
Mehr Masse als Klasse. Wellness-Siegel gibt es viele. Hilfreich sind nur wenige.
Sie versprechen viel und halten wenig. Von 53 Gütesiegeln für Wellnessangebote sind nur 9 hilfreich. Wo sie prangen, finden Verbraucher geprüfte Qualität.
Der bunte Sticker an der Tür, das gerahmte Zertifikat am Eingang, das Zeichen auf der Website verspricht: Hier, Gast, bist du richtig, hier werden deine hohen Ansprüche erfüllt. Hotels und Thermen schmücken sich gern mit Siegeln.
Schon die Namen klingen wie Versprechen: WellVital, IchZeit oder Wellness Heaven. Wem seine Gesundheit am Herzen liegt, der bucht Massagen, zahlt für Entspannung, Bewegung und Ernährungsberatung. Der Wellnessmarkt ist groß, die Unterschiede zwischen den Anbietern sind es auch. Gütesiegel sollen Orientierung bieten. Garantieren sie ausgebildetes Personal, eine Umgebung zum Wohlfühlen, Wellnessanwendungen mit Wirkung?
Viele stellen geringe Anforderungen
Die wenigsten Siegel im Test lösen ihre Versprechen ein: Von 53 geprüften Gütesiegeln sind nur 9 wirklich hilfreich, 4 davon gelten für Medical-Wellness-Einrichtungen. In ihnen begleitet medizinisches Fachpersonal, etwa ein Arzt, das Wellnessprogramm und bietet zusätzlich Behandlungen zur Gesundheitsvorsorge an.
Viele Siegelherausgeber stellten uns ihre Kriterienkataloge zur Verfügung und gaben uns Einblick in ihre Vergabeverfahren. Überzeugen können nur bestimmte Gütesiegel vom Deutschen Wellness Verband, von EuropeSpa, Wellness-Hotels & Resorts, Wellness Stars und vom Deutschen Medical Wellness Verband.
Der Großteil zeigt Schwächen. Viele Siegelherausgeber stellen nur geringe Anforderungen an Ausstattung und Mitarbeiter der Wellness-Einrichtungen. Außerdem prüfen einige nicht kritisch, ob die von ihnen aufgestellten Bedingungen für die Siegelvergabe erfüllt werden. Sie verlassen sich allein auf die Zusagen der Hotels, Thermen und anderen Einrichtungen, die sich um die Auszeichnung bewerben. Bei diesen Siegelherausgebern kontrolliert zum Beispiel niemand, ob ein Hotel, das vier Saunen verspricht, diese tatsächlich bietet.
Nur Sauna reicht nicht

Pause vom Alltag. Regelmäßige Auszeiten sind wichtig. Schon ein paar Stunden in der Therme tun wohl.
Was Herausgeber der Siegel als gute Wellness betrachten und auszeichnen, legen sie selbst fest. Das Wort Wellness setzt sich zusammen aus dem englischen wellbeing (Wohlbefinden) und fitness. Einheitlich definiert und geschützt ist der Begriff nicht. So fallen die Vorgaben der Siegelherausgeber, was Wellness bieten sollte, nicht immer streng und umfassend aus. Eine Schwäche vieler: Sie stellen geringe Ansprüche und zertifizieren Hotels und Thermen, die wenig leisten. „Wenn ein Hotel nur eine Sauna, ein Solarium und einen Pool bereitstellt, ist ein Mindestbedarf nicht erreicht“, sagt Anja Brittner-Widmann, Professorin für Destinations- und Kurortemanagement an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Ravensburg.
Bleibendes für den Alltag

Aktiv entspannen. Sportarten wie Yoga helfen, Stress abzubauen.
Vorbeugen ist besser als heilen. Das wussten schon die alten Griechen. Um Krankheiten erst gar nicht entstehen zu lassen, empfahl der Arzt Hippokrates rund 400 Jahre vor unserer Zeitrechnung gesunde Ernährung, viel Bewegung und ausreichend Schlaf. „Wer stark, gesund und jung bleiben will, sei mäßig, übe den Körper, atme reine Luft und heile sein Weh eher durch Fasten als durch Medikamente“, soll er seinen Zeitgenossen geraten haben. Heute ist Hippokrates’ Philosophie ein Geschäftsmodell.
Ein gutes Wellnessangebot sorgt nicht nur für Wohlbefinden. Es fördert die Gesundheit langfristig und umfassend. „Gute Wellness aktiviert Körper und Geist“, erklärt Anja Brittner-Widmann. „Wer mit Wellness gesund bleiben will, sollte nicht nur passiv genießen, sondern etwas lernen.“ Bewegung an der frischen Luft, Kochkurse und Ernährungsberatung mit Gleichgesinnten gehörten im Idealfall genauso zum Wellnessprogramm wie Massagen, Saunagänge und entspannende Bäder, fordert die Expertin. Nach dem Wellnessaufenthalt sollte der Gast dazu bereit sein, das eigene Verhalten im Alltag zu hinterfragen und gegebenenfalls zu ändern.
Genaue Vorgaben und Kontrolle
Ähnlich umfassende Ansprüche stellen nur wenige Siegelherausgeber. Der Deutsche Wellness Verband tut dies für Hotelbetriebe. Sein Zertifikat erhalten nur solche Hotels, die schwerpunktmäßig sowohl Entspannung als auch Fitness und gesunde Ernährung anbieten. Für Entspannung sollen zum Beispiel Saunen und Ruhezonen sorgen. Bei Kraft-, Muskel- und Ausdauerübungen im Fitnessbereich sollte den Gästen ein Trainer zur Seite stehen. Und im Wellnessbereich wird häufig kostenlos frisches Obst angeboten.
Die anderen hilfreichen Siegel im Test haben einen etwas engeren Fokus. Ein umfassendes Wellnessprogramm, wie es Professorin Anja Brittner-Widmann beschreibt, fordern sie nicht. Dennoch helfen sie durchaus bei der Suche nach einem passenden Angebot. Der Grund: Sie machen den Einrichtungen, die sich um ihr Siegel bewerben, genaue Vorgaben und kontrollieren die Einhaltung vor Ort.
Massagewanne, Yoga und Qi-Gong

Helfende Hände. Massagen mit Öl sind Wellnessklassiker.
Um eines der neun als hilfreich bewerteten Siegel zu erhalten, müssen Wellness-Einrichtungen oft zunächst umfassende Fragebögen beantworten. Die Siegelherausgeber prüfen zum Teil mehrere hundert Voraussetzungen ab. Sie fragen nach der Ausstattung der Wellnesseinrichtung, nach Ausbildung und beruflicher Qualifikation der Mitarbeiter und danach, welche Wellnessanwendungen angeboten werden. Je mehr Anforderungen ein Bewerber erfüllt, desto wahrscheinlicher die Auszeichnung.
Das Siegel Wellness-Hotels & Resorts etwa erhalten nur Einrichtungen, die besonders viel Entspannung und gesunde Ernährung bieten. Pluspunkte sammeln sie etwa mit Massagewannen, einem Meditationsraum, mit Qi-Gong- und Yogastunden oder progressiver Muskelentspannung nach Jacobson. Auch Ernährungsberater, die erklären, was zu einer ausgewogenen Ernährung gehört und worauf es beim Selberkochen ankommt, bringen Extrapunkte.
Prüfer kontrollieren vor Ort
Die Herausgeber der hilfreichen Gütesiegel vergeben diese Auszeichnungen erst, wenn sie die Wellnessbetriebe auch vor Ort eingehend geprüft haben. Sie verlassen sich nicht auf die Aussagen der Bewerber, sondern untersuchen selbst, ob deren Angaben in den Fragebögen stimmen.
Und sie kommen wieder
Hat ein Hotel es geschafft und das begehrte Siegel erhalten, kann es sich darauf nicht ausruhen. Die Auszeichnungen sind nur begrenzt gültig. Regelmäßig kommen die Kontrolleure wieder. Spätestens nach drei Jahren überprüfen sie die Einrichtung erneut und vergewissern sich, ob die Qualität nicht nachgelassen hat.
Kontrolle, aber nur geringe Ansprüche
Kontrollen dieser Art werden auch bei anderen Siegeln vorgenommen. Dennoch sind sie wenig hilfreich bei der Suche nach hochwertiger Wellness. Das Problem: Die Anforderungen, die sie an die Wellnesseinrichtungen stellen, sind insgesamt zu knapp. Das gilt beispielsweise bei Wellness Heaven und WellVital. „Viele Siegel garantieren eigentlich nur Wellness-light“, sagt auch die Expertin Anja Brittner-Widmann. Wer mehr als Entspannung sucht, wird oft nicht fündig (siehe Tabelle).
Für die Ewigkeit geschmückt
Die regionale Arbeitsgemeinschaft WellnessPlus Teutoburger Wald beispielsweise wirbt mit Komfort, Qualität und persönlicher Atmosphäre. „Lassen Sie sich in unseren Wellness- und Gesundheits-Oasen verwöhnen“, heißt es auf ihrer Website. „Genießen Sie gute Küche und einfühlsamen Service!“ Verlass ist darauf nicht. Hinter dem Siegel stehen weder umfassende Vorgaben noch Kontrollen. Ob Hotels, Pensionen und Freizeiteinrichtungen die Versprechen einhalten, prüft die Arbeitsgemeinschaft nicht. Weiterer Schwachpunkt: Das Siegel bleibt unbegrenzt gültig. Wellnesseinrichtungen, die es einmal erhalten haben, dürfen sich bis in alle Ewigkeit damit schmücken.
Regelmäßig Auszeiten nehmen
Was wohltut, entscheidet am Ende jeder selbst. Ob Wellness-Urlaub im Vier-Sterne-Hotel oder ein paar Stunden in der Therme – langfristig gesund bleibt nur, wer regelmäßig Auszeiten einlegt. Hippokrates schrieb: „Die Krankheiten befallen uns nicht wie aus heiterem Himmel, sondern entwickeln sich aus täglichen Sünden gegen die Natur. Wenn diese sich gehäuft haben, brechen sie scheinbar auf einmal hervor.“ So weit sollte es nicht kommen. Mit hochwertigen Wellnessangeboten lässt sich lernen, Alltagssünden zu vermeiden.
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