
In Städten sind Zimmer für Studierende oft teuer und knapp. Gleichzeitig leben ältere Menschen häufig allein. „Wohnen für Hilfe“ bringt Jung und Alt zusammen. test.de stellt das gemeinnützige Projekt vor und gibt Tipps, wie das Zusammenwohnen gelingt.
Lieber zusammen als allein
Leonore Kampe aus Köln teilt ihr Haus. Die 60-Jährige vermietet zwei Zimmer günstig an Studenten. „Da steckt eine Art sozialistischer Grundgedanke dahinter“, sagt sie augenzwinkernd. „Wäre doch blöd, dass ich eine vollausgestattete Küche und ein großes Haus habe und es nur allein nutze.“ Außerdem lebt sie lieber mit jemandem zusammen als allein.
Auto waschen, Blumen pflanzen

Leonore Kampe vermietet günstig Zimmer an die Studenten Leonie und Alexander. Die helfen ihr in Haus und Garten.
Leonore Kampe kennt den Druck auf dem Kölner Wohnungsmarkt. Bei ihr leben Alexander Pilarski und Leonie Twente – sie zahlen jeweils nur 150 Euro für ihren Raum. Wohnzimmer, Küche und Garten können sie mitnutzen. Pilarski, der im Souterrain in einem 20 Quadratmeter großen Zimmer wohnt, hat sogar sein eigenes Bad. Zwei Stunden pro Woche unterstützen die jungen Mitbewohner ihre Vermieterin. Mal waschen sie ihr Auto, mal reparieren sie ihren Drucker, mal pflanzen sie Blumenzwiebeln im Garten. Bald wollen die drei gemeinsam den Flur renovieren und neu streichen. Andere Tätigkeiten wie einkaufen oder putzen teilen sie sich auf.
Projekt in mehr als 20 Städten
Den Kontakt zu den beiden Studenten fand Leonore Kampe über das gemeinnützige Projekt „Wohnen für Hilfe“. Das Konzept entstand vor mehr als zehn Jahren in Köln. Das Amt für Wohnungswesen, die Universität und die Seniorenvertretung entwickelten es damals. Mittlerweile ist es in mehr als 20 Städten vertreten.
Billige Miete gegen Unterstützung
Die Projektmitarbeiter bringen kostenfrei Menschen zusammen. Die einen bekommen Unterstützung, die anderen helfen im Haushalt und profitieren von einer preiswerten Miete. Die Partner können die Leistungen individuell verhandeln. Pflegetätigkeiten sind jedoch ausgeschlossen. „Wenn Leonore in den Urlaub fährt, versorgen wir auch die Tiere“, sagt Leonie Twente, die vorher nie eigene Haustiere hatte. Umso mehr freut sie sich über die drei Hühner und den Königspudel Fine.
Wie in einer Großfamilie
Zur Uni Köln brauchen die Studentin mit dem Fahrrad nur 20 Minuten. Hätte Twente nicht das Zimmer gefunden, hätte sie eineinhalb Stunden von Dortmund nach Köln pendeln müssen. Die 20-Jährige studiert Linguistik mit den Nebenfächern Sprachwissenschaften und Informatik. Ihr gefällt der Gedanke, alles miteinander zu teilen. „Es ist vergleichbar mit der früheren Großfamilie“, sagt sie. „Nur hier kann man sich seine Mitbewohner aussuchen.“
Gemeinschaft „hält flexibel und vital“
Leonore Kampe freut sich über die Gesellschaft. Als ihr Sohn vor Jahren auszog, lebte sie plötzlich allein im großen zweistöckigen Haus. „Das war manchmal sehr still.“ Bis sie im Internet auf Wohnen für Hilfe stieß. „Das Projekt ist eine Chance. Man ist eingebunden. Das hält flexibel und vital“, sagt Leonore Kampe. Sie arbeitet als Studienleiterin für ein evangelisches Bildungszentrum, organisiert dort Kurse und Veranstaltungen für Erwachsene.
Gespräche zwischen Generationen
Leonore Kampes Untermieter Pilarski hatte schon in unterschiedlichen Wohnkonstellationen gelebt, bevor er fürs Masterstudium der Volkswirtschaftslehre von Berlin nach Köln zog. Nicht immer war das Zusammenleben so reibungslos wie hier. „Meiner Erfahrung nach kann und will nicht jeder Gegenstände und Wohnraum mit anderen teilen.“, sagt der 26-Jährige. In Kampes Haus genießt er die Gespräche. „Ich finde es spannend, mich mit einem Menschen mit mehr Lebenserfahrung auszutauschen. Das bringt eine andere Sicht auf manche Themen und man kann mehr in die Tiefe gehen“, erzählt er.
Füreinander Verantwortung übernehmen
Trotz des Altersunterschieds teilen sie gemeinsame Werte: „Ich finde es schön, dass wir füreinander Verantwortung übernehmen“, sagt Twente. Leonore Kampe entgegnet: „Es gefällt mir, dass beide mitdenken und ich mich auf sie verlassen kann.“
Preisgünstig wohnen in Freiburg
Auch Elisabeth Maibaum* aus Freiburg bekommt Hilfe: von Marie Dingethal. Dienstags hilft die Biologiestudentin ihrer 82-jährigen Vermieterin etwa zwei bis drei Stunden im Haushalt. Sie putzt die Fenster, wäscht die Vorhänge oder staubt das Bücherregal ab. „Marie fällt es viel leichter, auf die Leiter zu steigen als mir“, sagt die alte Dame, die früher als Fremdsprachensekretärin gearbeitet hat. Manchmal gehen beide gemeinsam einkaufen. Im Herbst 2015 kam Elisabeth Maibaum wegen starken Schwindels ins Krankenhaus. Kaum wieder zu Hause, dachte sie, dass es vielleicht besser wäre, wenn jemand bei ihr leben würde. Sie nahm Kontakt mit „Wohnen für Hilfe“ auf – und fand so die 21-jährige Marie Dingethal, die zu ihr zog.
Nur 80 Euro im Monat
Die Studentin wohnt nun sehr preiswert. Sie zahlt für ihr 20 Quadratmeter großes Zimmer sowie ihr eigenes WC mit Waschbecken nur eine Nebenkostenpauschale von 80 Euro pro Monat. „Für Freiburg ist das sehr günstig“, lächelt die junge Frau. Mit ihrer Vermieterin hat sich Marie Dingethal darauf verständigt, dass sie auf jeden Fall zwei Semester bleiben darf. Marie Dingethal ist nicht die einzige in Freiburg, die so lebt: „Eine Kommilitonin von mir wohnt bei einer jungen Familie, sie hilft bei der Kinderbetreuung.“ Das Konzept eignet sich auch für Menschen mit Handicap oder Alleinerziehende mit genug Platz, um jemanden unterzubringen. Für Elisabeth Maibaum war es der richtige Schritt. „Es beruhigt mich, dass ich nachts nicht allein bin“, sagt sie.
* Name von der Redaktion geändert.