
Die Zinsen sind niedrig wie selten, die Finanzierung einer Immobilie ist günstig. Wie Kaufwillige realistisch kalkulieren und dauerhaft vom Zinstief profitieren können.
Es war Liebe auf den ersten Blick: zwei Zimmer, 74 Quadratmeter Wohnfläche, frisch renoviert, sonnendurchflutet. Das Ganze in Berlin Kreuzberg. Genau die Wohnung, von der Marion und Werner Knappauf * seit längerem träumten. Dem spontanen Jubel folgte schnell die Ernüchterung: 200 000 Euro sollte das Objekt der Begierde kosten. Können wir uns das überhaupt leisten? Und wenn ja – wie?
Ähnliche Überlegungen treiben derzeit viele Deutsche um. Verunsichert von der Schuldenkrise wollen sie ihr Erspartes in Sicherheit bringen. Die Nachfrage nach Wohnungen und Häusern ist vielerorts größer als das Angebot, das treibt die Preise. Andererseits sind die Zinsen für Baukredite sehr niedrig (siehe Grafik). Das erleichtert die Finanzierung des Wunschobjekts.
Das Projekt Eigenheim ist mit Unsicherheiten behaftet. Kaum ist die Traumwohnung gefunden, beginnt die Rechnerei. Wie viel Geld brauchen wir insgesamt, wie viel ist bereits vorhanden, wie viel können wir monatlich für Zins und Tilgung abzweigen? Und wann sind wir wieder schuldenfrei? Wer seinen Wohntraum solide finanzieren will, muss etwas Zeit investieren.
Schritt 1: Kosten hochrechnen
Das eigene Heim kostet deutlich mehr als nur den ausgewiesenen Kaufpreis. Die Investition in eine Immobilie zieht weitere Kosten nach sich. Unvermeidlicher Posten: die Grunderwerbsteuer – je nach Bundesland 3,5 bis 5 Prozent des Kaufpreises. Für Notar und Grundbuch müssen Käufer bis zu 2 Prozent kalkulieren. Hat ein Makler das Objekt vermittelt, steht ihm eine Kurtage zu – je nach Bundesland 3,57 bis 7,14 Prozent. Im Fall der Knappaufs verteuern allein diese zusätzlichen Kosten das Schmuckstück um rund 27 000 Euro, das sind 14 Prozent des Kaufpreises. Da das Paar zudem Möbel, vor allem eine Küche braucht, muss es insgesamt 240 000 Euro aufbringen, also 40 000 Euro mehr als den Kaufpreis (siehe „Kassensturz“).
Schritt 2: Rücklagen addieren
Ohne ausreichend Eigenkapital platzt der Traum vom Eigenheim. Die Nebenkosten, bei den Knappaufs immerhin 40 000 Euro, müssen Käufer aus eigener Tasche bezahlen. Wirklich solide ist die Finanzierung aber meistens erst, wenn darüber hinaus mindestens 20 Prozent des Kaufpreises durch Eigenkapital gedeckt sind. Das verschafft Sicherheit für Bank und Kunden.
Für die Knappaufs bedeutet das: Sie brauchen mindestens 80 000 Euro. Ihr Kassensturz ergibt: Das Tagesgeld ist sofort verfügbar, das Aktiendepot kurzfristig ohne Verlust aufzulösen. Macht 60 000 Euro. Die fehlenden 20 000 Euro spendieren die Eltern. Der Banksparplan, in den Marion Knappauf seit längerem eingezahlt hat, bleibt jetzt außen vor. Der Vertrag endet erst in zwei Jahren. Das Paar betrachtet ihn als eiserne Reserve.
Schritt 3: Freies Budget kalkulieren
Unterm Strich müssen die Knappaufs also 160 000 Euro per Kredit finanzieren. Die nächsten Fragen lauten: Wie viel bleibt Monat für Monat eigentlich vom Einkommen übrig? Was geht für Essen, Kleidung, Telefon und Versicherungen drauf? Für den Urlaub plant das Paar eine Pauschale ein. Und auch für das Auto legt es zusätzlich etwas zurück – für Reparaturen und irgendwann vielleicht einen neuen Wagen. Für Unvorhergesehenes, etwa eine neue Waschmaschine oder Reparaturen in der Wohnung, bauen die beiden nach und nach eine Reserve auf.
Auch an anderer Stelle ist es ratsam, vorsichtig zu kalkulieren: Die bisherige Kaltmiete fällt weg, aber die Ausgaben für Strom bleiben. Außerdem verlangt die Eigentümergemeinschaft ein Hausgeld für die Instandhaltung der Wohnanlage sowie für Betriebskosten wie Wasser, Heizung und Müllabfuhr. Um zu prüfen, ob das Hausgeld die Betriebskosten deckt, lassen sich die Knappaufs vom Makler die Abrechnungen geben. In den Beschlüssen der Eigentümerversammlung lesen sie nach, ob in der Anlage größere Reparaturen anstehen und die Instandhaltungsrücklage dafür ausreicht. Grundsätzlich gilt für Wohnanlagen: Ist das Dach undicht oder der Keller feucht, müssen die Eigentümer die Kosten gemeinsam stemmen.
Schritt 4: Finanzierung optimieren
Nach Abzug aller Kosten bleiben den Knappaufs pro Monat 800 Euro. Diesen Betrag können sie in Zins und Tilgung investieren. Das reicht locker für ihren Wohntraum. Sie haben sogar genug Spielraum, um sich die heutigen Niedrigzinsen auf Dauer zu sichern und die Schulden zügig abzutragen. Damit das klappt, sollten sie die goldene Regel für Kreditnehmer beherzigen. Sie lautet: Den Zinssatz lange festzurren, einen hohen Tilgungssatz wählen und das Recht auf Sondertilgungen sichern (siehe „Tilgung und Zinsbindung“).
Marion und Werner Knappauf spielen verschiedene Varianten durch. Sicherheit hat für sie oberste Priorität. Sie entscheiden, den heutigen Niedrigzins mindestens für 20 Jahre festzuschreiben. Sie kalkulieren mit einem Zinssatz von 3,19 Prozent. Allein an Zinsen zahlen sie für den 160 000-Euro-Kredit damit 425 Euro im ersten Monat. Bleiben für die Rückzahlung immerhin 375 Euro – oder umgerechnet 2,81 Prozent Tilgung. Damit wären die Berliner nach 24 Jahren schuldenfrei.
Schritt 5: Konditionen vergleichen
Jetzt geht es ans Verhandeln. Das Berliner Paar gibt verschiedenen Anbietern gewünschte Darlehenssumme und Zinsbindung sowie die monatliche Belastung vor. Am Ende vergleichen sie die Restschuld nach Ablauf der ersten 20 Jahre.
Der Marktcheck ergibt: Top- und Flop-Anbieter von Hypothekendarlehen trennen derzeit rund anderthalb Prozentpunkte. Beim günstigsten Anbieter sind von den ursprünglichen 160 000 Euro Schulden nach 20 Jahren rund 127 100 Euro abbezahlt, beim teuersten hingegen nur 65 200 Euro. Schlecht finanziert wird die Traumwohnung schnell unbezahlbar.
* Name von der Redaktion geändert.