WhatsApp, Instagram, Facebook Was bringt die Verschmel­zung der Social-Media-Dienste?

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WhatsApp, Instagram, Facebook - Was bringt die Verschmel­zung der Social-Media-Dienste?

Unter Druck: Facebook-Chef Mark Zucker­berg muss sein Unternehmen öffent­lich­keits­wirk­sam auf einen neuen Kurs bringen, um konkurrenz­fähig zu bleiben. © picture alliance / empics

WhatsApp, Instagram und Facebook Messenger sollen miteinander verknüpft werden – geht es nach Facebook-Gründer Mark Zucker­berg. Das Bundes­kartell­amt will die Fusion ausbremsen. Nach zahlreichen Skan­dalen rund um die Sicherheit von Facebook-Kunden­daten spricht sich Zucker­berg nun für eine bessere Verschlüsselung, mehr Privatsphäre und staatliche Kontrolle aus. test.de erklärt den plötzlichen Sinneswandel und sagt, was Nutzer bei einer Verschmel­zung der Dienste erwartet.

Mark Zucker­berg bastelt an einer neuen Identität

Es rumort im Hause Facebook. Wichtige Führungs­kräfte verlassen das Unternehmen, eine Daten­panne jagt die nächste. Gerade sickerte durch, dass Millionen Daten von Facebook-Nutzern – darunter Pass­wörter und Kommentare – frei zugäng­lich bei einem Cloud-Dienst von Amazon lagen. Kurz davor entschuldigte sich der Konzern, weil er jahre­lang Hunderte Millionen Pass­wörter unver­schlüsselt gespeichert hatte. Unter­nehmens-Chef Mark Zucker­berg steht unter Druck und biegt mit immer neuen Ideen um die Ecke, die ihm so gar nicht ähnlich sehen: Es geht um Privatsphäre im Internet, Trans­parenz und demokratische Kontrolle. Der Vater der sozialen Medien bastelt sich eine neue Identität.

Mehr als drei Milliarden Menschen nutzen WhatsApp, Facebook und Instagram

Alles begann mit einem Artikel in der New York Times. Die amerikanische Tages­zeitung berichtete Ende Januar unter Berufung auf Facebook-Insider, dass Zucker­berg die tech­nische Infrastruktur von WhatsApp, Facebook und Instagram verknüpfen will. Die Dienste sollen weiter als eigen­ständige Apps betrieben werden – neu wäre, dass sich ihre Nutzer künftig App-über­greifend Nach­richten schi­cken könnten. Welt­weit bündeln die drei Internetplatt­formen schät­zungs­weise mehr als drei Milliarden aktive Nutzer, durch eine Fusion würde Facebook seine Kunden noch enger an sich binden und seine Stellung als Social-Media-Mono­polist festigen.

Deutsche Wett­bewerbs­hüter schlagen Alarm

Das Bundes­kartell­amt reagierte flott auf die Ankündigung und untersagte Facebook die Zusammenführung von Nutzer­daten aus verschiedenen Diensten – es sei denn, der Nutzer stimmt dem freiwil­lig zu (siehe Meldung Kartellamt bremst Facebook beim Datensammeln). Freiwil­lig heißt, dass Facebook niemanden ausschließen darf, der seine Einwilligung verweigert. Die Entscheidung des Bundes­kartell­amtes ist nicht rechts­kräftig, Facebook nutzte die Chance, um flugs Beschwerde beim zuständigen Ober­landes­gericht Düssel­dorf einzulegen.

Facebooks Begründung steht noch aus

Seitdem herrscht Funk­stille. Wir haben bei Gericht nachgefragt, wie es nun weitergeht. Die Antwort: Aktiv können die Richter erst werden, wenn Facebook seine Beschwerde begründet, das hat der Mega­konzern bisher aber nicht getan. Bis dahin gilt: Still ruht der See. Eine Frist für die Begründung gibt es laut Ober­landes­gericht nicht.

Wie glaubwürdig ist Zucker­bergs Plädoyer für die Privatsphäre?

Über sein Facebook-Profil veröffent­licht der Facebook-Chef Anfang März eine ellen­lange Zukunfts­vision für sein Unternehmen und spricht erst­mals selbst vage von einer über­greifenden Nutzung der drei Dienste. Gleich­zeitig rückt er elementar von seiner bisherigen Firmen­philosophie ab und hält eine flammende Rede für die Privatsphäre. Wie glaubwürdig dieser plötzliche Sinneswandel ist, wird in den Medien heiß diskutiert.

Verschlüsselung schützt nicht vor Facebook

Zucker­berg entschuldigte sich auf Facebook für die Daten­lecks der Vergangenheit und stellte eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung für den Facebook Messenger und Instagram in Aussicht, WhatsApp besitzt sie bereits. Ein bestechendes Argument, um die Öffent­lich­keit zu beruhigen. Denn die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung gilt momentan als die sicherste.

Was bedeutet Ende-zu-Ende-Verschlüsselung?

Ende-zu-Ende bedeutet, dass nur Absender und Empfänger die Nach­richt lesen können. Klingt toll, hat aber einen riesigen Haken: Die Verschlüsselung schützt sehr gut vor Hackern, leider aber womöglich nicht vor der viel größeren Gefahr – Facebook. Die Krux: Derjenige, der die Verschlüsselung aufsetzt, kann sich einen General­schlüssel anfertigen und hat damit vollen Zugriff auf alle Nach­richten. Dann ist es zwar keine echte Ende-zu-Ende-Verschlüsselung mehr, merken würde das allerdings keiner. Facebook-Nutzern bleibt nichts anderes übrig, als auf die Integrität von Mark Zucker­berg zu vertrauen. Dieses Problem haben jedoch nicht nur sie, auch Nutzer anderer Messenger mit Ende-zu-Ende-Verschlüsselung müssen sich blind auf ihren Anbieter verlassen.

Keine Kontrolle über Falsch­nach­richten

Nachteile hat allerdings auch eine echte Ende-zu-Ende-Verschlüsselung: Der Anbieter verliert die Kontrolle über massenhaft verbreitete Falsch­nach­richten, ein Problem, das bei WhatsApp bereits grassierte. Deshalb beschränkt der Messenger die Weiterleitung von Nach­richten seit Kurzem auf maximal fünf Kontakte. Außerdem verhindert eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, dass man Dienste verschiedener Anbieter über­greifend nutzen könnte, denn jede Verschlüsselung ist individuell zuge­schnitten. Das dürfte Facebook sehr gelegen kommen.

Angst vor der Konkurrenz aus China

Der offizielle Grund für die Fusion: Die drei Dienste sollen noch komfort­abler und sicherer werden. Inoffiziell dürfte es eher um eine Kampf­ansage an die Konkurrenz gehen. Inno­vative Apps wie der chinesische Messenger WeChat ermöglichen ihren Nutzern sehr erfolg­reich längst mehr, als nur zu chatten. WeChat bietet auch mobiles Bezahlen, Essens­bestel­lungen, Shopping, Jobsuche, hier lassen sich Taxen und Arzt­termine buchen, Visa beantragen, Spiele spielen und vieles mehr – alles in einer einzigen App. Mehr als eine Milliarde Menschen nutzen WeChat bereits. Facebook muss mithalten und nun schnell handeln, um seine Kunden enger an sich binden, damit sie nicht zum Mitbewerber wechseln.

Kommt es zur Fusion, verlieren vor allem WhatsApp-Nutzer

Otto Normal profitiert kaum von der Fusion. Neben der zweifelhaften Ende-zu-Ende-Verschlüsselung erwartet die Nutzer der drei Dienste zumindest etwas mehr Komfort, weil sie nicht mehr zwischen den Platt­formen wechseln müssten. Wer jedoch bislang zum Beispiel nur über Whats­App Nach­richten schreibt, hat praktisch keine Vorteile. Im Gegen­teil: WhatsApp-Nutzer dürften am meisten verlieren, denn dieser Dienst verlangt im Zucker­berg-Imperium bisher die wenigsten persönlichen Daten. Für die Anmeldung ist nur die Telefon­nummer erforderlich. Bei einer Fusion mit Facebook und Instagram könnten der Telefon­nummer viele weitere persönliche Daten zuge­ordnet werden, das Nutzer­profil nimmt Gestalt an.

Facebook profitiert am meisten

Unter Daten­schutz­gesichts­punkten wäre das Verschmelzen der drei Social-Media-Dienste verheerend. Facebook kann dann die Daten von Milliarden Nutzern mühelos verknüpfen, auswerten und daraus Gewinn schlagen. Werbetreibende würden auf einen Schlag eine gigantische Nutzerzahl erreichen, ein unglaublich profitables Geschäft für Facebook. Und oben­drein stärkt der Anbieter seine Markt­macht im Bereich Messenger-Dienste. Die Fusion der drei Dienste bringt vor allem einem Vorteile: Mark Zucker­berg. Wie weit er damit kommt, entscheiden vor allem die Nutzer seiner Dienste.

Unser Rat

Setzen Sie ein Zeichen für den Daten­schutz und wechseln Sie zu anderen Messenger-Diensten. Gute Alternativen gibt es genug, wie bereits unser Messenger-Test von 2015 zeigt. Seitdem haben sich die Messenger natürlich verändert – so hat WhatsApp laut eigenen Angaben inzwischen eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung – und es sind noch einige weitere Anbieter dazugekommen. Nutzer eines jeden Messenger-Dienstes sollten sich jedoch stets bewusst sein, dass sie sehr private Dinge in fremde Hände geben. Über­legen Sie vor dem Absenden einer Nach­richt, ob das erste Baby­bild aus dem Kreiß­saal, der Unmut über Ihren Chef oder ein Streit mit Ihrem Partner auf vielleicht schlecht gesicherten Servern im Internet gut aufgehoben sind. Noch bedenk­licher als unsichere Messenger sind übrigens unsichere Messenger mit Mono­polstellung. Facebook dominiert den Markt und kann sich dadurch scheinbar alles erlauben. Wenn Sie das nicht weiter unterstützen wollen, hilft Ihnen unsere Anleitung, Ihr Facebook-Konto zu löschen.

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