Professor Heinrich Maria Schulte – ehemals Chef des Emissionshauses Wölbern Invest – muss wegen gewerbsmäßiger Untreue achteinhalb Jahre hinter Gitter. Schulte hat nach Überzeugung des Hamburger Landgerichts knapp 150 Millionen Euro veruntreut. Das Urteil des Landgerichts ist nun rechtskräftig, nachdem Schulte mit einer Revision zum Bundesgerichtshof gescheitert war. Rund 35 000 Anleger der Wölbern Invest sind betroffen.*
Insgesamt sollen 115 Millionen Euro verschwunden sein
Das Landgericht Hamburg war davon überzeugt, dass Schulte in 327 Fällen mehr als 147 Millionen Euro aus dem Vermögen zahlreicher Fonds abgeschöpft und zweckentfremdet hat. Damit schädigte er rund 35 000 Anleger, die etwa 1,1 Milliarden Euro in Anteile an geschlossenen Fonds bei Wölbern Invest investiert haben. Riesige Summen Geldes sind nach Überzeugung des Gerichts im Firmengeflecht der Wölbern Invest versickert. Von den 147 Millionen Euro habe Schulte 50 Millionen Euro privat vereinnahmt. Den Rest soll er in Gesellschaften umgeleitet haben, an denen er selbst beteiligt oder deren Geschäftsführer er gewesen sei. Insgesamt sind nach Angaben des Gerichts 115 Millionen Euro verschwunden. Gegen das Urteil hatte sich Heinrich Maria Schulte mit einer Revision zum Bundesgerichtshof gewandt. Die haben die Bundesrichter aber abgewiesen.
Ende eines großen Emissionshauses
Hintergrund: Das einst renommierte Emissionshaus Wölbern Invest war 2013 in die Insolvenz gegangen. Es gehörte mit fast 100 geschlossenen Fonds und rund zwei Milliarden Euro eingesammeltem Anlegergeld zu den großen Anbietern am Markt. Seit 1993 hatte Wölbern Invest knapp 100 geschlossene Fonds mit 3,8 Milliarden Euro Fondsvolumen aufgelegt. Davon stammten etwa zwei Milliarden Euro von Anlegern. Berühmt war das Haus vor allem für geschlossene Immobilienfonds, die in Holland investierten. Es bot aber auch Beteiligungsmodelle in Deutschland, Frankreich, Österreich und Polen an.
Mit Schulte begann der Niedergang
Das Emissionshaus Wölbern Invest, das ursprünglich zum Bankhaus Wölbern gehörte, wurde 2007 vom Hamburger Mediziner und Investor Heinrich Maria Schulte übernommen. Schulte tauschte in den folgenden Jahren – von der Öffentlichkeit unbemerkt – an vielen Schlüsselstellen das Personal aus, auch bei den geschlossenen Fonds. Als Anleger das bemerkten und der Verdacht aufkam, dass Schulte Mittel für fremde Zwecke ausgegeben haben könnte, kam es im Herbst 2012 zu einer groß angelegten Razzia bei Wölbern. Schulte wurde verhaftet und saß bislang in Untersuchungshaft.
Die Folgen für Fondsanleger
Zwar hat die Insolvenz eines Emissionshauses theoretisch keine Folgen für die geschlossenen Fonds, weil diese rechtlich selbstständig sind. Im Fall Wölbern sind jedoch mindestens 40 laufende Fonds in Mitleidenschaft gezogen werden, da der Ex-Firmenchef dort Geld abgezogen haben soll.
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* Diese Meldung ist am 20. April 2015 auf test.de erschienen und wurde am 22. Januar 2016 aktualisiert.
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@Tschepe: Was Anleger aus dem Fall lernen können und was sie tun können, um den Schaden zu begrenzen, haben wir im Jahr 2013 und 2014 beschrieben: Als Mitgesellschafter sollten sie ihre Informations- und Kontrollrechte wahrnehmen, genau hinschauen, wenn sich an den Schaltstellen ihrer Fondsgesellschaften etwas ändert und sich gegebenenfalls wehren. Im Fall Wölbern haben sich Anleger in bemerkenswerter Weise engagiert. Sie haben sich organisiert wie eine Bürgerinitiative. Die Berichte finden Sie auf unserer Internetseite unter https://www.test.de/Mutmacher-Christoph-Schmidt-Vom-Anleger-zum-Fondschef-4667282-0/ und https://www.test.de/Geschlossene-Fonds-Vorsicht-vor-Fondsraeubern-4556459-0/ (TK)
Was können die Anleger nun zur Schadensbegrenzung tun?
Was ist mit den beteiligten Finanzberatern?
Was lernen wir daraus?
Hätte man sich vor dem Schaden schützen können?
Wirkt sich dieser Fall auf die Risikobewertung solcher Fonds aus?