Wer als Hausbesitzer Flüchtlinge bei sich unterbringt, kann Ärger mit seiner Versicherung bekommen. Einige Wohngebäudeversicherer erhöhen dann die Beiträge oder kündigen sogar den Vertrag. Begründung: Flüchtlinge im Haus führten zu einer „erheblichen Gefahrenerhöhung“. Der Fall Winfried E. zeigt exemplarisch, wie problematisch diese pauschale Bewertung ist.
Gefahr von Brandanschlägen macht Versicherung teurer
„Ich finde es schrecklich, wenn man davon ausgeht, dass es Brandanschläge gibt und deswegen die Versicherung teurer wird“, sagt Winfrid E. Der Rentner aus Ostwestfalen hat die zahlreichen Berichte in den Medien verfolgt, wonach Versicherer die Prämien stark anheben oder die Verträge kündigen, sobald Flüchtlinge einziehen. Seit vergangenem November beherbergt der 78-Jährige eine vierköpfige Familie aus Afghanistan in seinem Haus. Die beiden Söhne, zwei und drei Jahre alt, betrachten den früheren Kinderarzt inzwischen als Ersatz-Großvater. E. hat die Familie aufgenommen, ohne seiner Versicherung mitzuteilen, dass er an Flüchtlinge vermietet. – „Was geht die das an?“ fragt er. Unter Umständen sehr viel.
Immer wieder landen Fälle vor Gericht
Der Hausbesitzer ist laut dem Gesamtverband der Versicherungswirtschaft (GDV) „nicht verpflichtet, über die Herkunft der Mieter Auskunft zu geben.“ Das klingt erst einmal wie eine gute Nachricht. Aber: Gemäß Versicherungsvertragsgesetz (VVG) muss der Hausbesitzer seinem Versicherer eine „erhebliche Gefahrenerhöhung“ mitteilen. Was das genau bedeutet, ist allerdings nicht gesetzlich geregelt. Deshalb landen immer wieder Fälle vor Gericht.
Wann liegt eine „erhebliche Gefahrenerhöhung“ vor?
Drei Beispiele:
- Brandrede. Das Brandenburgische Oberlandesgericht betrachtete die „Brandreden“ eines Hausbesitzers als Gefahrerhöhung. Er soll Bekannte auf seiner Geburtstags- und einer Silvesterfeier dazu aufgefordert haben, sein Haus niederzubrennen, um Geld von seiner Versicherung zu erhalten (Az. 6 U 4/98).
- Bordell. Das Landgericht Köln entschied: Wer ein Bordell in einem Wohnhaus einrichtet, erhöht die Gefahr und muss das dem Versicherer mitteilen (Az. 24 O 27/98).
- Gastarbeiter. Noch aus der Zeit der Anwerbung von „Gastarbeitern“ stammt ein anderes Urteil des Landgerichts Köln: Allein die Tatsache, dass ausländische Arbeiter einzogen, reichte dem Gericht als Grund, von einer Gefahrenerhöhung auszugehen. Die ausländischen Männer seien als „unzuverlässige Personen“ zu betrachten (Az. 18 O 67/73).
Lässt sich die Unterbringung von Flüchtlingen mit derlei Fällen vergleichen? Der GDV-Vorsitzende Jörg von Fürstenwerth mahnte zu mehr Fingerspitzengefühl seitens der Versicherer: „Bei der Kündigung eines Vertrages für eine Wohnanlage im Odenwald, in die Flüchtlinge aufgenommen werden sollten, hat ein Versicherer kürzlich einen Fehler gemacht.“ Betroffen war die Basler Versicherung, sogar Bundesjustizminister Heiko Maas kritisierte den Fall. Dennoch, betonte der Verbandschef, sei es richtig, wenn Versicherer auf Gefahrenlagen hinwiesen, auch wenn „bisher privat genutzter Wohnraum gewerblich als Flüchtlingsunterkunft genutzt wird.“
Sogar der Verlust des Versicherungsschutzes ist möglich
Betrachtet der Versicherer Flüchtlinge als eine erhebliche Gefahrenerhöhung, darf er den Beitrag sogar rückwirkend ab dem Zeitpunkt der Vermietung anheben oder den Vertrag innerhalb eines Monats kündigen. In der Praxis bedeutet das: Sagt Winfrid E. seiner Versicherung nichts, bekommt die das neue Mietverhältnis aber irgendwie mit, muss er möglicherweise kräftig nachzahlen oder hat im schlimmsten Fall keinen Versicherungsschutz mehr.
Vermieten ist eine Umnutzung
Doch auch, wenn der eigene Versicherer eine Flüchtlingsfamilie nicht als erhöhte Gefahr wertet: Wer seine bisherigen Privaträume künftig an andere vermietet will, sollte das seinem Versicherer auch mitteilen – unabhängig davon, an wen er vermietet. Denn es handelt sich um eine Umnutzung. Wer das dem Versicherer verschweigt, riskiert den Versicherungsschutz und geht im Schadenfall womöglich leer aus.
Problemloses Zusammenleben
Bei Winfrid E. läuft das Zusammenleben mit der Flüchtlingsfamilie bisher jedenfalls problemlos. Die beiden Jungs verhalten sich ihrem Alter entsprechend, sind neugierig und schon manchmal etwas ungestüm. „Wenn der Große an etwas nicht rankommen darf, stellen die Eltern das aufs Regal“, erklärt Winfrid E. Vielleicht könne mal eine Vase umfallen. Das sei das einzige Risiko, das von der Familie ausgehe.