So sanft wie sein Ruf ist Yoga nicht. Wer aber achtsam trainiert, tut Leib und Seele nachweislich Gutes. Studien belegen sogar einen medizinischen Nutzen. Schätzungsweise fünf Millionen Menschen üben in Deutschland die Posen mit klangvollen Namen wie Hund, Held oder Heuschrecke. Die Gesundheitsexperten der Stiftung Warentest haben sich auf die Yogamatte begeben und berichten.
Es geht um Bewegung, Gesundheit, Stressabbau
Mittwochabend, ein unsanierter Altbau in Berlin-Kreuzberg. In einem leergeräumten WG-Zimmer versammeln sich fünf Frauen zum Yoga bei Kerzenschein. Ein paar Ecken weiter rinnt der Schweiß: 20 knapp Bekleidete verbiegen sich vor wandhohen Spiegeln bei 40° Raumtemperatur. Nebenan, im Bezirk Friedrichshain, drängt sich Yogamatte an Yogamatte: In einem Fitnessstudio folgen 120 Kursteilnehmer der Lehrerin, die auf zwei Großleinwände übertragen wird. Yoga, eine spirituelle Lehre aus Indien für Einklang von Körper, Geist und Seele, ist voll in der westlichen Welt angekommen. In Deutschland üben etwa fünf Millionen Menschen die Posen mit klangvollen Namen wie Hund, Held oder Heuschrecke, schätzt der Berufsverband der Yogalehrenden in Deutschland (BDY). Dessen Vorsitzende Angelika Beßler sagt: „Heute geht es weniger um Selbsterfahrung und Erleuchtung, sondern eher um Bewegung, Gesundheit, Stressabbau.“ Verwirrend viele Stile stehen zur Auswahl, von sehr spirituell bis extrem sportlich Welcher Yoga-Stil könnte zu mir passen?. Insgesamt ist Yoga nicht so sanft wie sein Ruf. Manche Übungen dehnen oder verrenken den Körper enorm – Verletzungen drohen. Wer aber achtsam trainiert, tut Leib und Seele Gutes. Studien belegen: Yoga entspannt nicht nur, sondern kann sogar ernste Krankheiten lindern oder verhindern.

Sonnengruß. Zwölf Positionen fließen bei dieser Yoga-Übung mit dem Atem ineinander über – von der Gebetshaltung über die Vorbeuge bis zu Kobra und Hund. © yoga-vidya.de

Für drei große Bereiche geeignet
Das gilt für drei Bereiche mit vielen Millionen Betroffenen: Bei Depressionen, bei Schmerzen verschiedenster Ursache sowie zur Vorbeugung gegen und Therapie von Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist Yoga geeignet. Zu diesem Ergebnis kam die Stiftung Warentest in ihrem 2011 erschienenen Buch „Asiatische Heilkunde“. Die Studienlage wurde dafür nach den strengen Regeln der evidenzbasierten Medizin geprüft. Es gibt auch Studien zu weiteren Einsatzgebieten wie Asthma, Diabetes, Epilepsie, doch von eher schlechter methodischer Qualität oder ohne eindeutige Ergebnisse. Immerhin scheint Yoga bei Brustkrebs die Lebensqualität zu verbessern und kann auch bei anderen Leiden einen Versuch lohnen – auch wegen der entspannenden Wirkung. Wichtig ist eine gute Anleitung. Bei Krankheiten sollte Yoga nicht als einzige Therapie zum Einsatz kommen, sondern nur unterstützend.
Yoga auf vielen Behandlungsplänen
Im Berliner Immanuel Krankenhaus steht Yoga auf vielen Behandlungsplänen – auch für Alte und Rollstuhlfahrer. „Wir arbeiten oft mit dem Iyengar-Stil, bei dem Übungen individuell angepasst werden“, sagt Chefarzt Dr. Andreas Michalsen. „Viele Patienten schnuppern bei uns zum ersten Mal in Yoga rein.“ Meist seien sie zufrieden. „Sie fühlen sich gesundheitlich direkt besser und machen nach ihrer Entlassung oft in einem Studio weiter.“ Der Arzt kennt die positiven Wirkungen persönlich. „Ich fing vor 15 Jahren wegen Rückenschmerzen mit Yoga an – die sind seither weg, zumindest wenn ich regelmäßig trainiere.“ Er erklärt sich die Heilkraft damit, dass mehrere Ebenen zusammenwirken: Körperübungen, Atmung, Meditation. „Es gibt also erstens eine sportliche Komponente, und Bewegung ist bekanntermaßen gesund.“ Zweitens steigere der Einbezug des Atems die positiven Wirkungen auf Herz, Gefäße und Lunge erheblich. „Und die dritte Dimension, die Meditation, bringt den Geist zur Ruhe.“ Studien von Michalsen und Kollegen zeigen, dass schon eine Stunde Yoga den Spiegel des Stresshormons Kortison im Blut deutlich senkt. Der Forscher hält Yoga daher für „die perfekte Antwort auf unsere schnelllebige Zeit“.
Biegen, beugen, bewusst entspannen
Es ist still. In einem Yogaraum in Berlin-Mitte warten zehn Frauen möglichst regungslos auf ihren Matten, bis der Kurs beginnt. Zum Auftakt atmen sie bewusst ein und aus. Dann folgt der berühmte Sonnengruß. Die Frauen recken sich gen Himmel, gleiten zu Boden, schieben sich wieder in die Höhe – alles fließend, mit Zwischenschritten und dreimal in Folge. So aufgewärmt, übt die Gruppe gut eine Stunde einzelne Körperhaltungen, verharrt etwa sekunden- bis minutenlang im Krieger, Drehsitz oder Schulterstand. Gegen Ende folgt die Tiefenentspannung: Alle liegen mit geschlossenen Augen auf dem Rücken, spüren den Übungen nach oder in sich hinein. Und wer möchte, singt zum Schluss mit der Lehrerin noch dreimal „Om“.
Es gibt auch Geschäftemacher
So oder ähnlich laufen viele Kurse mit dem Namen „Yoga“ oder „Hatha-Yoga“ ab. Es gibt auch deutlich spirituellere oder sportlichere Varianten. Seit Yoga ab etwa 1970 in der westlichen Welt in Mode kam, entstanden etwa 40 Stile, oft in den USA und mit einzelnen Lehrern als Vorreiter. „Teilweise findet da durchaus Geschäftemacherei statt“, meint Michalsen. Zudem ließen sich längst nicht alle heutigen Übungen auf alte indische Quellen zurückführen. „Dennoch berücksichtigen auch moderne Richtungen das ursprüngliche Gedankengut“, sagt Yogalehrerin Beßler. Sie findet „jedes Yoga besser als kein Yoga“ – aber Neulinge sollten einen Stil wählen, der zu ihnen passt, sie zum Beispiel nicht über- oder unterfordert.
Leistungsdruck, der Feind von Yoga
Durch die vielen Varianten eignet sich Yoga für jeden, der Spaß daran findet. Einsteiger nehmen am besten Unterricht für Anfänger bei einem gut ausgebildeten Lehrer. „Er sollte Ihnen sympathisch sein, Sie zu nichts drängen und keinen Leistungsdruck erzeugen“, rät BDY-Vorsitzende Angelika Beßler. Auch Schüler dürfen keinen übertriebenen Ehrgeiz entwickeln. „Er widerspricht dem Geist von Yoga und untergräbt den Entspannungseffekt“, sagt Michalsen. „Zudem erhöht er die Verletzungsgefahr.“ Das bestätigt eine Umfrage unter Yogalehrern aus dem Jahr 2009. Als wichtigsten Grund für Unfälle vermuten sie „das Ego“ beziehungsweise übermäßige Anstrengung ihrer Schüler, gefolgt von falscher Technik und schlechter Anleitung. Besonders oft kämen Nacken, unterer Rücken und Schultern zu Schaden – häufig bei extremen Übungen. Drei sollten Yogis laut Beßler besser meiden: Kopfstand, Schulterstand und Pflug. „Sie belasten den Nacken extrem und stehen im Verdacht, das Schlaganfallrisiko zu fördern.“ Ansonsten lassen sich Risiken verringern, indem Schüler ihrem Lehrer alle Vorerkrankungen nennen, nur aufgewärmt und langsam in Positionen gehen und körperliche Grenzenakzeptieren. „Man muss weder stechende Schmerzen ertragen noch alles schaffen, was der Nachbar macht“, sagt Michalsen.
Für mehr Achtsamkeit im Alltag
Auch beim Yogakurs in Berlin-Mitte kann nicht jeder gleich viel. Die Lehrerin muss immer mal wieder helfen oder leichtere Übungsvarianten zeigen. So fällt es manchen ihrer Teilnehmer schwer, den Rumpf bei den Vorbeugen im Sitzen nah an die Oberschenkel zu bringen. Bei den Gleichgewichtsübungen auf einem Bein kippeln viele bedrohlich. Und bei der Krähe, bei der die Handflächen auf den Boden und beide Füße halb in die Luft sollen, ertönt ein Stöhnen, Kichern, Raunen: „Das geht nicht.“ Muss auch nicht, sagt die Lehrerin. „Wir wollen beim Yoga gar nicht alles schaffen, sondern auch unsere Grenzen kennenlernen.“ Mit der Zeit gebe es natürlich Fortschritte, sagt Beßler. Regelmäßiges Üben fördere die erhofften Effekte für Körper, Geist und Seele. „Richtig schön wird es, wenn die Achtsamkeit im Alltag ankommt.“ Noch etwas gefällt Beßler: „Der Weg des Yoga ist nie zu Ende. Ich praktiziere seit 20 Jahren und entdecke immer noch Neues.“
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Bei scheint die stehende Rumpfbeuge (Uttan Asana) mein langjähriges Asthma zu heilen. 5 Minuten zweimal täglich sind keine große Anstrengung. Das Pfeifen in meiner Lunge verstummt. Diese Übung wird allgemein bei Asthma empfohlen. Ein Hindernis könnte Gewöhnung an Sprays sein, die Nebenwirkungen verursachen.
Hatha-Yoga ist kein selbständiges Fitness-Programm, sondern Bestandteil eines religiösen Systems sich ergänzender Yoga-Techniken. Kein richtiger Yoga-Lehrer wird den spirituellen Teil komplett weglassen. Zitat Angelika Beßler, Vorsitzende des BDY, im „Yoga-Special“ der Stiftung Warentest: „Dennoch berücksichtigen auch moderne Richtungen das ursprüngliche Gedankengut“.
BDY unter http://www.yoga.de/hilfeinkrisen/: Spirituelle Krisen
.. etwaigen Krisen, die in der spirituellen Praxis selbst auftauchen. .. Es können aber auch spontane spirituelle Erlebnisse entstehen wie z.B. paranormale Erlebnisse, Nahtodeserfahrungen oder das plötzliches Erwachen der »Kundalinienergie«, die die Betroffenen in ihr Weltbild nicht einordnen können.
Immer mehr Yoga- und Meditations- „Aussteiger“ berichten - teilweise schon seit Jahrzenten - darüber und warnen davor, darunter auch ehemalige indische Yogis.Das lässt sich im Web recherchieren ... wer sucht der findet !
Übrigens: ich spreche aus Erfahrung!