
Steinpilze heißen so, weil ihr Fruchtfleisch fester ist als das der meisten anderen Pilze.
Nach dem diesjährigen Sommer, der vielerorts trocken war, fiel die Pilzsaison in einigen Gegenden zunächst mau aus. Jetzt aber sprießen die Pilze wieder, auch im Osten Deutschlands. Doch wer auf Pilz-Pirsch gehen möchte, braucht neben Finderglück auch Sachkenntnis. Wir sagen, worauf Pilzesammler achten sollten, und geben Tipps für den unbeschwerten Genuss.
Trockenheit bremst Fruchtkörper aus
Wenn Pilzliebhaber von Pilzen schwärmen, dann meinen sie streng genommen den Fruchtkörper des Myzels, eines weit verzweigten Organismus im Waldboden. Es ist oft Jahrzehnte alt und kann Dürrephasen wie den Sommer 2019 unter der Erde überleben, treibt dann aber weniger Fruchtkörper an die Erde. „Besonders wenige Fruchtkörper bilden alle Arten, die feuchte Sommer bevorzugen, so zum Beispiel die Pfifferlinge“, erklärt ein Sprecher der Deutschen Gesellschaft für Mykologie (DGfM). Die Pfifferlingssaison sei aber immerhin besser gewesen als im vergangenen Jahr. Im Alpenvorland etwa gab es schon reichlich Pilze. Vom Niederschlag im Oktober profitieren jetzt auch andere Bundesländer – etwa der Osten Deutschlands, wo es bisher schlecht aussah. Manche Arten wie der Austernseitling oder der Violette Rötelritterling wachsen laut DgfM jetzt erst. Die Hauptsaison endet, wenn mehrere Nächte hintereinander Frost herrscht.
Wildpilze sind leicht, vitaminreich, gesund – und aromatisch
Wer auf eine gesunde Ernährung achtet, für den sind Wildpilze eine gute Wahl: Sie sind extrem kalorienarm – 100 Gramm haben durchschnittlich 10 bis 20 Kilokalorien – und bestehen zu etwa 90 Prozent aus Wasser. Ihr Fettgehalt liegt bei unter einem Prozent, der Eiweißanteil bei zwei bis vier Prozent. Viele Pilze liefern größere Mengen an Vitaminen der B-Gruppe, vor allem B1 und B2, einige sind außerdem eine gute Vitamin-D-Quelle. Pilze sind zudem ein Mineralstofflieferant und enthalten reichlich Kalium und Phosphor sowie Ballaststoffe und gesundheitsfördernde Eiweißbausteine. Und nicht zu vergessen: Essbare Wildpilze sind herrlich aromatisch.
Nicht mehr als 250 Gramm Wildpilze pro Woche essen
Doch Wildpilze können – im Vergleich zu anderen Pflanzen – relativ hohe Mengen an Schwermetallen aus dem Boden aufnehmen und im Fruchtkörper anreichern. Das gilt vor allem für Kadmium und Quecksilber. Zuviel Kadmium schädigt Leber und Nieren, zuviel Quecksilber kann das Nervensystem beeinträchtigen. Die Konzentration im Pilzkörper kann vier- bis fünfmal höher sein als im Waldboden. Erwachsenen wird deshalb empfohlen, nicht mehr als 200 bis 250 Gramm Wildpilze pro Woche zu essen. Schwangere, Stillende und Kleinkinder sollten auf Wildpilze vorsichtshalber verzichten. Pilze aus Zucht hingegen weisen in der Regel keine deutlich erhöhten Mengen an Schwermetallen auf. Allerdings können nicht alle Pilze gezüchtet werden. Pfifferling und Steinpilz zum Beispiel wachsen nur wild.
Jede vierte heimische Pilzart gefährdet
Intensive Land- und Forstwirtschaft bedrohen die Pilze. Vor allem Pfifferlinge und Wiesenchampignons finde man deutlich weniger als noch vor 50 Jahren, teilt die DGfM mit. Die Flächen mit offenem Grünland seien drastisch zurückgegangen. Der Einsatz von Stickstoffdünger schwäche Pilzmyzelien, so dass weniger Pilze sprießen. Das passiert laut DGfM auch in Wäldern, die alle 20 bis 30 Jahre durchforstet werden. Die Pilze brauchen in der Regel mehrere Jahrzehnte, um sich in einer veränderten Umgebung wieder zu etablieren. Sie sind auch als Nahrungs- und Lebensraum für Insekten äußerst wichtig.
Maximal 1 Kilogramm Pilze pro Person und Tag sammeln
Übermäßiges Sammeln von Wildpilzen stört das sensible ökologische Gleichgewicht im Wald. Daher ist es zum Beispiel in Naturschutzgebieten gänzlich verboten, Pilze mitzunehmen. In Deutschland sind zudem einige beliebte Speisepilzarten nach dem Bundesnaturschutzgesetz und Bundesartenschutzverordnung „besonders geschützt“: Steinpilz, Schweinsohr, Brätling, Birkenpilz, Rotkappe und Morchel dürfen nur in „geringen Mengen“ und nur für den Eigenbedarf gesammelt werden. Erlaubt sind in vielen Regionen Deutschlands maximal ein Kilogramm pro Person und Tag. Andere Pilze dürfen gar nicht in den Sammelkorb: alle heimische Trüffel-Arten, Semmel-Porlinge, Saftlinge sowie Schaf-Porling, Kaiserling, Weißer Bronze-Röhrling, Erlen-Grübling, März-Schneckling, Grünling. Der Grünling kann bei bestimmten empfindlichen Personen auch zum Abbau und Zerfall von Muskelzellen führen. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) rät deshalb vom Verzehr des Grünlings ab.
Wer viel sammelt, zahlt
2018 zahlten im Landkreis Waldshut nahe der Schweizer Grenze zwei Männer 1 700 Euro Strafe für 19 Kilo im Wald geerntete Steinpilze im Kofferraum. Die Artenschutzverordnung gestattet „geringe Mengen für den eigenen Bedarf“, die vor Ort zuständige Naturschutzbehörde erlaubt ein Kilo pro Person, jedes weitere kostet 100 Euro. Bundesweite Limits gibt es zwar nicht – aber mehr als ein Kilo Pilze könnten vielerorts zu viel sein.
Rückstände von Mückenspray-Wirkstoff nachgewiesen
Wildpilze in Restaurants oder im Handel stammen oft aus Osteuropa. Solche von Hand geernteten Wildpilze enthalten aber häufig Rückstände von DEET (Diethyltoluamid) – einem Wirkstoff aus Mücken- und Zeckenmitteln. Darauf weist das Chemische und Veterinäruntersuchungsamt Stuttgart hin. In jeder zweiten von 107 Wildpilzproben, die das Labor des Amtes seit 2015 analysiert hat, wies es DEET nach – auch in getrockneten und gefrorenen Pilzen. Höhere Gehalte – teils über den zulässigen Höchstmengen – fanden sich hauptsächlich in Pfifferlingen und Steinpilzen aus Russland, Weißrussland, Polen und Bulgarien. Allerdings handelt es sich immer noch um Gehalte im Spurenbereich. Das BfR beurteilte 2009 in Pfifferlingen gemessene Werte in ähnlicher Größenordnung als gesundheitlich unbedenklich. Versuche des Stuttgarter Labors mit Heidelbeeren zeigen: Sprühen Pflücker Unterarme sowie Handrücken mit Anti-Mückenspray ein, kann es in gesammelten Lebensmitteln zu den gemessenen Gehalten kommen. Wer selbst in die Pilze geht, sollte sich nach dem Einsprühen die Hände waschen, um die gefundenen Prachtstücke nicht zu verunreinigen.
Vorsicht Doppelgänger!
Die wichtigste Regel beim Sammeln lautet: Hände weg von Pilzen, die Sie nicht sicher bestimmen können. Ob ein Pilz giftig ist oder nicht, sieht man ihm nicht an. Zudem besteht bei einigen Sorten auch die Gefahr der Verwechslung mit giftigen oder zumindest unverträglichen Doppelgängern. Der Anis- oder Schafs-Champignon etwa kann von ungeübten Sammlern leicht mit dem giftigen weißen Knollenblätterpilz verwechselt werden. Bei Unsicherheiten sollten Pilzfreunde ihre gesammelten Pilze vom Fachmann auf Essbarkeit prüfen lassen. Die DGfM führt eine Liste geprüfter Pilzsachverständiger.
Handbuch Pilze

Ausführliche Porträts vieler Pilze und ihrer Doppelgänger finden Sie im Handbuch Pilze der Stiftung Warentest. Ob köstlicher Speisepilz, tückischer Doppelgänger oder möglicher Giftpilz: Deutliche Tableau- und Detailfotos ermöglichen eine klare Zuordnung einheimischer Pilze. So gehen Sie sicher, dass kein falscher Pilz in Ihren Korb wandert. Das Buch ist in Zusammenarbeit mit einem Fachberater der Deutschen Gesellschaft für Mykologie entstanden. Es hat 256 Seiten und ist für 29,90 Euro im test.de-Shop erhältlich.
Dieses Special wurde erstmals am 22. August 2001 auf test.de veröffentlicht und seitdem regelmäßig aktualisiert, zuletzt am 9. Oktober 2019.