Alle zweieinhalb Minuten ereignet sich ein Unfall mit einem Reh, Hirsch oder Wildschwein. Das ist gefährlich und kann teure Folgen haben. Ausweichen oder draufhalten? Autofahrer müssen in Sekundenbruchteilen reagieren, wenn ein Tier auf der Fahrbahn auftaucht. Hier lesen Sie, wie Sie Ärger bei Wildunfällen vermeiden können und worauf Sie achten sollten, wenn es gekracht hat.
Die Tage werden kürzer, das Risiko steigt
Auf Deutschlands Straßen starben im vergangenen Jahr 200 000 Rehe sowie tausende Wildschweine und Hirsche. Noch häufiger, aber statistisch nicht erfasst sind Kollisionen mit kleineren Tieren wie Fuchs, Dachs, Hase, Fasan oder Biber. Bei immerhin 2 250 Wildunfällen wurden auch Menschen verletzt oder sogar getötet. Auch wenn niemand verletzt wird, können Wildunfälle teure Folgen haben. Die Kfz-Versicherung zahlt längst nicht immer. Ob sie den Schaden übernimmt, hängt auch davon ab, wie der Fahrer reagiert und welches Tier er angefahren hat. Das Risiko für Mensch und Tier steigt, wenn die Tage kürzer werden. Wildtiere sind unterwegs, wenn sie sich am sichersten fühlen: in der Dämmerung, also etwa von 5 bis 9 Uhr und von 19 bis 23 Uhr. Leider ist das auch die Zeit, in der viele Berufspendler unterwegs sind. Im Herbst machen zudem diesiges Licht, Nebel, Starkregen und rutschiges Laub die Straße unsicher.
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Zwischen Schlaf- und Esszimmer
Führt eine Straße am Waldrand entlang und ist auf der anderen Seite eine Wiese oder ein Maisfeld, sollten Autofahrer damit rechnen, Rehen oder Wildschweinen zu begegnen. „Wir fahren dort praktisch zwischen Schlaf- und Esszimmer der Tiere durch“, sagt Torsten Reinwald vom Deutschen Jagdverband. Das heißt: Langsam fahren und bremsbereit sein. Taucht im Scheinwerferkegel in 60 Meter Entfernung ein Reh auf, lässt sich der Wagen mit Tempo 80 gerade noch vor dem Tier zum Stehen bringen. Aber nur, wenn die Fahrbahn trocken ist, die Reifen gut sind und der Fahrer schnell reagiert – innerhalb von etwa einer halben Sekunde. Der Anhalteweg hängt nicht nur vom Bremsweg ab. Bevor der Fahrer zu bremsen beginnt, vergeht die sogenannte Schrecksekunde, während der das Auto mit voller Geschwindigkeit weiterfährt. Mit 100 Stundenkilometern ist ein Crash mit dem Reh nicht zu vermeiden. Das Auto ist beim Erreichen des Tieres immer noch 60 km/h schnell. Der Aufprall erfolgt mit solcher Wucht, dass ein 25 Kilo schweres Reh wirkt wie ein ausgewachsener Ochse.
Tipp: Kontrollieren Sie Licht, Reifenprofil und Bremsen Ihres Fahrzeugs und machen Sie einen Sehtest. Eine beginnende Sehschwäche wirkt sich bei Tageslicht noch nicht aufs Autofahren aus. Sie kann aber in der Dämmerung dazu führen, dass Sie Gefahren zu spät erkennen.

Die Anhaltewege im Vergleich. © Kati Hammling

Kleinen Tieren nicht ausweichen
Wer langsam fährt, hat noch die Chance, von Fern- auf Abblendlicht umzuschalten und zu hupen. Fernlicht blendet das Tier. Insbesondere Rehe werden dadurch orientierungslos. Sie bleiben stehen oder flüchten auf das Auto zu. Hat ein Tier sich ins Unterholz gerettet, ist Vorsicht geboten. Rehe und Wildschweine leben in Gruppen, Nachzügler könnten auf die Straße laufen. Bei Füchsen, Hasen, Igeln und anderen kleineren Tieren empfehlen Polizei und Versicherer: Lenkrad festhalten und Vollbremsung – aber nicht versuchen auszuweichen. Es klingt zynisch, aber manchmal hat ein kontrollierter Aufprall weniger schlimme Folgen als ein missglückter Ausweichversuch. Bei hoher Geschwindigkeit riskieren Autofahrer, die Kontrolle zu verlieren und mit einem entgegenkommenden Fahrzeug zu kollidieren oder gegen einen Baum zu fahren. Außerdem ist nicht vorhersehbar, in welche Richtung ein in Panik geratenes Tier flüchtet.
Seehund versichert, Fasan nicht
Lässt sich eine Kollision nicht vermeiden, bleibt es oft nicht bei ein paar Kratzern im Lack. Insgesamt 564 Millionen Euro zahlten die Teil- und Vollkaskoversicherer im Jahr 2013 für Wildunfälle. Die Gesellschaften übernehmen den Schaden aber nicht immer. In vielen Teilkaskoverträgen sind zum Beispiel nur Wildunfälle mit Tieren versichert, die nach dem Bundesjagdgesetz als Haarwild gelten. Dazu gehören Rehe, Wildschweine, Fuchs und Hase, aber auch exotischere Arten wie Seehund, Wisent und Luchs. Die auf deutschen Landstraßen häufiger anzutreffenden Waschbären und Eichhörnchen sowie Fasane sind dagegen kein Haarwild im Sinne des Jagdrechts. Das heißt: Falls mal ein Seehund vors Auto laufen sollte, wäre das versichert – nicht aber wenn ein Fasan in die Frontscheibe knallt. Auch bei Unfällen mit einem entlaufenen Hund oder einer ausgebüxten Kuh springen nur Teilkaskotarife ein, bei denen im Kleingedruckten „alle Tiere“ steht. Der Kfz-Versicherungsvergleich auf test.de ermittelt Ihnen individuell die besten Tarife nach Ihren Vorgaben.
Bambi lebt, Auto kaputt
Ein klarer Fall für die Versicherung ist außerdem nur, wenn das Auto mit einem Wildtier kollidiert. Endet ein Ausweichmanöver am Baum oder in der Böschung, muss der Autofahrer beweisen oder zumindest glaubhaft darlegen können, dass da tatsächlich ein Tier war. Ansonsten zahlt die Teilkasko nicht. Die Unfallursache könnte ja auch ein Fahrfehler gewesen sein. Verreißt jemand bei einem Ausweichmanöver das Steuer und verunglückt, gibt es mit der Versicherung außerdem oft Diskussionen darüber, ob die Reaktion grob fahrlässig war. Es geht darum, wie groß der Schaden am Auto durch eine Kollision mit dem Tier gewesen wäre. Ist jemand ausgewichen, um diesen Schaden zu vermeiden, zahlt die Versicherung. Einem kleinen Tier auszuweichen, sehen dagegen auch Gerichte oft als unverhältnismäßig an Urteile - Wildunfälle vor Gericht. Rücksicht auf das Wohl des Tieres spielt dabei keine Rolle.
Ruhig bleiben, wenn es gekracht hat
Nach einem Zusammenstoß sind Autofahrer verpflichtet, die Unfallstelle zu sichern. Das heißt: Warnblinkanlage einschalten, Signalweste anziehen, Warndreieck aufstellen – und, falls möglich, das tote Tier an den Straßenrand ziehen. Auf der Autobahn ist die eigene Sicherheit wichtiger. Es wäre zu gefährlich, auszusteigen und auf der dunklen Autobahn nach einem angefahrenen Damhirsch zu suchen, urteilte das Landgericht Lübeck (Az. 6 O 22/13). Es war okay, dass der Fahrer nach Rücksprache mit der Polizei zum nächsten Parkplatz fuhr.
Die Unfallstelle fotografieren
Einfach wegzufahren, ohne die Polizei zu informieren, wäre Fahrerflucht. Damit die Versicherung zahlt, braucht der Fahrer eine Wildunfallbescheinigung vom zuständigen Jagdpächter oder Revierförster Interview mit Jäger Torsten Reinwald. Die Wartezeit, bis die Polizei kommt, können Autofahrer nutzen, um Unfallstelle, Auto und Tier zu fotografieren, sich stichwortartige Notizen zu machen und das Auto nach Spuren von Tierhaaren oder Blut abzusuchen. Unter Umständen hängt von solchen Belegen ab, ob die Teilkaskoversicherung für den Schaden zahlt.
Tipp: Melden Sie den Schaden schnellstmöglich dem Versicherer und kontaktieren Sie ihn erneut, bevor Sie das Auto in die Reparatur geben. Der Versicherer hat das Recht, einen Sachverständigen zu schicken, um den Schaden zu begutachten oder den Unfallhergang zu rekonstruieren. Mit einer vorschnellen Reparatur würden Sie dies verhindern – die Gesellschaft dürfte dann die Leistung verweigern.
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Sie schreiben, wer nach einem Wildunfall einfach weiterführe, beginge "Fahrerflucht". Dies ist so nicht richtig.
Eine "Fahrerflucht" (§ 142 StGB) bedingt einen Verkehrsunfall mit Fremdschaden. Da Wildtiere herrenlos sind (der jeweilige Jäger hat nur ein Aneignungsrecht an dem Wildbret, ist aber nicht der Eigentümer), entsteht aber im strafrechtlichen Sinne kein Fremdschaden. Somit kann bei einem Wildunfall, vorausgesetzt dass nichts anderes beschädigt wurde (z.B. Bäume, Schilder,...), auch keine "Fahrerflucht" begangen werden.
Dennoch ist der Fahrer verpflichtet, die Unfallstelle zu sichern und den Revierinhaber oder die Polizei zu informieren. Dies richtet sich aber nach der StVO und den jeweils geltenden Jagdgesetzen und hat mit "Fahrerflucht" nichts zu tun.
Wer das überfahrene Reh einfach auf der Straße liegen lässt und deshalb ein Folgeunfall entsteht, kann sich aber ggf. wegen gefährlichen Eingriffes in den Straßenverkehr strafbar und für die Folgen finanziell haftbar machen.