
Wohnraum schaffen. Dieses Ziel hatte die WSW eG. Geld soll aber anders ausgegeben worden sein. © Getty Images / iStockphoto
Die Wohnbaugenossenschaft soll Neumitglieder getäuscht und Geld zweckfremd verwendet haben. Wer vermögenswirksame Leistungen in Raten einzahlt, trägt ein hohes Risiko.

Firmenlogo. Mit diesem Logo tritt die WSW WohnSachWerte eG auf.
Drei Personen wurden verhaftet
Die Staatsanwaltschaft Weiden in der Oberpfalz ermittelt gegen acht Personen im Zusammenhang mit der Wohnbaugenossenschaft WSW Wohnsachwerte eG aus Weiden. Sie stehen laut einer Pressemitteilung des Polizeipräsidiums Oberpfalz und der Staatsanwaltschaft Weiden im Verdacht, gewerbs- und bandenmäßig betrogen, Untreue begangen oder Beihilfe dazu geleistet zu haben. Drei Personen wurden verhaftet. Am 22. März 2022 durchsuchten die Ermittler bundesweit über 30 Objekte sowohl der Genossenschaft als auch von Beschuldigten und Geschäftspartnern bundesweit, insbesondere im Bereich Weiden, Nürnberg und Forchheim, aber auch in Berlin, Hannover, Kaiserslautern und Halle/ Saale. Die Ermittler stellten neben 60 Umzugskartons an Unterlagen und vielen elektronisch gespeicherten Daten auch Vermögenswerte sicher, darunter mehrere Fahrzeuge wie einen Aston Martin, viele hochwertige Uhren, Bargeld und Guthaben in Form von Kryptowährung.
Verdacht von 7 Millionen Euro unrechtmäßiger Einnahmen
Die Wohnsachwerte eG hat nach Angaben der Ermittler mehr als 12 000 Mitglieder und ist bundesweit tätig. Sie will sich auf Immobilien spezialisiert haben und bietet unter anderem Arbeitnehmern an, der Genossenschaft beizutreten und ihre vermögenswirksamen Leistungen an sie überweisen zu lassen. Dabei sollen Neumitglieder seit 2018 getäuscht worden sein, werfen die Ermittler den Verantwortlichen vor. Mehr als 7 Millionen Euro sollen die Beschuldigten dadurch unrechtmäßig eingenommen haben. Es bestehe der Verdacht, „dass die Gelder weitestgehend nicht für den Genossenschaftszweck – insbesondere die Anschaffung von Immobilien – verwendet wurden“, so die Pressemitteilung. Das legt auch ein Blick in den jüngsten veröffentlichten Jahresabschluss aus dem Jahr 2020 nahe: Das Anlagevermögen lag zum Jahresende 2020 gerade mal bei gut 45 000 Euro. Test.de hat die WSW Wohnsachwerte eG um Stellungnahme zu den Vorwürfen gebeten, eine Antwort ging nicht ein.
Mitglieder steuerten vermögenswirksame Leistungen bei
Neben den vermögenswirksamen Leistungen wollte sich die WSW eG auch um die Arbeitnehmersparzulage und die Wohnungsbauprämie ihrer Mitglieder kümmern, wenn diese die Voraussetzungen, insbesondere die Einkommensgrenzen, erfüllten. Die WSW eG ist nicht die einzige Wohngenossenschaft, die anbietet, vermögenswirksame Leistungen bei ihr einzusetzen. Wer das tun will, muss der Genossenschaft beitreten und sich verpflichten, eine bestimmte Zeichnungssumme beizusteuern. Bei etlichen WSW-Genossen waren dies zum Beispiel 9 000 Euro, die in Raten eingezahlt werden dürfen. Wenn der Arbeitgeber allerdings keine vermögenswirksamen Leistungen mehr zahlt, bleibt das Mitglied verpflichtet, den noch offenen Rest selbst aufzubringen. Ist es mehr als drei Monate im Zahlungsverzug, kann die gesamte Summe fällig werden.
Aus den Unterlagen ergeben sich hohe Kosten
Aus der Satzung (Stand Januar 2020), der allgemeinen Geschäftsordnung vom 31. Dezember 2019 und den Vertragsbedingungen für die vermögenswirksamen Leistungen vom März 2020 ergeben sich zudem hohe Kosten: Schon bei der Aufnahme wird ein „Zuschuss zur allgemeinen Förderzweckerreichung der Genossenschaft“ von 8 Prozent der Zeichnungssumme fällig. Er wird nicht zurückgezahlt. Hinzu kommt eine jährliche Kontoführungsgebühr von 48 Euro. Wenn Ratenzahlung vereinbart ist, sehen die Vertragsbedingungen darüber hinaus eine Verwaltungsgebühr von 7,5 Prozent der gezeichneten Anteile ab dem 19. Monat für 33 Monatsraten vor. Die Kündigungsfrist beträgt fünf Jahre, und beim Ausscheiden wird eine Verwaltungspauschale von 100 Euro plus Mehrwertsteuer fällig.
Vorwürfe zur Art der Mitgliedergewinnung
Bei der WSW eG gab es zudem Vorwürfe rund um die Mitgliedergewinnung. Die Genossenschaft verantwortete die beiden Internetportale Förderhelden (foerder-helden.de) und Dein Fördergeld (dein-foerdergeld.de). Sie befinden sich derzeit im Wartungsmodus. Beide Portale informierten unter anderem zum Thema vermögenswirksame Leistungen. Der Rechtsanwalt Ingo Dethloff aus Potsdam berichtet, dass Nutzer des Portals foerder-helden.de anschließend Schreiben der WSW eG erhielten, wonach sie eine Mitgliedschaft beantragt hätten. Dies sei den Nutzerinnen und Nutzern jedoch nicht bewusst gewesen. Auch dazu äußerte sich die WSW eG auf test.de-Anfrage nicht.
Beschwerden über mehrere Genossenschaften
Probleme beim Thema vermögenswirksame Leistungen und Genossenschaften sind nicht neu: So warnte Stiftung Warentest 2016 vor den Wohnungsbaugenossenschaften Protectum Moderne und Genokap, heute DWG Deutsche Wohnungsbaugenossenschaft aus Großwallstadt. Beide Genossenschaften ließen Verbraucher anrufen und sich von ihnen am Telefon mündliche Vollmachten zum Beitritt geben. Das ist seit einer Gesetzesänderung 2017 nicht mehr zulässig. Danach fiel die DWG der Verbraucherzentrale Hessen erneut auf: Interessenten wurde eine ungewöhnliche Kombination aus Postident-Verfahren und einer Beitrittserklärung zugesandt, mit der sie Mitglied der DWG wurden. Auf Anfrage betonte die DWG damals, dass dieses Verfahren Interessenten erklärt werde. Sie nutze das „gesetzlich ausdrücklich erlaubte Telefonmarketing“, um Mitglieder zu werben.
Prüfungsverband fiel bereits mehrfach auf
Bemerkenswert: Die WSW eG gehört dem DEGP Deutsch-Europäischer Genossenschafts- und Prüfungsverband in Dessau an. Jede Genossenschaft muss Mitglied in einem Prüfungsverband sein, der ihre Zahlen unter die Lupe nimmt. Der DEGP fiel Stiftung Warentest und der Verbraucherzentrale Hessen auf. Dessen Marktwächter-Team beobachtete den Grauen Kapitalmarkt besonders genau und listete 2018 Genossenschaften auf, über die sich Verbraucher beschwert hatten. Ein Viertel davon war Mitglied im DEGP. Besonders häufig war zudem der Potsdamer Prüfungsverband vertreten. Beide urteilen offenbar großzügiger als viele andere.
DEGP verweist auf seine Verschwiegenheitspflichten
Stiftung Warentest hat über die Jahre mehrfach Genossenschaften, die der DEGP geprüft hat, auf die Warnliste Geldanlage gesetzt oder kritisch über sie berichtet. Beispiele sind die Berliner Genotrust, bei der die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht 2018 die Abwicklung der unerlaubten Einlagengeschäfte angeordnet hat, und die betrügerische GenoGen aus Münster. Bei der Inco Genossenschaft aus Duisburg, die Finanztest laut Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart „unseriös“ nennen darf, war dies ebenfalls der Fall. Sie brüstete sich mit einer im Sinne der Transparenz von ihr veranlassten Sonderprüfung. Der DEGP antwortete nicht inhaltlich auf eine test.de-Nachfrage und verwies zur Begründung auf die Verschwiegenheitspflichten eines Prüfungsverbands.
Im Insolvenzfall würden ausstehende Raten fällig
Die Genossinnen und Genossen mit Ratenzahlung tragen ein unangenehmes Risiko: Sollte die Genossenschaft insolvent werden, kann ein Insolvenzverwalter einfordern, dass sie die Differenz zwischen ihrer Zeichnungssumme und ihren Einzahlungen auf einmal einzahlen. Ob sie sich erfolgreich dagegen wehren können, ist sehr unsicher. Angesichts dieser Lage liegt der Wunsch nahe, vorher auszusteigen.
Vorzeitige Kündigung ist an Bedingungen geknüpft
Eine vorzeitige Kündigung der Genossenschaftsanteile ist grundsätzlich möglich, aber an Bedingungen geknüpft. Paragraf 65 des Genossenschaftsgesetzes verlangt dafür in Absatz 3, dass die Satzung mehr als zwei Jahre Kündigungsfrist vorsieht, das Mitglied der Genossenschaft mindestens ein volles Geschäftsjahr angehört und „ihm nach seinen persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen ein Verbleib in der Genossenschaft bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.“ Kündigen ist dann mit einer Frist von drei Monaten zum Schluss eines Geschäftsjahres möglich. Bei der WSW eG sieht die Satzung eine längere Kündigungsfrist von fünf Jahren vor.
Guthaben der Genossen dürfte oft gering sein
Selbst wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind, das Mitglied belegen kann, dass ein weiterer Verbleib unzumutbar ist und die außerordentliche Kündigung gelingt, bleibt ein Risiko. Kommt es doch zu einer Insolvenz, kann es sein, dass die Kündigenden dennoch ihre gesamte ausstehende Zeichnungssumme zahlen müssen. Gelingt der vorzeitige Ausstieg und die Genossenschaft bleibt zahlungsfähig, haben Ausscheidende Anspruch auf ihren Anteil am Auseinandersetzungsguthaben. Das dürfte bei vielen Genossen aber noch gering sein, weil von ihren Einzahlungen fällige Kosten abgehen und nur der Rest in den Aufbau ihres Guthabens fließt. Außerdem werden Posten wie die Verwaltungspauschale und anteilige Verlustvorträge abgezogen. Es kann sogar sein, dass Ausscheidende noch etwas an die Genossenschaft zahlen müssen.
Zahlungen nicht einfach einstellen
Ohne rechtliche Beratung dürfte es angesichts der anspruchsvollen rechtlichen Fragen nicht gehen. Einfach einstellen sollten Genossen die Ratenzahlungen auf keinen Fall, denn geraten sie mehr als drei Monate in Verzug, darf die Genossenschaft den gesamten noch ausstehenden Betrag fällig stellen.
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