll es klären.
Alleinstellungsmerkmal E-Paper
Ein richtig gutes Smartphone gibt es heute für 200 bis 300 Euro – wie also bringt man Kunden dazu, 500 Euro oder mehr für ein Handy auszugeben? Eine Strategie: von Produktgeneration zu Produktgeneration mehr Rechenleistung und größere, höher auflösende Displays. Ein anderer Weg: ungewöhnliche Ausstattungsmerkmale wie 3D-Kamera- und Display oder einen eingebauten Beamer. Diesen zweiten Weg geht auch der russische Anbieter Yota mit seinem YotaPhone: Das Gerät hat ein zweites Display auf der Rückseite. Das Besondere: Dieser Zweitbildschirm nutzt eine andere Technik als der LCD-Schirm auf der Vorderseite – es handelt sich um ein so genanntes E-Paper-Display, wie man es sonst von E-Book-Readern kennt.
Mittelklassehandy zum Oberklassepreis
Abgesehen von dieser Eigenheit zeigt sich das YotaPhone im Test als eher unauffälliges Mittelklasse-Smartphone. Ungewöhnlich ist zunächst vielleicht noch die Bedienlogik, die sich etwas von anderen Android-Geräten unterscheidet: Statt der verbreiteten „Home“- und „Zurück“-Tasten unterhalb des Displays muss der Nutzer ein paar neue Wischgesten lernen. Mit etwas Übung ist das kein Problem. Positiv fällt die gute Netzempflindlichkeit auf. Auch zum Surfen und Mailen eignet sich das YotaPhone mit seinem großen, hochauflösenden Front-Display und schnellem LTE-Funk bestens. Weniger toll ist die Kamera, die bei wenig Licht nur schwache, und auch bei guter Beleuchtung keine richtig guten Bilder liefert. Die GPS-Ortung ist eher langsam. Und die Akkulaufzeiten fallen – bei Nutzung des vorderen Displays – eher mittelprächtig aus.
E-Paper auch bei Sonnenschein lesbar
Vergleichbare Leistung gibt es sonst schon für 200 Euro. Die entscheidende Frage: Ist das zweite Display auf der Rückseite den Aufpreis wert? Die E-Paper-Technik (nach dem größten Anbieter dieser Displays oft auch „E-Ink“ genannt) bietet gegenüber hintergrundbeleuchteten LCD-Schirmen zwei Vorteile: Zum einen verbrauchen sie weniger Strom und ermöglichen so längere Akkulaufzeiten. Vielleicht noch wichtiger: Bei sehr heller Umgebung, wo spiegelnde, hintergrundbeleuchtete LCD-Schirme überstrahlt werden, sind E-Paper-Displays viel besser ablesbar. Das gilt auch für den rückwärtigen Bildschirm des YotaPhone. Zwar hält er, was Bildschärfe und Kontrast angeht, nicht mit der neuesten Generation von E-Ink-Displays mit. Doch ist sein Bildschirminhalt auch bei strahlendem Sonnenschein noch bestens zu erkennen.
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Kein Touchscreen auf der Rückseite
Allerdings hat dieses rückwärtige E-Paper-Display beim YotaPhone einen gravierenden Haken: Anders als das LCD-Display auf der Vorderseite ist es nicht berührempfindlich. Stattdessen gibt es unterhalb des rückwärtigen Bildschirms ein Sensorfeld, auf dem der Nutzer das Handy durch Wischgesten steuern soll – dieselben, die auch für die Bedienung auf der Vorderseite zu lernen sind. Dieses „Wischfeld“ funktioniert im Test allerdings nicht immer zuverlässig. Ein weiteres Problem: Die üblichen Standard-Programme aus dem Google Play Store können diese Wischgesten auf der Rückseite gar nicht erkennen. Die meisten Apps lassen sich über das hintere Display so kaum sinnvoll nutzen. Das geht nur mit speziellen, für dieses Bedienkonzept von Yota optimierte Apps. Ein paar davon sind auf dem YotaPhone vorinstalliert, weitere sind bisher kaum verfügbar.
Bücher lesen mit Einschränkungen
Beispiel Lese-Apps: Den „Lesekomfort“ nennt Yota als eins der Hauptargumente für sein Produkt. Doch im Test des YotaPhone als E-Reader zeigt sich schnell: Der Komfort hält der sich in Grenzen. Die vorinstallierte E-Book-App „Bookmate“ ist zwar für die spezielle YotaPhone-Bedienung angepasst, krankt aber an allerlei Einschränkungen: Sie lässt sich nur über das Internet und nur mit nicht kopiergeschützten E-Books füttern. Damit ist das Angebot an Lesestoff stark eingeschränkt. Und beliebte E-Book-Programme wie die Kindle-App von Amazon lassen sich auf dem E-Paper-Schirm des YotaPhone kaum nutzen. Zwar lässt sich auch der Bildschirminhalt der Kindle App – wie jeder beliebige Inhalt – recht einfach als Screenshot auf die Rückseite schicken. Doch zum Bücherlesen taugt das nicht: Zum Umblättern müsste der Nutzer jedes Mal das Handy umdrehen, das vordere Display einschalten, in der Kindle-App umblättern, den neuen Bildschirminhalt als Screenshot nach hinten schicken, und hinten weiterlesen. Das ist nicht praktikabel.
Spaziergang im Sonnenschein
Die vorinstallierte Karten-App „MapsWithMe“ läuft auch auf dem E-Paper-Display. So kann der Nutzer auch bei grellem Sonnenlicht seinen Standort mitverfolgen. Eine Routenführung bietet die App aber nicht.
Nützlicher ist die vorinstallierte Karten-App „MapsWithMe“: Auch ihre Darstellung kann auf das hintere Display „umgeklappt“ werden und zeigt dann auch bei grellem Sonnenschein klar erkennbar den Standort des Handys und seine Umgebung. Mit den Sensorfeldern unter dem Display kann der Nutzer immerhin rein- und rauszoomen. Den Bildausschnitt verschieben, wie von anderen Karten-Apps gewohnt, kann er auf der Rückseite mangels Touchscreen jedoch nicht.
Beim Nächsten YotaPhone wird alles besser?
Yota hat diese Schwächen implizit auch schon eingestanden: Beim bereits angekündigten Nachfolgemodell soll auch das E-Paper-Display auf der Rückseite touch-fähig sein. Wenn sich dann auch beliebige Apps darauf bedienen lassen, wird dieses zweite Display ein weitaus nützlicheres Feature sein für alle, die auch bei Sonnenschein ihr Smartphone nutzen wollen. Das mag dann tatsächlich auch einen deutlichen Aufpreis gegenüber konventionellen Mittelklasse-Smartphones wert sein.
Fazit: Gute Idee, warten auf den Nachfolger
Das E-Paper-Display auf der Rückseite ist eine originelle und potenziell sehr nützliche Idee. Doch die Bedienung krankt an der fehlenden Touch-Fähigkeit. Wenn die beim angekündigten Nachfolger gut funktioniert, könnte der zu einer wirklich spannenden Alternative zu gängigen Smartphones werden.
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