Ein gutes Testergebnis ist für Hersteller und Händler wie bares Geld. Da ist die Versuchung groß, bei der Werbung ein wenig zu schummeln. Beispiel: Ein Sehr gut der Stiftung Warentest für Potenzmittelapotheken? Diesen Test gab es in Wahrheit überhaupt nicht. Die Stiftung Warentest klärt auf.
Urteil frei erfunden
Das angebliche Qualitätsurteil hatte der Internethändler PillenVZ frei erfunden – ein klarer Fall von unlauterer Werbung. Mit Erfolg konnte dagegen vorgegangen werden. Mittlerweile ist das Logo von der Internetseite verschwunden. Das war ein besonders dreister Fall. Sowohl der Test als auch das Qualitätsurteil frei aus der Luft gegriffen – das kommt nur selten vor. Viel eher wird mit tatsächlichen Testergebnissen geschummelt. Zum Beispiel indem ein gutes Urteil auch auf andere Produkte übertragen wird, die gar nicht getestet wurden.
Völlig anderes Produkt
Ein typisches Beispiel: Lidl warb für ein Fahrradschloss zum Schnäppchenpreis von 5,99 Euro mit Qualitätsurteil gut, angeblich baugleich mit dem von uns getesteten Sekura. Aufmerksame Radfreunde vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club wurden stutzig und informierten uns. Schließlich war es schon zwei Jahre her, dass wir das Sekura auf dem Prüfstand hatten. Da kostete es noch 13 Euro. Also kauften wir ein paar Exemplare und brachten sie ins Labor. Das Ergebnis war ein Desaster. Im Handumdrehen war das Teil geknackt, der Befund eindeutig: Das „Schnäppchen“ war ein völlig anderes Produkt. Es hätte niemals unser Gut tragen dürfen.
Produkt nach dem Test geändert
Was auch vorkommt: Hersteller verändern das Produkt nach dem Test. Als wir zum Beispiel bei Matratzen Anzeichen dafür entdeckten, förderte eine Nachprüfung gravierende Abweichungen zutage. Da wurde Material eingespart, der Bezug geändert, manche Matratzen waren weicher geworden. Bei sechs Matratzen reichte es für das ursprüngliche Gut nicht mehr.
Schrift unleserlich
Oder der Dreh, das Qualitätsurteil so herauszustreichen, dass es sofort ins Auge springt – aber den Hinweis darauf, in welchem Heft es stand, in winziger, kaum lesbarer Schrift zu bringen oder gleich ganz wegzulassen. Dabei muss es dem Verbraucher möglich sein, die Werbung ohne großen Aufwand nachzuprüfen und sich den Test zu besorgen (BGH, Az. I ZR 50/07).
Kein Verfallsdatum
Und klar: Wer unser Sehr gut oder Gut einmal hat, behält die Werbung damit gern lange bei. Schließlich hat das Qualitätsurteil kein automatisches Verfallsdatum. Deshalb darf im Prinzip auch mit älteren Urteilen geworben werden – es sei denn, das Produkt ist nicht mehr dasselbe. Und das kann schnell gehen. So priesen die Akademische Arbeitsgemeinschaft und die Verlagsgruppe Weltbild ihre Steuererklärungs-Software für 2004 mit einem Urteil von 2003 an. Dabei kann die neue Version angesichts der vielen Steueränderungen nicht mit der alten identisch sein. Auch wenn ein neuer Test der Produktgruppe mit geänderten Prüfbedingungen durchgeführt wird oder wenn es technische Innovationen gab, darf nicht mehr mit einem Testurteil geworben werden.
Vertrauen in die Stiftung
Dabei ist diese Werbung für die Anbieter sehr lukrativ. Ein Sehr gut oder Gut signalisiert Kunden, dass sie das Produkt unbedenklich kaufen können. Es steigert die Verkaufszahlen oft erheblich. Denn drei Viertel der Verbraucher orientieren sich an Warentests. Unsere Untersuchungen genießen höchste Glaubwürdigkeit. Bei einer Forsa-Umfrage belegte die Stiftung Warentest mit einem Vertrauensindex von 74 Prozent den ersten Platz, noch vor Polizei, Rotem Kreuz und Greenpeace. Und fast jeder kennt sie: Bei einer Umfrage kam sie auf 94 Prozent Bekanntheitsgrad, ähnlich wie der Bundeskanzler.
Aufmerksame Verbraucher
Sogar der Bundesgerichtshof hat uns eine volkswirtschaftlich sinnvolle und nützliche Funktion bescheinigt. Kein Wunder, denn manche Anbieter nehmen Produkte gleich aus den Regalen, wenn sie bei uns nur ausreichend oder mangelhaft abgeschnitten haben. So tragen unsere Tests dazu bei, dass auf lange Sicht die Produktqualität am Markt steigt. Rund 100 Werbeverstöße verfolgen wir pro Jahr. Viele werden uns von aufmerksamen Verbrauchern gemeldet, andere von den Verbraucherzentralen. Mitunter kommen die Tipps auch von anderen Herstellern, die nicht tatenlos zusehen wollen, wie sich ihre Konkurrenz einen Wettbewerbsvorteil beim Kunden erschleicht. Außerdem hat die Stiftung eine Berliner Rechtsanwaltskanzlei beauftragt, Werbemaßnahmen laufend zu beobachten.
Verstöße konsequent verfolgt
„Insgesamt gesehen kommt unlautere Werbung seltener vor, als man denkt, in den allermeisten Fällen stimmt das angegebene Testurteil“, berichtet Winfried Ellerbrock, Justitiar der Stiftung Warentest: „Das liegt aber auch daran, dass Verstöße konsequent verfolgt werden.“ Die Stiftung Warentest hat einen Katalog mit klaren Kriterien für die Werbung mit Testurteilen aufgestellt. Diese Bedingungen sind zwar nach Wettbewerbsrecht nicht verbindlich. Gerichte können also davon abweichen. Doch die Firmen verpflichten sich uns gegenüber zur Einhaltung dieser Normen. Nur dann geben wir die Erlaubnis zur Nutzung der Testlogos, die vorher bei uns beantragt werden muss. Dabei kann die Stiftung Warentest nicht selbst gegen unlautere Werbung mit Testergebnissen klagen, das macht der vzbv, der Verbraucherzentrale Bundesverband (siehe Interview).
Nachweis für Gewinnabschöpfung schwierig
Eigentlich sieht das Wettbewerbsrecht vor, den Unternehmen die Gewinne wegzunehmen, die sie mit unlauterer Werbung erzielen. Doch das ist in der Praxis kaum möglich: Wer klagt, muss nachweisen, dass der Gewinn tatsächlich nur durch die unrechtmäßige Werbung erzielt wurde. Immerhin konnte der vzbv einen solchen Anspruch gegen Lidl durchsetzen. Der Discounter hatte 2005 mit einem veralteten Testurteil von 1998 für Matratzen geworben und damit nach Schätzung der vzbv-Juristen rund 400 000 Euro Gewinn eingefahren. Der vzbv machte zunächst nur 25 000 Euro geltend, um das Prozesskostenrisiko in Grenzen zu halten. Denn die Prozesskosten bemessen sich nach dem Streitwert, und wer verliert, trägt alle Kosten. Lidl zahlte die 25 000 Euro. Das Geld kam nicht einmal dem vzbv zugute, sondern der Staatskasse.
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Raffiniert und dreist auch diese Methode:
Als das AS (Schlecker) Ceranfeld-Putzmittel seinerzeit eine gute Note erhielt, machte die Mengenangabe auf der Vorderseite der Plastikflasche
den Warentest-Angaben Platz und tauchte auf der Rückseite wieder auf.
Um 20% verringert .
Das hatte ich immer schon der StiWa mitteilen wollen. . .
Unter der Internetadresse
http://www.potenzmittelapotheke.org/
wird schon wieder einmal ein Stiftung Warentest - Urteils - Emblem unverfroren missbraucht.
Ich habe soeben die Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) unter der E-Mail-Adresse recht@vzbv.de informiert.
@joern75: Für die Werbung mit Testurteilen hat die Stiftung Warentest klare Kriterien aufgestellt. Der Katalog ist für alle auf der Internetadresse
www.test.de/unternehmen/werbung/ einsehbar.
Das Problem: Nicht alle halten sich an diese Kriterien. Die Werbung mit einem falschen Logo oder Testurteil wird rechtlich verfolgt. Da es hier um Wettbewerbsrecht geht, können jedoch nur Mitbewerber, also zum Beispiel konkurrierende Unternehmen, klagen. Auch die Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) darf klagen und verfolgt pro Jahr zirka 100 Verfahren. In der pdf-Datei /Artikel "Tricks mit Testurteil" finden Sie noch mehr Hinweise und Details über die Konsequenzen unlauterer Werbung.
Sie als Verbraucher/in können uns übrigens helfen, wenn Sie irreführende Werbung dem vzbv direkt melden: recht@vzbv.de
Wieso ist es überhaupt möglich, dass Firmen sich ein eigenes test-Label mit kleinerer Schrift oder fehlenden Informationen zusammenbasteln?
Es dürfte nur erlaubt sein, das Original zu verwenden, und alles andere als Dokumentenfälschung (o. ä.) verfolgt werden.
Oder wird bereits so vorgegangen?
Nur mit extremen Geldstrafen und ggf. Freiheitsstrafe kann solchen unlauterem Wettbewerb Einhalt geboten werden.
Sowohl für Sommer- als auch für Winterreifen sind die "Test" -ergebnisse
für mich maßgeblich, ich vertraue Ihnen, dem Team von Test.de auch mein Leben an!
Bis auf den Test "Waschmaschinen" kann ich keine negative Kritik üben,
weiter so!