Der Kunde sitzt in China, der Kollege in den Niederlanden. Wichtig in der globalen Arbeitswelt ist neben guten Sprachkenntnissen ein kulturelles Fingerspitzengefühl. Auch das lässt sich lernen.
Missverständnisse gibt es immer
USA, Sri Lanka und die Ukraine – Martin Jetter hat bereits in verschiedenen Ländern der Welt gearbeitet. „Missverständnisse und Konflikte zwischen einheimischen und ausländischen Geschäftspartnern gab es immer wieder“, sagt der Unternehmensberater, der jahrelang als Handelsreferent für die US-amerikanische Botschaft in Deutschland tätig war.
In besonderer Erinnerung ist ihm ein Immobiliengeschäft geblieben, das er vor Jahren in den USA vorbereitet hat. Zum Abschluss der Verhandlungen in New York erschienen Vertreter einer deutschen Bank, die von den Amerikanern später als arrogant und zu direkt beschrieben wurden. Die Deutschen kritisierten im Gegenzug, dass ihre Partner „nur herumgeeiert“ hätten. Die gegenseitige Antipathie hatte fatale Folgen: Das Geschäft platzte in letzter Minute. „Im Nachhinein fühlten sich beide Parteien an der Situation unschuldig. Aus ihrer Sicht hatte niemand etwas falsch gemacht“, berichtet Martin Jetter.
Mit Worten oder Gesten anecken
Andere Länder, andere Geschäftssitten. Mit Worten oder Gesten, die in Deutschland unmissverständlich sind, kann man in anderen Teilen der Welt anecken. Wenig internationale Freunde machen sich beispielsweise Deutsche, wenn sie eine Restaurantrechnung akribisch aufschlüsseln und jeder seinen eigenen Anteil an Speisen und Getränken zahlt.
Das bei uns übliche Kopfnicken wird ebenfalls nicht überall auf der Erde verstanden. In Indien, Pakistan und Bulgarien wiegt man den Kopf hin und her, um „ja“ zu sagen – eine Geste, die auf Westeuropäer abwägend und unentschlossen wirkt. Interkulturelle Kompetenz – die Fähigkeit, gegenüber Menschen aus anderen Kulturkreisen richtig zu handeln – gewinnt deshalb im Zeitalter der internationalen Märkte zunehmend an Bedeutung.
Zum Arbeitseinsatz nach China
Etwa 700 Mitarbeiter sendet die Audi AG Jahr für Jahr ins Ausland. Stephan Meier, Leiter des Internationalen Personalmanagements bei dem Automobilkonzern, brach 2007 gemeinsam mit seiner Frau und seinen drei kleinen Kindern zu einem Arbeitsaufenthalt nach China auf.
In den Monaten zuvor lagen Reiseführer, Bücher mit Sprachtipps und ein Band mit dem Titel „Kulturschock China“ auf dem Nachttisch. „Die Lektüre hat mir im Vorfeld durchaus geholfen. Wichtiger aber war ein interkulturelles Training, das ich gemeinsam mit meiner Frau absolviert habe“, erzählt der 40-Jährige.
Lernen über Land und Leute
Unterrichtet wurden beide von einer gebürtigen Chinesin, die bereits mehrere Jahre sowohl in China als auch in Deutschland gearbeitet hatte. Die Trainerin informierte das Ehepaar in einem Einzeltraining zwei Tage lang über Land und Leute. „Vor einem längeren Auslandsaufenthalt tauchen Unsicherheiten auf“, sagt Stephan Meier. „Während des Trainings konnten wir Fragen stellen und mögliche Situationen durchsprechen. Das war wichtig, um Berührungsängste abzubauen und souverän in dem fremden Umfeld starten zu können.“
Interkulturelle Trainings im Test
Bei einem interkulturellen Training werden Teilnehmer fit gemacht für den Kontakt mit Menschen aus anderen Kulturen. Im Angebot sind Kurse, die allgemein den Blick auf internationale Geschäftsregeln schärfen, und andere, die über ein ganz bestimmtes Land oder eine Region informieren. Die Stiftung Warentest hat interkulturelle Trainings bereits getestet. Im Test waren länderspezifische Kurse zu den USA und China (Missverständnisse vermeiden) und zu Frankreich, Osteuropa und Russland (Trainieren für das Babylon der Neuzeit). Dort erhalten die Teilnehmer viele praktische Ratschläge.
Visitenkarten nie in die Hosentasche
Stephan Meier war dankbar über einen Hinweis zum Umgang mit Visitenkarten, deren Austausch hierzulande ein verhältnismäßig belangloses Ritual ist. „In China haben Visitenkarten einen enorm hohen Stellenwert, da die Identifikation mit einem Posten oder mit einer Firma sehr hoch ist“, sagt er. „Wer die Visitenkarte seines Gegenübers in die Hosentasche steckt, hat in der Regel schon verloren.“ Richtig handelt dagegen, wer die Karte vor sich auf den Tisch legt. Notfalls, wenn beide Gesprächspartner stehen, darf die Visitenkarte in einer Hemdtasche Platz finden.
Nachbarländer werden unterschätzt
Ein interkulturelles Training ist auch für Mitarbeiter sinnvoll, die in internationalen Teams arbeiten oder mit Geschäftspartnern im Ausland korrespondieren. Die wichtigsten Handelspartner Deutschlands sind die europäischen Nachbarländer Frankreich und Niederlande, gefolgt von den USA, Großbritannien und Italien. Von großer wirtschaftlicher Bedeutung sind außerdem die Wachstumsmärkte in Lateinamerika, Osteuropa und Asien.
„Jedes Land, egal ob es in Lateinamerika oder Fernost liegt oder ein europäisches Nachbarland ist, hat seine kulturellen Besonderheiten“, sagt Jürgen Bolten, Professor für interkulturelle Wirtschaftskommunikation in Jena. „Menschen nähern sich Kulturen, die auf sie besonders exotisch wirken – für uns beispielsweise die japanische – instinktiv mit einer gewissen Ehrfurcht und bemühen sich um Anpassung. Weniger fremd wirken Länder wie Belgien oder die Niederlande auf uns. Dabei besteht die Gefahr, dass man die kulturellen Eigenarten dieser Nachbarländer unterschätzt.“
„Okay“ heißt keineswegs „Alles klar“
Eine Erfahrung, die auch der Ex-Handelsreferent bei der US-Botschaft Martin Jetter machte. „In der Ukraine und in Sri Lanka hatte ich Übersetzer an der Seite. Sie können einen notfalls davor bewahren, in Fettnäpfchen zu treten“, sagt er. „Schwierig war es für mich dagegen in den USA. Obwohl ich die Sprache beherrsche, bin ich an Grenzen gestoßen. Es hat zum Beispiel eine Weile gedauert, bis ich gelernt habe, die Bedeutung des Wortes ‚Okay‘ richtig einzuschätzen. Das bedeutet keinesfalls nur ‚Alles klar‘, sondern ist oft eine diffuse Aussage, die sogar ‚Nein‘ heißen kann.“ Eine weitere Lektion, die der 50-Jährige in den USA gelernt hat: „Man darf sein Gegenüber niemals direkt kritisieren, sondern allenfalls erwähnen, dass eine Sache nicht optimal gelaufen ist. ‚Adress the object, not the person‘, sagt man dazu.“
Eigene Kultur hinterfragen
Um auf Menschen aus einer anderen Kultur zugehen zu können, ist es wichtig zu wissen, wie man als Deutscher im Ausland wahrgenommen wird. Audi-Abteilungsleiter Stephan Meier sagt: „In meinem interkulturellen Training habe ich erfahren, dass Deutsche in China als ausgesprochen kompetent gelten, ihr Wort hat großes Gewicht. Deshalb sollte jede Behauptung, die man aufstellt, auch hieb- und stichfest sein.“
Ein gutes interkulturelles Training vermittelt mehr als Geografie, Höflichkeitsfloskeln und Verhaltenstipps. Es bringt die Teilnehmer dazu, ihr eigenes Verhalten zu hinterfragen und zeigt, dass jedes Verhalten kulturell geprägt ist. „Je mehr man sich selbst reflektiert, umso geringer ist die Gefahr, dass man in eine problematische Situation gerät“, betont Jürgen Bolten. So nehmen im Denken und Handeln von Westeuropäern oder US-Amerikanern die Belange des Einzelnen einen großen Raum ein. In asiatischen Kulturen dagegen werden Menschen traditionell als Teil eines sozialen Netzwerkes gesehen. Die Interessen der Familie oder eines Unternehmens zählen im Zweifelsfall mehr als die Bedürfnisse des Individuums. Wer das weiß, versteht fremde Verhaltensweisen eher.
Kulturelle Grenzen aufzeigen
Aus Sicht vieler Experten wird eine Annäherung der verschiedenen Kulturen ausbleiben. Die Globalisierung wird ihrer Meinung nach eher dazu führen, dass kulturelle Eigenarten künftig stärker betont und gepflegt werden. Menschen, die interkulturell kompetent handeln, schaffen es deshalb, eine Brücke zwischen eigenen und fremden Wertvorstellungen zu bauen. „Interkulturelle Kompetenz heißt auch, dass man Nein sagen und seine eigenen Grenzen aufzeigen kann“, sagt Jürgen Bolten. Eine komplette Anpassung der eigenen Verhaltensweisen an die des Gastlands sei nicht das Ziel.
„Niemand erwartet von Deutschen, dass sie sich wie Chinesen benehmen“, resümiert Stephan Meier. „Es ist besser, authentisch zu bleiben. Kleine Fehler werden verziehen, wenn die Menschen merken, dass man sich mit ihrer Kultur auseinandergesetzt hat.“
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