
Solange Verbraucher ein Widerrufsrecht haben, ist der Widerruf immer erlaubt. Sie dürfen sogar versuchen, durch Drohung mit dem Widerruf nachträglich den Preis zu drücken. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden. Ein Matratzenhändler muss jetzt 417,10 Euro erstatten. test.de erklärt das Urteil und seine Bedeutung.
Streit um 32,98 Euro
Wegen 32,98 Euro ist ein Matratzenhändler durch alle Instanzen bis zum Bundesgerichtshof gezogen. So sehr hat ihn das Verhalten eines Kunden geärgert. Der hatte in seinem Online-Shop im Januar 2014 zwei Matratzen für insgesamt 417,10 Euro gekauft. Nach Bezahlung und Lieferung stieß er auf ein besseres Angebot. Da waren die gleichen Matratzen 32,98 Euro billiger. Flugs meldete sich der Online-Shopper beim Händler und forderte Erstattung der 32,98 Euro, die er aus seiner Sicht zu viel bezahlt hat. Ansonsten werde er die Bestellung widerrufen, kündigte er an. Der Händler weigerte sich, der Käufer widerrief und schickte die Matratzen zurück zum Händler.
Durch alle Instanzen
Der Matratzenhändler weigerte sich, den Widerruf zu akzeptieren und den Kaufpreis zu erstatten. Das Widerrufsrecht soll Verbraucher davor schützen, Ware zu kaufen, die seinen Erwartungen nicht entspricht, argumentierte er. Es ist der Ausgleich dafür, dass Kunden beim Online-Shopping keine Möglichkeit haben, die Ware anzuschauen. Es zu nutzen, um nachträglich den Kaufpreis zu drücken, sei rechtsmissbräuchlich.
Keine Begründung nötig
Der preisbewusste Online-Shopper zog vor Gericht und forderte Erstattung des Kaufpreises. Schon Amtsgericht und Landgericht Rottweil urteilten unisono: Der Widerruf ist unabhängig von den Gründen berechtigt. Doch aus das überzeugte den Matratzenhändler nicht. Er legte Revision ein.
BGH auf Verbraucherseite
Doch auch der Bundesgerichtshof gab dem Online-Shopper recht: Auf die Gründe für den Widerruf kommt es nicht an. Die Ausübung des Widerrufsrechts muss nicht begründet werden. Aus welchem Grund auch immer: Innerhalb der Frist können Verbraucher sich durch Erklärung des Widerrufs ohne weiteres von jedem Vertrag wieder lösen. Ausreichend ist, wenn der Widerruf rechtzeitig abgeschickt wird.
Auswirkungen auf Streit um Kreditwiderruf
Bedeutung hat das Urteil des Bundesgerichtshofs nicht nur für Online-Shops, sondern auch für Banken und Sparkassen. Die haben nämlich zahlreiche Immobilienkreditverträge abgeschlossen und ihre Kunden nicht korrekt über das Widerrufsrecht belehrt. Rechtliche Folge: Die Kunden können ihre Verträge auch Jahre nach Vertragsschluss noch widerrufen und so von den aktuell konkurrenzlos geringen Zinssätzen profitieren. Die Kreditinstitute argumentieren in solchen Fällen genau wie der Matratzenhändler: Das Widerrufsrecht soll Kunden vor übereilten Vertragsabschlüssen schützen. Es auszunutzen, um von gesunkenen Zinsen zu profitieren, sei rechtsmissbräuchlich. Bei der Mehrzahl der Land- und Oberlandesgerichte konnten sie damit schon bisher nicht landen. Einzelne Gerichte wie vor allem die Oberlandesgerichte Hamburg und Schleswig-Holstein haben bisher tatsächlich Kreditwiderrufsklagen abgewiesen, weil sie den Widerruf für rechtsmissbräuchlich hielten. Nach dem BGH-Urteil von heute dürfte es damit vorbei sein. Alle wichtigen Informationen zu diesem Thema immer aktuell in unserem Special So kommen Sie aus teuren Kreditverträgen raus.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 16.03.2016
Aktenzeichen: VIII ZR 146/15